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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §18 Abs8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der A L in D, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 22. Juni 2006, Zl. LGS600/SfA/0566/2006-Mag.GR/S, betreffend Anspruch auf (Ausbildungs-)Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte mit einem am 2. März 2006 ausgegebenen Formular einen "Antrag auf Arbeitslosengeld gem. § 18 Abs. 8 i.V. § 81 Abs. 8 (AlVG)". Gleichzeitig stellte sie einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe.
Gemäß einer offensichtlich dem erstgenannten Antrag beigelegten Arbeitsbescheinigung war die Beschwerdeführerin vom 1. April 1993 bis zum 31. Dezember 2003 (mit Ende des Entgeltanspruches am 28. Jänner 2004) bei der S GmbH arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt. Das Dienstverhältnis sei - nach dieser Bescheinigung - durch einverständliche Lösung beendet worden, was vom Arbeitgeber gemäß einem handschriftlichen Vermerk am 20. Februar 2006 dahin ergänzt wurde, dass die Beendigung wegen Schließung der Filiale erfolgt sei.
Einem - wohl ebenfalls dem Antrag beigelegten - Schreiben der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 5. November 2003 folgend bezog die Beschwerdeführerin seit 1. November 2003 mit voraussichtlichem Ende am 4. März 2006 Kinderbetreuungsgeld.
Mit Bescheid vom 4. April 2006 gab das Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld keine Folge. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses Arbeitslosengeld nach § 18 Abs. 8 AlVG nicht zustünde. Zudem hätte sich die Beschwerdeführerin nach dieser Bestimmung spätestens am 31. Jänner 2004 arbeitslos melden müssen, weil ihr Dienstverhältnis am 31. Dezember 2003 geendet habe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom 12. April 2006 brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, Arbeitslosigkeit sei erst nach dem Ende des Kindergeldbezuges eingetreten, weshalb auch erst ab diesem Zeitpunkt die einmonatige Frist zur Meldung der Arbeitslosigkeit beginne. Im Übrigen werde die Schließung einer Filiale einer Betriebsschließung gleichgestellt. Die Beschwerdeführerin habe bei Antritt ihrer Beschäftigung einen Arbeitsvertrag nur bezogen auf den Arbeitsort D abgeschlossen. Nach der Schließung der Filiale in D sei die nächste Filiale etwa 40 km vom Wohnort der Beschwerdeführerin entfernt. Die Betreuung ihrer beiden Kinder lasse keinen Arbeitsortwechsel zu, weshalb es ihr nicht zumutbar sei, in einer anderen Filiale des Unternehmens zu arbeiten.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung gab sie den Gang des Verwaltungsverfahrens wieder und stellte die Bestimmung des § 18 Abs. 8 und jene des § 81 Abs. 8 AlVG dar; die Beschwerdeführerin habe nach dem Karenzgeld Kinderbetreuungsgeld bezogen. In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass die Zuerkennung von Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 8 AlVG eine Kündigung durch den Dienstgeber voraussetze, eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses erfülle diesen Tatbestand nicht. Auch könne eine Filialschließung nicht einer Insolvenz gleichgehalten werden. Zudem müsse der Anspruch auf Arbeitslosengeld binnen einem Monat nach der unfreiwilligen Beendigung des Dienstverhältnisses und nicht nach Beendigung des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes geltend gemacht werden. Da keine Kündigung seitens des Dienstgebers vorliege und eine Geltendmachung des Anspruches nicht innerhalb von einem Monat nach Beendigung des Dienstverhältnisses erfolgt sei, habe kein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 8 AlVG bestanden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist zu prüfen, ob die mittlerweile außer Kraft getretene Bestimmung des § 18 Abs. 8 AlVG im Beschwerdefall noch Anwendung findet. Zu den Voraussetzungen ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2004/08/0268, zu verweisen.
Nach der Aktenlage (Auszug über die Versicherungszeiten) hat die Beschwerdeführerin am 6. August 2001 ihr erstes und am 5. September 2003 ihr zweites Kind geboren. Dazwischen hat die Beschwerdeführerin Karenzgeld, Wochengeld und Krankengeld bezogen und damit bestehende Anwartschaften durch den Bezug des Karenzgeldes verbraucht (§ 14 Abs. 7 erster Satz AlVG in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung i.V.m. § 81 Abs. 8 AlVG) und keine neue Anwartschaft auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erworben. Nach der Geburt des zweiten Kindes hat die Beschwerdeführerin zunächst Wochengeld und danach Kinderbetreuungsgeld bezogen. Während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld hat sie ihr Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst.
Nach den im schon genannten Erkenntnis vom 21. Dezember 2005 ausgeführten Überlegungen treffen die oben dargestellten Voraussetzungen für eine Anwendung von § 18 Abs. 8 AlVG an sich zu.
Gemäß § 18 Abs. 8 AlVG in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Kinderbetreuungsgeldgesetzes, BGBl. I Nr. 103/2001, wird das Arbeitslosengeld für die Dauer einer Ausbildung, längstens für 26 Wochen gewährt, wenn der Arbeitslose
"1. während des Beschäftigungsverbotes oder Karenzurlaubes oder nach dem Karenzurlaub aus Anlass der Elternschaft vom Arbeitgeber gekündigt wurde oder auf Grund der Insolvenz des Arbeitgebers seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt hat,
2. sich ohne Verzug, spätestens binnen einem Monat, arbeitslos gemeldet hat und keine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann, und
3. sich einer Ausbildung unterzieht oder nur deshalb nicht unterzieht, weil vom Arbeitsmarktservice keine geeignete Ausbildung angeboten werden kann."
Mit dem Inkrafttreten des Kinderbetreuungsgeldgesetzes, BGBl. I Nr. 103/2001, wurde diese Bestimmung aufgehoben; sei ist jedoch gemäß § 81 Abs. 8 AlVG nach einem Bezug von Karenzgeld weiterhin anzuwenden.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes führt die Beschwerdeführerin aus, der Arbeitgeber habe im vorliegenden Fall eine Kündigung ausgesprochen; zur Vermeidung eines Zustimmungsverfahrens sei in der Folge nach außen hin eine einvernehmliche Lösung vereinbart worden.
Der Ausspruch einer Kündigung wird erstmals in der Beschwerde behauptet, was wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich bleiben muss. Zudem entfernt sich die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen vom festgestellten Sachverhalt, weshalb die darauf aufbauenden rechtlichen Überlegungen nicht zielführend sein können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12. Mai 1998, Zl. 96/08/0168, zum § 18 Abs. 8 AlVG in der damaligen - im Wortlaut mit der in diesem Punkt hier anzuwendenden Rechtslage identen - Fassung ausgeführt, dass diese Gesetzesstelle auf die "einvernehmliche Auflösung" eines Dienstverhältnisses nur dann angewendet werden kann, wenn der Dienstgeber eine Kündigung bereits ausgesprochen hat und im Nachhinein diese - aufrechte - Kündigung in eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses "umgewandelt" wird. Andernfalls ist eine Interpretation des Begriffes "Kündigung durch den Arbeitgeber" in die Richtung, dass darunter auch einvernehmliche Auflösungen eines Dienstverhältnisses im oben erwähnten Sinne zu verstehen seien, bei denen der Kündigungswunsch vom Arbeitgeber ausgeht und der Arbeitnehmer sich daraufhin mit dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages einverstanden erklärt, auszuschließen. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Die belangte Behörde war - was unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt wird - auch nicht gehalten, amtswegige Untersuchungen dahin anzustellen, ob allenfalls der von der Beschwerdeführerin behaupteten einvernehmlichen Auflösung eine Kündigung vorangegangen ist, weil sich in diese Richtung keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben und auch die Rechtslage (die Kündigung hätte gemäß § 10 MSchG der gerichtlichen Zustimmung bedurft) eine solche Vorgangsweise nicht nahelegt.
Da somit einer der kumulativ zu erfüllenden Tatbestände des § 18 Abs. 8 AlVG nicht erfüllt ist, hat die belangte Behörde schon aus diesem Grund zutreffend den Antrag der Beschwerdeführerin auf Arbeitslosengeld - ihr (offenbar vorsichtshalber) gleichzeitig gestellter Antrag auf Notstandshilfe bleibt davon unberührt - abgewiesen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 19. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006080231.X00Im RIS seit
25.10.2007