TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/19 2006/08/0313

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Veröffentlicht am 19.09.2007
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §7 Abs3 Z2 idF 2005/I/102;
ARB1/80 Art6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des E A in W, vertreten durch Dr. Roland Menschick, Rechtsanwalt in 4710 Grieskirchen, Roßmarkt 20, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 8. August 2006, Zl. LGSOÖ/Abt.4/05660610/2006-13, betreffend Anspruch auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall steht unstrittig fest, dass der Beschwerdeführer türkischer Staatsangehöriger ist und sich seit Juli 2001 in Österreich aufhält. Im Jahr 2000 hat der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin in der Türkei geheiratet. Am 24. Juli 2001 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, der wegen des Verdachts des Eingehens einer Scheinehe abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer war mit Unterbrechungen vom Juli 2001 bis Dezember 2005 in Österreich beschäftigt. Im November 2005 wurde die Ehe des Beschwerdeführers geschieden. Nach dem Vorbringen in der Beschwerde verfügt der Beschwerdeführer über keine Aufenthaltsberechtigung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides den Antrag des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe vom 22. Juni 2006 abgewiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Notstandshilfe sei mangels Verfügbarkeit abgelehnt worden. In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer unter anderem vorgebracht, jede Diskriminierung und Benachteiligung auf Grund der Staatsbürgerschaft sei unzulässig, sobald türkische Staatsangehörige dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates angehörten. Die Nichtgewährung von Notstandshilfe stelle einen Verstoß gegen die Assoziationsratsbeschlüsse 1/80 und 3/80 sowie gegen die Verordnungen 1408/71 und 1408/72 dar. Die Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers sei gleichheitswidrig. Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe stellten einen wesentlichen Bestandteil seiner Mittel zur Bestreitung seiner Lebenshaltungskosten dar.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aus, der Bezug einer Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz sei nur möglich, wenn eine Beschäftigung nach dem AuslBG ausgeübt werden dürfe. Liege kein rechtskräftiger Aufenthaltstitel vor, sei ein Bezug nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde zusammengefasst vor, die Verwehrung der Notstandshilfe stelle eine Diskriminierung auf Grund seiner Staatsbürgerschaft dar, zumal er dem Arbeitsmarkt Österreichs angehöre; dadurch werde gegen das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei verstoßen. Zur Mitgliedschaft am österreichischen Arbeitsmarkt habe die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen.

Die für den Zeitpunkt der Antragstellung am 22. Juni 2006 und danach maßgebende Rechtslage stellt sich wie Folgt dar:

Nach § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaft erfüllt und die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist (§ 7 Abs. 2 leg. cit.).

Gemäß § 7 Abs. 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2005 kann und darf eine Person eine Beschäftigung aufnehmen,

"1. die sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält,

2. die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, und

3. die nicht den Tatbestand des § 34 Abs. 3 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75 unter Berücksichtigung des § 34 Abs. 4 FrG erfüllt."

Der Verwaltungsgerichtshof hatte im Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2004/08/0103, bei vergleichbarer Rechtslage die Frage zu beantworten, ob ein türkischer Staatsangehöriger, über den ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde, im Hinblick auf den Beschluss Nr. 1/80 des Assoziierungsabkommens zwischen der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, bei sonst vorliegenden Voraussetzungen, Anspruch auf Arbeitslosengeld hat; dies wurde verneint. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Hervorzuheben ist daraus, dass sich ein türkischer Staatsangehöriger nur dann auf die ihm durch Art. 6 Abs. 1 des genannten Abkommens verliehenen Rechte berufen kann, wenn seine aufenthaltsrechtliche und seine beschäftigungsrechtliche Stellung als ordnungsgemäß im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann. Nach der im genannten Erkenntnis wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften setzt die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats voraus; eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen setzt das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechtes voraus.

Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer "bisher über kein Aufenthaltsrecht verfügt" hat. Diese Feststellung lässt der Beschwerdeführer unbekämpft.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich über kein Aufenthaltsrecht verfügte, kann keine Rede davon sein, dass er eine gesicherte Position auf dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt inne hat. Er konnte sich daher im Zeitpunkt der Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 22. Juni 2006 nicht darauf berufen, dem regulären Arbeitsmarkt anzugehören.

Da der Beschwerdeführer somit der auch für andere Fremde geltenden Rechtslage unterliegt, ist auf ihn § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG anzuwenden. Danach fehlt es dem Beschwerdeführer an der Verfügbarkeit, weil er sich nicht berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

Die belangte Behörde hat daher zutreffend das Vorliegen der Verfügbarkeit des Beschwerdeführers verneint; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006080313.X00

Im RIS seit

29.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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