Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „Landesgruppe Kärnten der Freiheitlichen Partei Österreichs", berichtigt auf „Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Kärnten" *****, vertreten durch den Obmann Franz S*****, vertreten durch Dr. Andreas Schöppl und Mag. Klaus Waha, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei „Die Freiheitlichen in Kärnten", *****, vertreten durch den Geschäftsführer Manfred S*****, vertreten durch Gheneff-Rami, Rechtsanwälte in Wien, wegen Herausgabe von Unterlagen und Vermögensangabe (Streitwert EUR 11.000), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 7. März 2006, GZ 5 R 160/05x-27, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21. September 2005, GZ 29 Cg 73/05m-23, zurückgewiesen wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird hinsichtlich der Entscheidung über die Berichtigung der Parteienbezeichnung Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird in diesem Umfang aufgehoben. Dem Rekursgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Im Übrigen wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt die Herausgabe ihrer Mitgliederkartei und die Angabe, was ihr von genau bezeichneten Unterlagen der Klägerin sowie der Einrichtung einschließlich des Verzeichnisses des Inventars oder von der Verschweigung oder Verheimlichung dieser Unterlagen bekannt sei und die Leistung eines Eides dahin, dass ihre Angaben richtig und vollständig seien. Die Klägerin sei eine nach dem Parteiengesetz statuierte politische Partei und habe als „Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Kärnten" beim Innenministerium ihre Satzungen hinterlegt. Sie sei als eigene politische Partei auch Teil und Organ der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Trotzdem habe der damalige Obmann der Klägerin mit einigen Mithelfern Anfang April 2005 den Versuch unternommen, die Klägerin aus der FPÖ herauszulösen und diese in eine andere politische Organisation (BZÖ) überzuführen und habe hiedurch nicht nur in mehrfacher Hinsicht die Statuten der Klägerin verletzt, sondern auch sonst massiv gegen die Rechtsordnung verstoßen. Die Beklagte habe sich in den Besitz der Geschäftsstelle der Klägerin gesetzt und sich Unterlagen der Klägerin angeeignet, ohne hiezu berechtigt zu sein.
Die Beklagte wandte - soweit dies für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung ist - ein, dass die Klägerin keine von der „Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Kärnten" verschiedene Rechtspersönlichkeit habe, sie sowohl Verein im Sinne des Vereinsgesetzes als auch politische Partei im Sinne des am 1. 7. 1975 in Kraft getretenen Parteiengesetzes und nur ein Rechtssubjekt sei. Gehe man davon aus, dass die Klägerin die „Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Kärnten" sei, so erweise sich, dass die Klägerin und die Beklagte ein- und dieselbe Person sei. Die Klage sei daher wegen des Verstoßes gegen das den österreichischen Zivilprozess beherrschende Zweiparteiensystem zurückzuweisen. Die Klägerin beantragte hierauf die Richtigstellung ihrer Parteibezeichnung in „Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Kärnten", weil außer Zweifel sei, dass mit der in der Klage angeführten Bezeichnung die Kärntner Landesorganisation der Freiheitliche Partei Österreichs gemeint gewesen sei. Da diese politische Partei nach dem genauen Wortlaut der beim Bundesministerium für Inneres hinterlegten Satzungen „Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Kärnten" heiße, sei die Parteibezeichnung auf diesen Wortlaut richtig zustellen. Die Klägerin und die Beklagte seien zwei verschiedene Rechtssubjekte. Die Beklagte sprach sich gegen die Berichtigung aus und wies auf die von ihr dargelegte Nichtigkeit des Verfahrens hin.
Das Erstgericht berichtigte die Bezeichnung der Klägerin in „Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), Landesgruppe Kärnten" (Punkt 1. seines Beschlusses) und sprach aus, dass DI Karlheinz K***** als Partei einvernommen werde (Punkt 2. seines Beschlusses). Es gelangte zu dem Ergebnis, dass die Streitteile nicht ident seien. Das Rekursgericht wies den Rekurs der Beklagten mit der Begründung zurück, dass jedes Rechtsmittel grundsätzlich nur auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichtet sei. Es sei nicht zulässig, eine dem Hauptverfahren anhaftende Nichtigkeit, die auf die Erledigung der angefochtenen Entscheidung in einem Zwischenverfahren ohne Einfluss sei, im Rekursverfahren von Amts wegen wahrzunehmen. Das Erstgericht habe nur über den Antrag der Klägerin auf Richtigstellung der Parteienbezeichnung entschieden. Es habe aber - ungeachtet der in der Begründung des Beschlusses enthaltenen Überlegungen zur allfälligen Identität der Streitteile - nicht auch über den Antrag der Beklagten, die Klage wegen eines Verstoßes gegen das den Zivilprozess beherrschenden Zweiparteiensystem und/oder auch wegen des Mangels der gesetzlichen Vertretung der Klägerin zurückzuweisen, abgesprochen. Die Beantwortung dieser Fragen sei dadurch dem Rekursgericht entzogen. Die Richtigstellung der Parteienbezeichnung der Klägerin werde von der Beklagten gar nicht bekämpft. Der Beschluss, dass eine bestimmte Person als Partei einvernommen werde, sei als Teil des Prozessprogrammes unanfechtbar und der Rekurs insoweit unzulässig.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs deshalb nicht zulässig sei, da keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zu lösen seien. Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben, das Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen, hilfsweise wird ein Abänderungsantrag bzw ein Aufhebungsantrag gestellt.Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs deshalb nicht zulässig sei, da keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des Paragraph 528, Absatz eins, ZPO zu lösen seien. Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben, das Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen, hilfsweise wird ein Abänderungsantrag bzw ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs enthält über Anfechtungserklärung und -antrag hinaus keine Ausführungen zur Bekämpfung der Zurückweisung des Rekurses gegen Punkt 2 der Entscheidung des Erstgerichtes (Vernehmung einer bestimmten Person als Partei). Insoweit liegt auch keine erhebliche Rechtsfrage vor, sodass der Revisionsrekurs insoweit zurückzuweisen ist.
Hinsichtlich des Punktes 1. des Beschlusses des Erstgerichtes (Berichtigung der Parteibezeichnung) ist der Revisionsrekurs jedoch entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig und auch im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.
Im vorliegenden Fall ist die Rechtsfrage zu beantworten, ob bereits bei Fassung eines Beschlusses über die Berichtigung der Parteienbezeichnung eine geltend gemachte allfällige Nichtigkeit des Verfahrens geprüft werden muss.
Für die Zulässigkeit des mit der Klage begehrten Rechtsschutzes müssen bestimmte verfahrensrechtliche Bedingungen, die Prozessvoraussetzungen, vorliegen. Als Zulässigkeitsvoraussetzungen müssen sie feststehen, bevor darüber entschieden werden darf, ob die Klage begründet ist. Grundsätzlich ist die Klage zurückzuweisen, wenn sie nicht gegeben sind. Ihr Vorliegen ist in jeder Lage des Verfahrens - auch von Amts wegen - zu prüfen. Eine dieser allgemeinen Prozessvoraussetzungen ist die Parteifähigkeit (9 ObA 95/02i, 1 Ob 120/00d, RIS-Justiz RS0035392).
Der Zivilprozess ist aber auch vom Grundsatz des Zweiparteiensystems beherrscht. Voraussetzung für jeden Prozess ist, dass sich zwei von einander verschiedene Rechtssubjekte gegenüberstehen. Eine Klage, bei der Kläger und Beklagter dasselbe Rechtssubjekt sind, ist zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0035075; Schubert in Konecny/Fasching2,
Vor § 1 ZPO, Rz 12 f). Wird der Grundsatz des Zweiparteiensystems verletzt, so kommt dies der Bedeutung nach dem Fehlen der Parteifähigkeit gleich und hindert die Fortsetzung des Verfahrens (RIS-Justiz RS0035075). Gleiches gilt für den Einwand der mangelnden Vertretung der Partei (vgl RIS-Justiz RS0035241).Vor Paragraph eins, ZPO, Rz 12 f). Wird der Grundsatz des Zweiparteiensystems verletzt, so kommt dies der Bedeutung nach dem Fehlen der Parteifähigkeit gleich und hindert die Fortsetzung des Verfahrens (RIS-Justiz RS0035075). Gleiches gilt für den Einwand der mangelnden Vertretung der Partei vergleiche RIS-Justiz RS0035241).
Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass Fragen der Parteifähigkeit, der gesetzlichen Vertretung und der Wahrung des Zweiparteiensystems wegen ihrer Nichtigkeit begründenden Auswirkung bereits jetzt anlässlich der Beschlussfassung über die Berichtigung der Parteibezeichnung zu prüfen sind. Die auch ausdrücklich eingewandte allfällige Nichtigkeit würde sich nämlich - im Gegensatz zu einer Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag und den anderen zu RIS-Justiz RS0007416 genannten Fällen - unmittelbar auf die angefochtene Entscheidung auswirken. Würde einer dieser Verfahrensgrundsätze verletzt, so wäre das gesamte Verfahren, auch der angefochtenen Beschluss, unmittelbar für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen.
Das Rekursgericht hat sich daher zu Unrecht mit den im Rekurs geltend gemachten Fragen nicht auseinandergesetzt, sondern den Rekurs unter Hinweis darauf, dass es zur Überprüfung dieser Frage jetzt noch nicht legitimiert sei, zurückgewiesen. Da dies - wie oben dargelegt - nicht zutrifft und keinesfalls ein zur inhaltlichen Behandlung ungeeigneter Rechtsmittelschriftsatz vorliegt, war der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs aufzutragen. Der gesetzliche Instanzenzug darf nicht verkürzt werden, sodass der Oberste Gerichtshof selbst zur Entscheidung (noch) nicht zuständig ist (RIS-Justiz RS0007060).
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.
Anmerkung
E81445 7Ob95.06fSchlagworte
Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in Zak 2006/646 S 377 - Zak 2006,377 XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0070OB00095.06F.0621.000Dokumentnummer
JJT_20060621_OGH0002_0070OB00095_06F0000_000