TE Vwgh Beschluss 2007/9/19 2007/13/0010

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Veröffentlicht am 19.09.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §110;
BAO §245 Abs3;
BAO §275;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, in der Beschwerdesache der B Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die Veltze, Mares & Partner KEG, Wirtschaftstreuhand-, Steuerberatungsgesellschaft in 1200 Wien, Leithastraße 25/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 11. Dezember 2006, GZ. RV/1049-W/05, RV/1050-W/05, RV/1864-W/06, betreffend Erklärung einer Berufung hinsichtlich Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 1997 bis 2000 als zurückgenommen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, das Finanzamt habe nach einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung, welche den Zeitraum 1997 bis 2000 umfasst habe, am 4. Mai 2004 Bescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 1997 bis 2000 und am 29. April 2004 Haftungsbescheide gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 betreffend Kapitalertragsteuer für die Jahre 1997 bis 2000 erlassen. Gegen diese Bescheide habe die Beschwerdeführerin fristgerecht mit Schreiben vom 4. Juni 2004 Berufung erhoben.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2004 habe das Finanzamt die Beschwerdeführerin aufgefordert, inhaltliche Mängel der Berufung vom 4. Juni 2004 ("es fehle die Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten und welche Änderungen begehrt werden, sowie eine ausführliche Begründung") bis zum 6. Juli 2004 zu beheben.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2004 sei die Mängelbehebung zur Berufung vom 4. Juni 2004 erfolgt. Dazu habe die Beschwerdeführerin ergänzend ausgeführt, dass die mit Bescheid vom 14. Juni 2004 gesetzte Mängelbehebungsfrist wegen des Versagens der Akteneinsicht in den Arbeitsbogen der Betriebsprüfung vom Finanzamt "am 28. Juni 2004 auf den 20. Juli 2004" verlängert worden sei.

Die Berufung sei - so die belangte Behörde weiter im angefochtenen Bescheid - am 27. Juni 2005 zur Entscheidung an die belangte Behörde vorgelegt worden. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, den Nachweis dafür zu erbringen, dass sie bis zum 6. Juli 2004 einen Antrag auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist beim Finanzamt eingebracht habe. Bezugnehmend darauf habe die Beschwerdeführerin eine "Kopie des Schreibens vom 28. Juni 2004" des Finanzamtes vorgelegt.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, bei der Mängelbehebungsfrist nach § 275 BAO handle es sich um eine behördliche Frist, die gemäß § 110 Abs. 2 BAO verlängert werden könne. Eine solche Verlängerung setze allerdings einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag voraus.

Die Beschwerdeführerin sei dem Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes vom 14. Juni 2004 nicht zeitgerecht (innerhalb der bis zum 6. Juli 2004 gesetzten Frist) nachgekommen. Die Verlängerung der vom Finanzamt gesetzten Mängelbehebungsfrist hätte einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vorausgesetzt. Eine Fristverlängerung von Amts wegen sei im Gesetz nicht vorgesehen. Die Beschwerdeführerin habe trotz Aufforderung keinen Nachweis dafür erbracht, dass sie bis zum 6. Juli 2004 einen Antrag auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist beim Finanzamt eingebracht habe. Die Mängelbehebung sei somit am 20. Juli 2004 verspätet erfolgt. Die eingetretene Sanktion des § 275 BAO könne - vom Fall einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 308 BAO) abgesehen - nicht nachträglich beseitigt werden. Die Berufung sei daher gemäß § 275 BAO als zurückgenommen zu erklären gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird u. a. vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin entgegen der Annahme der belangten Behörde niederschriftlich vor dem Finanzamt am 28. Juni 2004 einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt habe. Es sei außerdem "Faktum", dass das Finanzamt mit der am 28. Juni 2004 bescheidmäßig erfolgten Fristverlängerung die "Fristverlängerung mit 6.7.2004 außer Kraft gesetzt hat und damit mit diesem Datum die Einbringung der Berufung niemals versäumt werden konnte".

Mit der hg. Verfügung vom 26. April 2007 wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass der Äußerung der belangten Behörde zum Antrag, der vorliegenden Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, im Zusammenhalt mit der angeschlossenen Stellungnahme des Finanzamtes zu entnehmen sei, dass mittlerweile offenbar einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO betreffend Versäumung der strittigen Mängelbehebungsfrist stattgegeben worden sei. Da somit ein zu einer Verfahrenseinstellung führender Wegfall des rechtlichen Interesses an einer Beschwerdeentscheidung eingetreten sein dürfte, werde die Beschwerdeführerin im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG aufgefordert, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

In Beantwortung dieser Verfügung brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei richtig, dass das Finanzamt dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO betreffend die Berufung vom 4. Juni 2004 stattgegeben habe. Aus "anwaltlicher Vorsicht" müsse jedoch die Beschwerde aufrechterhalten werden, solange das Finanzamt potenziell die Möglichkeit einer Aufhebung des Wiedereinsetzungsbescheides habe. Auch aus Kostengründen sei eine Rückziehung der Beschwerde nicht möglich.

Die belangte Behörde legte über hg. Aufforderung den Bescheid des Finanzamtes vom 20. Februar 2007 vor, mit dem dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO betreffend die Versäumung der Mängelbehebungsfrist im Zusammenhang mit der Berufung vom 4. Juni 2004 gegen die Bescheide betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer für die Jahre 1997 bis 2000 stattgegeben worden ist. Ergänzend nahm die belangte Behörde auch insofern Stellung, als sie darauf hinwies, sie habe im Beschwerdefall die Auffassung vertreten, dass eine Verlängerung der vom Finanzamt gemäß § 275 BAO gesetzten Mängelbehebungsfrist einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vorausgesetzt hätte. Eine Fristverlängerung von Amts wegen sei im Gesetz nicht vorgesehen. Gegen die beabsichtigte Verfahrenseinstellung bestünden seitens der belangten Behörde keine Bedenken.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass die beschwerdeführende Partei klaglos gestellt wurde. Die Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG ist nicht auf die Fälle formeller Klaglosstellung beschränkt. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage keine praktische Bedeutung mehr zukommt und der Beschwerdeführer durch den Bestand des angefochtenen Bescheides nicht mehr in einem subjektiven Recht beschwert sein kann (vgl.  Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 308). Wegen Wegfalls des rechtlichen Interesses an einer Sachentscheidung war daher das vorliegende Beschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen. Für den Fall, dass die behördliche Maßnahme, die die Klaglosstellung bewirkt hat, nachträglich behoben werden sollte, ist auf den Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z 5 VwGG hinzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die Bestimmung des § 58 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Fristverlängerungsbescheide entfalten nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann eine rechtsgestaltende Wirkung, wenn sie - beispielsweise wegen Fehlens eines fristgerechten Antrages - rechtswidrig sind (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 8. März 1994, 91/14/0026, Slg. Nr. 6871/F, und vom 22. November 2001, 2000/15/0201, Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 110 E 18, sowie Ritz, BAO3, § 245 Tz 23, mwN). Zufolge fiktiven Obsiegens der beschwerdeführenden Partei waren ihr daher im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGG die Kosten zuzusprechen.

Wien, am 19. September 2007

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007130010.X00

Im RIS seit

25.01.2008

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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