Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Rudolf Vyziblo als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1) Franz E*****, 2) Krzysztof J*****, beide vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Wolfgang Leitner, Rechtsanwalt, Kohlmarkt 14, 1010 Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der R***** GmbH, *****, wegen 1) EUR 21.296,11; 2) EUR 12.677,74 über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. November 2005, GZ 10 Ra 104/05w-54, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen haben hinsichtlich beider Kläger das Stehenlassen offener Entgeltansprüche in der Krise der Arbeitgebergesellschaft, an der diese mit jeweils 10 % (zuletzt mit 8,33 %) beteiligt waren, als eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen beurteilt. Die vom Berufungsgericht hinsichtlich des Erstklägers vertretene Rechtsansicht, dass in der außergerichtlichen Einforderung der offenen Klagsansprüche keine „ernsthafte Geltendmachung" liegt, sondern dem Erstkläger, allenfalls unter Beantragung der Verfahrenshilfe die Klagsführung möglich und zumutbar gewesen wäre, ist jedenfalls nicht unvertretbar. Dem Argument des Erstklägers, dass sich aus den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen in keiner Weise das Erfordernis der Klagsführung ableiten lasse, ist entgegenzuhalten, dass der Gesellschafter, um eine „Umqualifizierung" in Eigenkapitalersatz zu vermeiden, das stehengelassene Kapital abzuziehen bzw die Forderung ernsthaft und aktiv gleich einem Fremdgläubiger zu betreiben hat (Zehetner/Bauer Eigenkapitalersatzrecht S 20 mwH). Welche Maßnahme aber als aktives Betreiben gleich einem Fremdgläubiger anzusehen ist, kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Der Oberste Gerichtshof hat etwa in seiner Entscheidung 9 ObA 53/00k dem Einwand des Gesellschafters, dass ihm „nicht zumutbar gewesen sei, die Gesellschaft seines Vaters und seines Onkels zu klagen" entgegengehalten, dass er auf die (ungeachtet des familienrechtlichen Naheverhältnisses zu den übrigen Gesellschaftern mögliche) Durchsetzung seiner Forderungen verzichtet und damit der Gesellschaft Liquidität zugeführt habe. Die Auffassung, dass die Klagsführung trotz der Behauptung des Bestehens einer die Klagsforderung übersteigenden Gegenforderung im vorliegenden Fall zumutbar gewesen sei, ist jedenfalls vertretbar, wird doch (erst) im Prozess die Aufrechnungslage geklärt. Der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass das Verhalten des Erstklägers, der beim Geschäftsführer „immer wieder seine offenen Ansprüche einforderte", für die ernsthafte Geltendmachung im Sinne einer Durchsetzung der Ansprüche nicht ausreicht, haftet daher eine (grobe) Unrichtigkeit jedenfalls nicht an.
Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass auch bei einer Beteiligung der Kläger von 10 % am Gesellschaftsvermögen (ab 5. 12. 2000 8,33 %) unter Berücksichtigung der sich aus den Feststellungen sonst ergebenden finanziellen und sonstigen Einflussnahmen, die Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts anzuwenden sind, vertretbar. Nach der vor Inkrafttreten des (hier unstrittig noch nicht anzuwendenden) EKEG ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofs, erfordert die Qualifikation einer Leistung des Gesellschafters als Eigenkapitalersatz keine Mindestbeteiligung am Gesellschaftsvermögen (SZ 70/232; RIS-Justiz RS0108750). Lediglich die bloß mit Kleinstanteilen beteiligten Gesellschafter, die keinen besonderen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft haben (so in 8 ObS 12/04d ein Gesellschafter mit einer Stammeinlage von 4,5 %; in 9 ObA 124/03f eine Gesellschafterin mit einer Beteiligung von 1,7 %; in 9 ObA 9/05x eine Gesellschafterin mit einer Beteiligung von 2,5 %) sind von der Anwendung der Grundsätze über das Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen ausgenommen.
Eine Auseinandersetzung mit der Richtlinie 80/987/EWG (Insolvenzrichtlinie) erübrigt sich vorliegend, da diese lediglich eine Mindestsicherung des Anspruchs auf Insolvenzausfallgeld vorsieht, jedoch auf die rein innerstaatlich zu beantwortende Frage der Geltendmachung eines Eigenkapital ersetzenden Gesellschafterdarlehens im Konkurs der Gesellschaft keine Anwendung findet.
Soweit der Zweitkläger als erhebliche Rechtsfrage releviert, dass auf Grund des vereinbarten Einbehalts von Kundengeldern in Anrechnung auf seine offenen Forderungen von einer bewussten Finanzierungsentscheidung nicht die Rede sein könne, ist ihm entgegenzuhalten, dass hinsichtlich der klagsgegenständlichen Forderungen vor dem Schreiben vom 28. Februar 2002 eine Geltendmachung nicht einmal behauptet, geschweige den festgestellt wurde.
Die außerordentliche Revision beider Kläger ist daher zurückzuweisen.
Anmerkung
E812658ObA38.06fSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inGeS 2006,346 = Zak 2006/605 S 356 - Zak 2006,356 = ARD 5745/3/07 =ecolex 2006/439 S 1009 - ecolex 2006,1009 = HS 37.147 = HS 37.466XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:008OBA00038.06F.0619.000Zuletzt aktualisiert am
26.06.2009