TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/19 2006/08/0269

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2007
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der V W in Wien, vertreten durch Dr. Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Porzellangasse 39, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 21. Juni 2006, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/05661/2006-715, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 1. März bis zum 11. April 2006 ausgesprochen worden ist, keine Folge gegeben.

Nach der Begründung habe die erstinstanzliche Behörde den Verlust ausgesprochen, weil die Beschwerdeführerin eine zumutbare Beschäftigung bei der Firma F. und bei der Notariatskanzlei Dr. W. nicht angenommen habe. Berücksichtungswürdige Umstände lägen nicht vor.

In ihrer Berufung habe die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vorgebracht, sie habe den Betreuungsplan in allen Punkten eingehalten; die zwei angebotenen Stellen seien für sie aus berücksichtungswürdigen Umständen nicht zumutbar. Die Firma F. hätte Russischkenntnisse verlangt, über die sie nicht verfüge, die Notariatskanzlei wäre nach telefonischen Angaben nicht für eine "Europasekretärin" geeignet gewesen. Eine Vermittlung solcher Stellen sei ein unsinniger Verwaltungsaufwand, da nicht einmal Bewerbungsgespräche hätten stattfinden können auf Grund der Tatsache, dass die Stellenangebote nicht annehmbar seien. Es läge daher auch keine Weigerung vor.

Zufolge einer beim Arbeitsmarktservice Redergasse mit der Beschwerdeführerin am 1. März 2006 aufgenommenen Niederschrift habe sie angegeben, dass sie "andere Sachen" in Aussicht hätte, die interessanter seien und ihrem Profil besser entsprächen (vier Sprachen fließend, Europasekretärinnenniveau).

In der Notariatskanzlei Dr. W. sei nur Englisch gefragt; die Beschwerdeführerin stamme aus einer Juristenfamilie und habe bewusst einen Beruf gesucht, wo sie damit wenig zu tun habe. Sie habe Bewerbungen getätigt, die sie mehr interessierten. Sie habe schlechte Erfahrungen mit Unternehmen gemacht, die das Arbeitsmarktservice vermittelt habe.

In einem E-Mail vom selben Tag habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, es habe sich nunmehr telefonisch herausgestellt, dass "die beiden Dienstgeber für sie irrelevant gewesen" seien. Die Firma F. hätte Russischkenntnisse gefordert, über die sie nicht verfüge. Die Notariatskanzlei Dr. W. sei an einer Zusammenarbeit nicht interessiert gewesen, weil man gemerkt habe, dass sie als mehrsprachige Europasekretärin für eine Stelle als Kanzleiassistentin mit Maturaniveau überqualifiziert sei; man habe jemand "Bodenständigen" gesucht. Es würde sich daher nicht um zugewiesene Beschäftigungen handeln, sondern lediglich um Angebote, deren Nichtannahme begründet wäre.

In einer Stellungnahme zu einem Vorhalt der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, aus ihrem Schreiben vom 1. März 2006 gehe eindeutig hervor, dass die Notariatskanzlei an einer Zusammenarbeit mit ihr nicht interessiert gewesen sei, weil man keine Europasekretärin gebraucht habe. Die Arbeitsaufnahme sei somit von Frau Dr. W. und nicht von der Beschwerdeführerin verhindert worden. Die Aussagen der Beschwerdeführerin am 1. März 2006 seien unter Druck erfolgt, sie habe lediglich einen Betreuungsplan abholen wollen. Sie habe vergessen, sich zu bewerben, da die Stellen beim Arbeitsmarktservice meist unbrauchbar gewesen seien, was auch diesmal stimmen würde.

Die belangte Behörde stellte folgenden Sachverhalt fest:

"Vom Arbeitsmarktservice Redergasse wurde Ihnen am 13.02.2006 eine Beschäftigung als Sachbearbeiterin bei der Firma F. zugewiesen.

Bei dieser Beschäftigung wären Russischkenntnisse erforderlich gewesen.

Sie können keine Russischkenntnisse aufweisen.

Am selben Tag wurde Ihnen eine Beschäftigung als Sekretärin bei der Notariatskanzlei Dr. W. mit zumindest kollektivvertraglicher Entlohnung zugewiesen.

Möglicher Arbeitsbeginn wäre auch am 01.03.2006 gewesen.

Am 01.03.2006 stellte das Arbeitsmarktservice im Zuge ihrer Vorsprache fest, dass Sie sich bei beiden Firmen nicht beworben haben.

Die Beschäftigung bei der Firma Dr. W. war Ihren körperlichen Fähigkeiten angemessen und stellte keine Gefährdung der Gesundheit und Sittlichkeit dar.

Berücksichtungswürdige Umstände liegen nicht vor."

Diese Feststellungen gründeten sich auf den Akteninhalt, die chronologisch geführten Aufzeichnungen des Arbeitsmarktservice, die Niederschrift vom 1. März 2006 und die Angaben der Beschwerdeführerin.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf die §§ 9 und 10 AlVG aus, dass die Beschäftigung bei der Firma F. auf Grund der geforderten Russischkenntnisse für die Beschwerdeführerin nicht zumutbar gewesen sei. Die Beschwerdeführerin wäre aber verpflichtet gewesen, sich bei der Notariatskanzlei Dr. W. zu bewerben. Die zugewiesene Beschäftigung sei zumutbar gewesen. Die Beschwerdeführerin sei verpflichtet gewesen, sich unverzüglich bei den ihr vom Arbeitsmarktservice vermittelten Unternehmen zu bewerben. Ab dem Bezug von Notstandshilfe sei ein Berufsschutz zu verneinen, es könne der Beschwerdeführerin somit auch eine Beschäftigung zugewiesen werden, die nicht ihrem bisherigen Tätigkeitsbereich entspreche. Auch in einem solchen Fall wäre die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen, sich für die ausgeschriebene Position zu bewerben. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren gehe hervor, dass sie sich bei der Notariatskanzlei Dr. W. nicht habe bewerben wollen; sei es, weil sie darauf vergessen habe, sei es, weil sie an der Stelle nicht interessiert gewesen sei. Eine Bewerbung bzw. eine Kontaktaufnahme sei erst erfolgt, nachdem die Beschwerdeführerin mit einem Leistungsverlust in der Dauer von sechs Wochen habe rechnen müssen. Ihre nachträglichen Bemühungen, mit der Notariatskanzlei Kontakt aufzunehmen, könnten daran nichts mehr ändern. Durch ihre nicht rechtzeitig erfolgte Bewerbung bei der Notariatskanzlei Dr. W. habe die Beschwerdeführerin das Zustandekommen einer zumutbaren Beschäftigung vereitelt, womit der Tatbestand des § 10 AlVG erfüllt sei. Berücksichtigungswürdige Umstände lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (u.a.) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Nach der ständigen Rechtsprechung kann das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses vom Arbeitslosen auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach außen zutage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. das Erkenntnis vom 10. November 1998, Zl. 98/08/0236, mwN).

Die belangte Behörde stützte ihre abweisende Entscheidung ausdrücklich auf den Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin nicht bei der Notariatskanzlei Dr. W. beworben habe, die "nachträglichen Bemühungen, mit der Firma Kontakt aufzunehmen, könnten daran ... nichts mehr ändern".

Eine Bewerbung bzw. Kontaktaufnahme mehr als zwei Wochen nach der Namhaftmachung eines potenziellen Dienstgebers ist jedenfalls geeignet, den Arbeitslosen als "nicht sonderlich arbeitswillig" erscheinen zu lassen und den Arbeitgeber abzuhalten, die offene Stelle mit diesem Arbeitnehmer zu besetzen (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 10. November 1998).

Kann ein Arbeitsloser, wenn er einer Beschäftigung zugewiesen worden ist, keine Gründe für deren Unzumutbarkeit anführen, ist er nicht berechtigt sich zu weigern, einen Vorstellungstermin zu vereinbaren. Es trifft den Arbeitslosen - so ihm keine Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit der Tätigkeit bekannt sind - die Verpflichtung, sich beim potenziellen Dienstgeber um die freie Stelle zu bewerben. Weigert er sich und kann er im Verwaltungsverfahren keine konkreten Gründe für die Unzumutbarkeit der Beschäftigung nennen, ist die belangte Behörde im Falle der Verhängung einer Sperrfrist nicht gehalten, sich mit der (hypothetischen) Frage auseinander zu setzen, ob für den Fall der Wahrnehmung eines Vorstellungstermins ein Beschäftigungsverhältnis tatsächlich zustande gekommen wäre.

Vor dem Hintergrund dieser Verpflichtungen des Arbeitslosen kommt es daher nicht mehr darauf an, was im Beschwerdefall der Beschwerdeführerin mehr als zwei Wochen nach der Zuweisung der Beschäftigung seitens des potenziellen Dienstgebers mitgeteilt wurde; die Verhängung der Sperrfrist erfolgte schon deshalb zurecht, weil die Beschwerdeführerin kein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln entfaltet hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006080269.X00

Im RIS seit

26.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten