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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1 Z3 idF 2004/I/077;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des G P in W, vertreten durch Mag. Dr. Peter Kuß, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Riemergasse 14, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 26. Juli 2006, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/05661/2006-9570, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem der Verlust seines Anspruchs auf Notstandshilfe für die Zeit vom 12. Juni bis zum 23. Juli 2006 ausgesprochen wurde, keine Folge gegeben.
In der Begründung verweist die belangte Behörde zunächst auf den erstinstanzlichen Bescheid, nach dem die Sperrfrist deswegen verhängt worden sei, weil der Beschwerdeführer eine vom Arbeitsmarktservice zugewiesene Kursmaßnahme nicht angetreten habe. In der dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, er habe den Kurs nicht besuchen können, weil es ihm auf Grund seiner finanziellen Situation nicht möglich gewesen sei, die Fahrtkosten aufzubringen; außerdem habe er Kurse, die inhaltlich nahezu gleich gewesen seien, bereits besucht.
Der Beschwerdeführer beziehe - so die belangte Behörde weiter - seit dem Jahre 1984 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Es sei ihm am 6. Juni 2006 vom Arbeitsmarktservice eine Kursmaßnahme "Jobexpress bei Venetia" mit Beginn 12. Juni 2006 zugewiesen worden. In der Rechtsbelehrung sei ausgeführt worden, warum diese Maßnahme geeignet sei, die beim Beschwerdeführer vorliegenden Vermittlungshemmnisse zu beseitigen. Durch den Kurs hätte das Selbsthilfepotenzial unterstützt und eine individuelle Bewerbungsstrategie erarbeitet werden sollen. Weiters sollten die persönlichen, sozialen und organisatorischen Kompetenzen des Beschwerdeführers gestärkt werden. Der Beschwerdeführer habe die Rechtsbelehrung unterschrieben, den Kurs aber nicht angetreten. In der mit dem Beschwerdeführer am 23. Juni 2006 aufgenommenen Niederschrift habe er die in seiner Berufung vorgetragenen Argumente wiederholt.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe seien nicht geeignet, die Verweigerung der Kursmaßnahme zu rechtfertigen. Im Falle einer Kurszuweisung durch das Arbeitsmarktservice würden Kursnebenkosten, die der Abdeckung der Fahrtkosten dienten, angewiesen. Einen inhaltlich nahezu gleichen Kurs habe der Beschwerdeführer noch nicht besucht; im Jahr 2005 (Abschluss Februar 2005) habe er ein sogenanntes Einzelcoaching besucht. Es sei daher Schulungsbedarf gegeben. Der Beschwerdeführer habe sich demnach ohne wichtigen Grund geweigert, an einer Schulungsmaßnahme teilzunehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat folgenden Wortlaut:
"Arbeitswilligkeit
§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."
§ 10 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:
"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
...
3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
...
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
...
(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."
Voraussetzung für die Zuweisung zu einer Maßnahme ist es, dass dem Arbeitslosen bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten fehlen, weshalb ihm keine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann. Maßgeblich für eine Zuteilung zu einer Maßnahme sind somit die fehlenden Qualifikationen des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung, die durch die Maßnahme erreicht werden sollen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. September 2005, Zl. 2002/08/0229 u.a.).
Im vorliegenden Fall sollte nach der Begründung des angefochtenen Bescheides durch die Wiedereingliederungsmaßnahme "das Selbsthilfepotenzial unterstützt und eine individuelle Bewerbungsstrategie erarbeitet werden" und es sollten "die persönlichen, sozialen und organisatorischen Kompetenzen des Beschwerdeführers gestärkt werden". Mit dieser Formulierung umschrieb die belangte Behörde offenbar das Ziel, dem Beschwerdeführer im Kurs beizubringen, wie er sich zeitgemäß um Stellen zu bewerben hat, damit das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht bereits an einer mangelhaften Bewerbung scheitert.
Der Beschwerdeführer hat in der Berufung vorgebracht, dass er Maßnahmen wie die jetzt angebotene schon besucht habe, somit über die dort vermittelten Fähigkeiten bereits verfüge.
Die belangte Behörde hätte sich jedenfalls mit diesem Vorbringen und folglich damit auseinandersetzen müssen, welche konkreten Kenntnisse und Fähigkeiten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit Bewerbungsvorgängen fehlen. Diesbezügliche Ermittlungen, zu denen dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu gewähren gewesen wäre, und darauf gegründete Feststellungen hat die belangte Behörde aber nicht durchgeführt bzw. getroffen. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof im Falle eines Langzeitarbeitslosen ausgeführt, dass die Zuweisung zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme schon im Hinblick auf die langjährige Arbeitslosigkeit und die Erfolglosigkeit bisheriger Vermittlungsversuche erforderlich sein kann; eine weitere Darlegung der Notwendigkeit bzw. der Eignung der Maßnahme habe aber nur deswegen unterbleiben dürfen, weil sich der dortige Beschwerdeführer ausschließlich auf die mangelnde Eignung der Maßnahme zur Bewirkung der Wiedereinstellung in den Schuldienst berufen hat (vgl. das Erkenntnis vom 20. April 2005, Zl. 2004/08/0176). Allein auf Grund der nicht näher ausgeführten Begründung im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer habe einen inhaltlich nahezu gleichen Kurs noch nicht und im Jahr 2005 ein sogenanntes Einzelcoaching besucht, es sei daher Schulungsbedarf gegeben, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht nachvollziehbar dargelegt, dass dem Beschwerdeführer bestimmte Kenntnisse und Befähigungen im Zusammenhang mit Bewerbungsvorgängen fehlen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006080289.X00Im RIS seit
26.10.2007