TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/19 2006/08/0337

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Veröffentlicht am 19.09.2007
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z4 idF 2004/I/077;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des Mag. S B in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wiesingerstraße 3, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29. September 2006, Zl. LGSW/Abt.3-AIV/05661/2006-10061, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 27. Juni 2006 wurde mit dem im Bezug von Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführer vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift aufgenommen. Daraus geht hervor, dass der Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice aufgefordert wurde, bis zum 22. August 2006 wöchentlich zumindest zwei Bewerbungen glaubhaft zu machen. Er könne sich schriftlich, telefonisch oder persönlich bewerben, müsse allerdings die Bewerbungen z.B. durch Kopien von Bewerbungsschreiben oder durch Bekanntgabe von Personen, bei denen er sich beworben habe, glaubhaft machen. Eine Überprüfung der Bewerbungsaktivitäten erfolge anlässlich der Kontrolltermine, zu denen er die ausgefüllte Bewerbungsliste sowie die sonstigen Nachweise über seine Bewerbungsaktivitäten mitbringen möge. Der erste Kontrolltermin werde für den 22. August 2006 vorgeschrieben. Die Niederschrift enthält weiters den Hinweis, dass sowohl die mangelnde Eigeninitiative zur Erlangung einer Beschäftigung als auch das Unterlassen einer vorgeschriebenen Kontrollmeldung ohne triftigen Grund den vorübergehenden Verlust des Leistungsanspruches gemäß § 10 bzw. § 49 AlVG zur Folge haben könne.

Laut einer weiteren Niederschrift der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 22. August 2006 habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er nicht bereit bzw. in der Lage sei, die vereinbarten Nachweise seiner Anstrengung zur Erlangung einer Beschäftigung vorzulegen: Er sei bei einigen Unternehmen seit 2003/2004 in Evidenz und habe keine neuerliche Liste über seine Vermittlungen angelegt, da ihn dies aufhalte. Der Beschwerdeführer habe weiters angegeben, dass er sich laufend bewerbe, derzeit bei ca. zwei bis fünf Unternehmen pro Woche, jedoch keine weiteren Adressen vorlegen könne, da es derzeit keine Unternehmen gäbe, die Geologen suchen würden.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 25. August 2006 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 22. August bis 2. Oktober 2006 des Anspruches auf Notstandshilfe für verlustig erklärt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe keine Nachweise über Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung vorgelegt. Nachsichtsgründe lägen nicht vor.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er vom Arbeitsmarktservice nicht schriftlich aufgefordert worden sei, Nachweise über Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung vorzulegen. Er habe Unterlagen von Unternehmen, die er besucht habe, vorgelegt, welche jedoch vom Stellvertreter der Geschäftsleitung abgelehnt worden seien. Der Berufung wurde eine handschriftliche Liste mit Firmen beigelegt mit dem Vermerk:

"Beilage: Liste der besuchten Firmen im Zeitraum von Mai 2006 bis August 2006".

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 22. August 2006 keine aktuellen Bewerbungen habe vorlegen können. Er habe lediglich Computerausdrücke mit Unternehmensadressen aus den Jahren 2003 und 2004 vorgelegt. Der Berufung habe er eine handschriftliche Liste mit Firmen beigelegt. Laut der mit ihm am 22. August 2006 aufgenommenen Niederschrift habe er angegeben, dass er bei einigen Unternehmen seit 2003 bzw. 2004 in Evidenz gehalten werde. Eine neuerliche Liste betreffend aktuelle Bewerbungen könne er nicht vorlegen, da ihn dies aufhalte. Er bewerbe sich laufend, könne aber keine Bewerbungsnachweise vorlegen, da die Unternehmen derzeit keine Geologen suchten. Da der Beschwerdeführer wöchentlich zwei Bewerbungen habe glaubhaft machen sollen, jedoch keine Bewerbungen habe nachweisen können, sei eine Sanktion gemäß § 10 AlVG zu verhängen gewesen. Berufsschutz bestehe keiner.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden

Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet:

"Arbeitswilligkeit

(1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."

§ 10 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

...

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

...

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen. "

Gemäß § 38 AlVG sind die genannten Bestimmungen auf die Notsandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Das Arbeitsmarktservice kann einen Arbeitslosen nach § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG auffordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen. Wird eine solche Aufforderung dahingehend konkretisiert, dass der Arbeitslose in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachweisen soll, kann dies aber nichts daran ändern, dass der Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat.

Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die Anstrengungen seien nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der Anstrengungen zu enthalten. Hierbei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, Zl. 2005/08/0041, mwN).

Ausgehend davon kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung, sich laufend zu bewerben, derzeit zwei- bis fünfmal wöchentlich, und der Vorlage einer Liste von Unternehmen mit der Angabe, dass er diese im Zeitraum vom Mai bis August 2006 besucht habe, Relevanz zu. Die belangte Behörde hätte sich daher, gegebenenfalls nach weiteren Ermittlungen, mit diesem Vorbringen jedenfalls beweiswürdigend auseinandersetzen müssen, etwa auch im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Angaben oder in Bezug auf die objektive und dem Beschwerdeführer erkennbare Sinnlosigkeit seiner Vorgangsweise. Eine diesbezügliche fehlende Bescheidbegründung kann in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 1064 f unter E 140 ff zitierte hg. Judikatur).

Die belangte Behörde hat eine entsprechende Begründung im angefochtenen Bescheid offenbar in Verkennung der Rechtslage unterlassen und sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheides tragend nur darauf gestützt, dass der Beschwerdeführer die aufgetragenen Bewerbungsnachweise nicht vorgelegt habe. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine Befassung mit dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid geführt hätte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. September 2007

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006080337.X00

Im RIS seit

26.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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