TE OGH 2006/6/27 5Ob27/06s

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2006
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Veith, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Herbert Pfeifer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Koloman G*****, vertreten durch Mag. Lothar Schulmeister, Rechtsanwalt in Wien, wegen 9.997 Euro s. A., über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2005, GZ 53 R 356/05t-22, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 26. April 2005, GZ 33 C 188/04h-17, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin als Leasinggeberin und der Beklagte als Leasingnehmer hatten am 18. 3. 2002 einen Leasingvertrag über einen vom Beklagten am 15. 3. 2002 übernommenen Neuwagen (Volvo S 80, 2,4 D) mit einer Leasingzeit von 60 Monaten abgeschlossen.

Punkt 5. „Gewährleistung" der AGB des Leasingvertrags lautet auszugsweise:

„5.1 Der Kunde trägt die Gefahr für (auch unverschuldeten) Untergang, Verlust (Diebstahl) und Beschädigung des Fahrzeuges, sodass er auch in diesen Fällen von seinen vertraglichen Pflichten nicht entbunden ist.

...

5.3 Bei einem Unfall oder einem sonstigen Schaden hat der Kunde das Fahrzeug unverzüglich in einer Markenwerkstätte des Fahrzeugherstellers abzustellen und die Bank schriftlich über den Schaden zu informieren. Sämtliche Versicherungsleistungen sind zur Wiederherstellung des Fahrzeuges zu verwenden, solche für merkantilen Minderwert fließen ungeschmälert der Bank zu."

In Punkt 7. der AGB ist das Vorgehen bei vorzeitiger Vertragsauflösung geregelt; demnach konnte die Klägerin im Fall nicht vollständiger oder fristgerechter Zahlung von Raten Terminverlust geltend machen und die Bezahlung der gesamten noch offenen Schuld resultierend aus rückständigen und restlichen Raten, Spesen und Restwert abzüglich Zinsvergütung und Verwertungserlös fordern. Mit Schreiben vom 24. 6. 2003 teilte der Beklagtenvertreter der Klägerin mit, das Leasingfahrzeug habe bei einem Unfall am 20. 9. 2002 eine erhebliche Wertminderung erlitten. Diese äußere sich nicht nur im unangenehmen „Gefühl", ein nicht mehr unfallfreies Fahrzeug zu lenken, sondern auch in konkreten Mängeln, die trotz fachgerechter Reparatur am Fahrzeug verblieben seien und den Fahrkomfort beeinträchtigten. Er fordere die Klägerin auf, die ihr zustehenden „Forderungsrechte" abzutreten, um die Geltendmachung der Wertminderung zu ermöglichen, andernfalls der Beklagte erwäge, den Leasingvertrag aus wichtigem Grund vorzeitig zu lösen. Die Klägerin übermittelte dem Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 1. 7. 2003 eine Zessionserklärung mit folgendem Wortlaut:

„Hiermit treten wir sämtliche Versicherungsansprüche zum gegenständlichen Schadensfall .... an den Leasingnehmer zum Inkasso ab. Da wir zum Unfallszeitpunkt rechtmäßiger Fahrzeugeigentümer waren, bitten wir um Überweisung einer eventuell anfallenden Wertminderung auf folgendes Konto ...."

Nach weiterer Korrespondenz erklärte der Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 15. 10. 2003, der Beklagte trete mit sofortiger Wirkung vom Leasingvertrag zurück, weil die Klägerin nicht bereit gewesen sei, ihm „den in gegenständlicher Angelegenheit entstandenen merkantilen Minderwert in Höhe von 1.920 Euro zu überlassen". Die Klägerin rechnete den Leasingvertrag vorzeitig ab und auf den sich dabei ergebenden Betrag zugunsten des Beklagten den Wertminderungsbetrag von 1.920 Euro an.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung des so ermittelten Abrechnungsbetrags.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, „weil zu den behandelten Fragen im Zusammenhang mit der Wertminderung keine Rechtsprechung des OGH (bestehe)" und „die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO gegeben (seien), zumal auf Grund der Vertragsgestaltung durch AGB auch von einer Bedeutung über den Einzelfall hinaus ausgegangen werden (könne)".Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, „weil zu den behandelten Fragen im Zusammenhang mit der Wertminderung keine Rechtsprechung des OGH (bestehe)" und „die Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO gegeben (seien), zumal auf Grund der Vertragsgestaltung durch AGB auch von einer Bedeutung über den Einzelfall hinaus ausgegangen werden (könne)".

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision des Beklagten deshalb unzulässig, weil dieser keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend macht. Die Zurückweisung des ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO), ist die Revision des Beklagten deshalb unzulässig, weil dieser keine Rechtsfragen iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO geltend macht. Die Zurückweisung des ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO):

1. Vorauszuschicken ist, dass es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht ausreicht, dass die (eine der) im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts und/oder in der Revision des Rechtsmittelwerbers angeführte(n) Frage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO wäre(n); es muss vielmehr die Entscheidung gerade von der Lösung dieser Rechtsfrage(n) abhängen, die angeschnittene(n) Rechtsfrage(n) müssen also präjudiziell sein (RIS-Justiz RS0102059, RS0088931). Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, losgelöst vom konkret vorliegenden Fall Fragen rein theoretischer Natur zu lösen (RIS-Justiz RS0111271).1. Vorauszuschicken ist, dass es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht ausreicht, dass die (eine der) im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts und/oder in der Revision des Rechtsmittelwerbers angeführte(n) Frage von erheblicher Bedeutung im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO wäre(n); es muss vielmehr die Entscheidung gerade von der Lösung dieser Rechtsfrage(n) abhängen, die angeschnittene(n) Rechtsfrage(n) müssen also präjudiziell sein (RIS-Justiz RS0102059, RS0088931). Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, losgelöst vom konkret vorliegenden Fall Fragen rein theoretischer Natur zu lösen (RIS-Justiz RS0111271).

2.1. Der Beklagte hält es vorerst für erhebliche Rechtsfragen, „ob nach einem vom Unfallgegner des Leasingnehmers allein verschuldeten Verkehrsunfall ein vom Unfallgegner zu bezahlender Wertminderungsbetrag ungeachtet einer gegenteiligen (allenfalls sittenwidrigen) Bestimmung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Leasinggebers im Ergebnis beim Leasinggeber zu verbleiben hat, bzw ob der Leasingnehmer im Ausmaß jenes Wertminderungsbetrages seinerseits ein Recht auf Minderung der Leasingraten gegenüber dem Leasinggeber aus der nunmehr minderen Benutzbarkeit des Leasinggegenstandes ableiten kann". Es fehlt also dem Beklagten höchstgerichtliche Judikatur zu den Fragen, „ob ein Wertminderungsbetrag nach einem Verkehrsunfall dem Leasinggeber zu verbleiben hat oder im Ergebnis (als Forderung des Leasingnehmers dem Leasinggeber gegenüber) dem Leasingnehmer zusteht" und „ob eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Leasinggebers, wonach sich dieser den vollen Wertminderungsbetrag endgültig zueignet, sittenwidrig im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB ist".2.1. Der Beklagte hält es vorerst für erhebliche Rechtsfragen, „ob nach einem vom Unfallgegner des Leasingnehmers allein verschuldeten Verkehrsunfall ein vom Unfallgegner zu bezahlender Wertminderungsbetrag ungeachtet einer gegenteiligen (allenfalls sittenwidrigen) Bestimmung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Leasinggebers im Ergebnis beim Leasinggeber zu verbleiben hat, bzw ob der Leasingnehmer im Ausmaß jenes Wertminderungsbetrages seinerseits ein Recht auf Minderung der Leasingraten gegenüber dem Leasinggeber aus der nunmehr minderen Benutzbarkeit des Leasinggegenstandes ableiten kann". Es fehlt also dem Beklagten höchstgerichtliche Judikatur zu den Fragen, „ob ein Wertminderungsbetrag nach einem Verkehrsunfall dem Leasinggeber zu verbleiben hat oder im Ergebnis (als Forderung des Leasingnehmers dem Leasinggeber gegenüber) dem Leasingnehmer zusteht" und „ob eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Leasinggebers, wonach sich dieser den vollen Wertminderungsbetrag endgültig zueignet, sittenwidrig im Sinn des Paragraph 879, Absatz 3, ABGB ist".

2.2. Die Frage, ob ein Wertminderungsbetrag „ungeachtet einer gegenteiligen Bestimmung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen" dem Leasinggeber zu verbleiben hat, stellt sich hier vorerst deshalb nicht, weil in Punkt 5.3 der AGB eine vertragliche Regelung vorliegt, welche genau dies vorsieht. Auf die dazu aus dem Gesetz ableitbare Rechtslage müsste daher erst dann eingegangen werden, wenn die vertragliche Regelung als sittenwidrig oder sonst unwirksam erwiesen wäre.

2.3. Ob ein Wertminderungsbetrag „im Ergebnis beim Leasinggeber zu verbleiben hat", muss deshalb nicht beantwortet werden, weil die Klägerin dem Beklagten den Wertminderungsbetrag bei der Abrechnung des Leasingvertrags gutgebracht hat, sodass dieser „im Ergebnis" ohnehin nicht beim Leasinggeber verblieben ist.

2.4. Ob der Leasinggeber „im Ausmaß jenes Wertminderungsbetrages .... ein Recht auf Minderung der Leasingraten gegenüber dem Leasinggeber aus der nunmehr minderen Benutzbarkeit des Leasinggegenstandes ableiten kann", ist eine Frage bloß theoretischer Natur, weil der Beklagte solche Überlegungen zwar immer wieder in den Raum gestellt, mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 15. 10. 2003 aber deshalb mit sofortiger Wirkung vom Leasingvertrag zurückgetreten ist, weil die Klägerin nicht bereit war, dem Beklagten „den in gegenständlicher Angelegenheit entstandenen merkantilen Minderwert in Höhe von 1.920 Euro zu überlassen". Der Beklagte hat also von der Klägerin für seine weitere Bereitschaft zur Aufrechterhaltung des Vertrags nicht etwa (nur) die Minderung der Leasingraten, sondern die sofortige Überlassung des gesamten Wertminderungsbetrags verlangt.

3.1. Die weiteren Revisionsausführungen des Beklagten lassen sich dahin zusammenfassen, dass ein Misstrauen potenzieller Käufer gegen ein vorgeschädigtes Fahrzeug nur für einen Zeitraum von 2 bis 3 Jahren anerkannt würde, weil danach eine Vorschadensfreiheit ohnehin nicht mehr unterstellt werde. Da aber die Streitteile den Leasingvertrag für die Dauer von 4 Jahren abgeschlossen hätten, treffe der Nachteil des Vorschadens letztlich den Beklagten bei der Restwertberechnung; es stelle daher eine sittenwidrige Bereicherung der Klägerin als Leasinggeberin dar, wenn diese den ihr von dritter Seite zufließenden Wertminderungsbetrag vereinnahme, ohne diesen dem eigentlich geschädigten Beklagten weiterzugeben.

3.2. Zu diesen Ausführungen ist erneut darauf hinzuweisen, dass sich hier die Frage nach der Zulässigkeit einer endgültigen Vereinnahmung des Wertminderungsbetrags durch die Klägerin am Ende der regulären Laufzeit des Leasingvertrags, etwa im Rahmen der Restwertberechnung nicht stellt, weil die Klägerin hier bei der Endabrechnung des Leasingvertrags den Wertminderungsbetrag zugunsten des Beklagten ohnehin angerechnet hat.

4. Entscheidend für die Beurteilung des vorliegenden Falls ist dagegen die Beantwortung der Frage, ob dem Beklagten noch vor Ablauf von 2 Jahren, also weit vor Ende des Leasingvertrags und auch immer noch deutlich innerhalb jenes Zeitraums, für den der Beklagte selbst ein Misstrauen möglicher Käufer bei fehlender Vorschädigung ausdrücklich einräumt, der von im geltend gemachte Anspruch auf sofortige Ausfolgung des gesamten Wertminderungsbetrags zusteht. Punkt 5.3 der AGB des Leasingvertrags schließt einen solchen Anspruch des Beklagten aus. Mit der Frage, warum diese vertragliche Regelung - nicht ganz allgemein oder für den Fall des Ablaufs der regulären Vertragslaufzeit, sondern - für den hier allein maßgeblichen Zeitpunkt (weniger als zwei Jahre nach Vertragsabschluss) sittenwidrig sein soll, setzt sich der Beklagte nicht nachvollziehbar auseinander. Er liefert keine einer sachlichen Auseinandersetzung zugänglichen Argumente, warum die Leasinggeberin zu einem Zeitpunkt, zu dem der Leasingvertrag noch keineswegs so lange aufrecht war, dass eine merkantile Wertminderung (insbesondere bei vorzeitiger Vertragsauflösung) nicht doch zu ihren Lasten als Eigentümerin des Fahrzeugs schlagend hätte werden können, zur sofortigen Herausgabe des gesamten Wertminderungsbetrags verpflichtet und andernfalls das „Äquivalenzprinzip" unvertretbar gestört sein sollte. Da der Beklagte in seiner Revision auf die im gegebenen Fall erhebliche Rechtsfrage nicht substanziell eingeht, ist sein Rechtsmittel unzulässig und zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 40 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten nicht hingewiesen und auch nicht deren Zurückweisung beantragt; sie hat daher die Kosten ihrer nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0035962, RS0035979).5. Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 50,, 40 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten nicht hingewiesen und auch nicht deren Zurückweisung beantragt; sie hat daher die Kosten ihrer nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0035962, RS0035979).

Anmerkung

E81473 5Ob27.06s

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0050OB00027.06S.0627.000

Dokumentnummer

JJT_20060627_OGH0002_0050OB00027_06S0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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