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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §46;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des A K in W, vertreten durch Mag. Marko Szucsich, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tegetthofstraße 7, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Jänner 2006, Zl. LGSW/Abt.3-AIV/1218/56/2005-8675, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 49 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 22. Juni 2005 beim Arbeitsmarktservice in Wien vorsprach, wobei ihm das gemäß § 46 AlVG bundeseinheitlich aufgelegte Antragsformular ausgehändigt und als Abgabetermin dafür der 30. Juni 2005 festgelegt wurde. Zudem wurde ihm laut einem im Akt befindlichen, an ihn gerichteten Schreiben des Arbeitsmarktservice vom 22. Juni 2005 ein Kontrolltermin gemäß § 49 AlVG für den 30. Juni 2005 vorgeschrieben, wobei er über die Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung eines Kontrolltermins in Kenntnis gesetzt wurde.
Am 2. August 2005 wurde mit dem Beschwerdeführer vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift aufgenommen. Darin wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer am 30. Juni 2005 beim Arbeitsmarktservice nicht erschienen sei, weil er seine Arbeitsbescheinigung noch nicht erhalten gehabt habe. Er habe beim Arbeitsmarktservice angerufen und gefragt, ob sein Antragsrückgabetermin verschoben werden könne. Es sei ihm am Telefon gesagt worden, dass dies kein Problem sei. Er habe seine Arbeitsbescheinigung erst am 1. August 2005 erhalten.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 31. August 2005 wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld erst ab dem 2. August 2005 gebühre. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Arbeitslosengeld nicht innerhalb der festgesetzten Frist, sondern erst am 2. August 2005 eingebracht habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, der mit Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 31. Oktober 2005 Folge gegeben wurde. Unter der Voraussetzung der Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen werde die Leistung ab 22. Juni 2005 nachgezahlt.
Am 22. November 2005 wurde mit dem Beschwerdeführer vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift zum Gegenstand "Nichteinhaltung der Kontrollmeldung vom 30.6.2005" aufgenommen. Darin führte der Beschwerdeführer aus, dass er die Kontrollmeldung am 30. Juni 2005 nicht eingehalten habe, da er angerufen habe und ihm gesagt worden sei, dass er erst kommen solle, wenn er seine Arbeitsbescheinigung habe. Er sei erst nach Erhalt derselben am 2. August 2005 zum Arbeitsmarktservice gegangen.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 25. November 2005 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 49 AlVG für den Zeitraum vom 30. Juni 2005 bis zum 1. August 2005 kein Arbeitslosengeld erhalte. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seinen vorgeschriebenen Kontrolltermin am 30. Juni 2005 nicht eingehalten und sich erst am 2. August 2005 bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass er sich am 22. Juni 2005 beim Arbeitsmarktservice arbeitslos gemeldet habe und ihm ein Antragsformular ausgehändigt worden sei. Als Rückgabetermin sei der 30. Juni 2005 festgelegt und in die Kontrollkarte eingetragen worden. Herr S. vom Arbeitsmarktservice habe dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Mitnahme der Arbeitsbescheinigung sehr wichtig sei. Diese habe der Beschwerdeführer von seinem ehemaligen Arbeitgeber bis zum 30. Juni 2005 nicht erhalten, weshalb er am 30. Juni 2005 das Arbeitsmarktservice angerufen und gefragt habe, ob es tragisch wäre, wenn er die Arbeitsbescheinigung noch nicht habe. Es sei ihm daraufhin gesagt worden, dass es ohne Arbeitsbescheinigung nicht möglich sei, das Arbeitslosengeld zu berechnen, und der Termin daher "nicht notwendig" sei. Der Beschwerdeführer habe dieses Gespräch als einvernehmliche Verschiebung des Rückgabetermins bis zu dem Zeitpunkt verstanden, in dem er über die Arbeitsbescheinigung verfüge. Am 1. August 2005 habe er die Arbeitsbescheinigung erhalten und sie gleich am nächsten Tag zusammen mit dem Antrag beim Arbeitsmarktservice abgegeben. Der Beschwerdeführer habe somit den vereinbarten Rückgabetermin im Sinn des § 46 AlVG eingehalten, weshalb ihm das Arbeitslosengeld ab 22. Juni 2005 gebühre. Es liege keine Fristversäumnis vor, da die Mitarbeiterin des Arbeitsmarktservice am Telefon diese Terminverschiebung im Namen des Arbeitsmarktservice "getroffen" habe.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde in der Begründung im Wesentlichen aus, dass in der Kontrollmeldekarte des Beschwerdeführers für den 30. Juni 2005 ein Termin eingetragen worden sei und er am 22. Juni 2005 eine Vorschreibung des Termins für den 30. Juni 2005 und eine Belehrung über die Rechtsfolgen eines Terminversäumnisses unterschrieben habe. Selbst wenn dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Antragsrückgabe telefonisch eine falsche Auskunft erteilt worden wäre, wäre dies kein triftiger Grund für die Nichteinhaltung des Kontrolltermins. Der Beschwerdeführer habe daher den Anspruch im Zeitraum vom 30. Juni 2005 bis 1. August 2005 verloren, da er am 30. Juni 2005 nicht vorgesprochen und sich erst am 2. August 2005 wieder beim Arbeitsmarktservice gemeldet habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 49 Abs. 1 AlVG in der hier maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 hat sich der Arbeitslose zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweisung der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, dass das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt.
Gemäß § 49 Abs. 2 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um den Tag einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören.
Gemäß § 46 Abs. 1 AlVG ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Der Anspruch gilt grundsätzlich erst dann als geltend gemacht, wenn der Arbeitslose bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind. Hat der Arbeitslose zwecks Geltendmachung von Arbeitslosengeld bei einem Amtstag der regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen, so gebührt gemäß § 46 Abs. 2 Z. 2 AlVG das Arbeitslosengeld bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, sofern die Vorsprache an dem auf den Eintritt der Arbeitslosigkeit nächstfolgenden Amtstag erfolgt ist.
Der Zweck der Meldepflicht nach § 49 AlVG besteht in der Sicherstellung, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe besteht. Die Meldung dient also der Kontrolle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. auch Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz I, Loseblattsammlung, 2. Lfg. 2006, RZ 820 zu § 49 AlVG). Ein solcher Leistungsbezug muss gegeben sein, sonst könnte er auch nicht im Sinne des § 49 Abs. 2 AlVG verloren werden bzw. könnte es nicht zu einem "Fortbezug" nach der genannten Regelung kommen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0136).
Daraus folgt, dass § 49 erst zur Anwendung gelangen kann, sobald ein Leistungsbezug stattfindet. Eine "Kontrollmeldung" kann daher zu einem Zeitpunkt, in dem noch kein Leistungsbezug erfolgt, nicht wirksam vorgeschrieben werden.
Im vorliegenden Fall stand zum Zeitpunkt der Vorschreibung des Kontrolltermines noch nicht fest, dass dem Beschwerdeführer eine Leistung zusteht, und es stand auch nicht fest, ob eine solche in Zukunft überhaupt zustehen wird. Es konnte daher auch noch nicht zu kontrollieren sein, ob die Voraussetzungen für den Leistungsbezug weiterhin vorliegen. Daran ändert es auch nichts, wenn auf Grund des § 46 AlVG später ein rückwirkender Leistungsbezug eintrat, weil die Anspruchsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Beibringung der Unterlagen nach § 46 AlVG vorlagen; ihr weiterhin gegebenes Vorliegen kann erst nach diesem Zeitpunkt der Kontrolle nach § 49 AlVG unterworfen sein. Zusammengefasst erweist sich somit die Vorschreibung eines Kontrolltermines nach § 49 AlVG zugleich mit dem Termin für die Formularabgabe nach § 46 AlVG, wie sie hier erfolgt ist, als unzulässig; sie konnte daher nicht zu den Rechtsfolgen des § 49 AlVG führen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II. Nr. 333/2003.
Wien, am 19. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006080172.X00Im RIS seit
26.11.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011