Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Keziban A*****, vertreten durch Mag. Elisabeth Hauptmann-Höbart, Rechtsanwältin in Herzogenburg, wider den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Yusuf A*****, vertreten durch Dr. Oswald Lukesch, Dr. Anton Hintermeier, Mag. Michael Pfleger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen einstweiligen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 5. April 2006, GZ 23 R 65/06s-19, womit über Rekurs des Beklagten der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 27. Jänner 2006, GZ 1 C 189/05z-12, in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 13. Februar 2006, GZ 1 C 189/05z-14, und vom 28. Februar 2006, GZ 1 C 189/05z-16, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge immer: Klägerin) und der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge immer: Beklagter) sind türkische Staatsbürger und in aufrechter Ehe verheiratet. Beide haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel des Erstgerichtes. Die Klägerin übersiedelte am 20. 6. 2005 aus der Ehewohnung in ein Frauenhaus. Seither leben die Streitteile getrennt. Die Klägerin begehrt mit ihrem in Verbindung mit einer Scheidungsklage gestellten Antrag einstweiligen Unterhalt vom Beklagten.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, beginnend ab 17. 11. 2005 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens, monatlich 180 EUR an vorläufigem Unterhalt zu bezahlen. Ein Mehrbegehren wies das Erstgericht rechtskräftig ab. Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Beklagten erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu Art 8 des Haager Unterhaltsübereinkommens Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, beginnend ab 17. 11. 2005 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens, monatlich 180 EUR an vorläufigem Unterhalt zu bezahlen. Ein Mehrbegehren wies das Erstgericht rechtskräftig ab. Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Beklagten erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zu Artikel 8, des Haager Unterhaltsübereinkommens Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass gemäß Art 4 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. 10. 1973 für die in Art 1 genannten Unterhaltspflichten das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend sei. Art 8 des Übereinkommens habe folgenden Wortlaut:Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass gemäß Artikel 4, des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. 10. 1973 für die in Artikel eins, genannten Unterhaltspflichten das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend sei. Artikel 8, des Übereinkommens habe folgenden Wortlaut:
„Abweichend von den Art 4 bis 6 ist in einem Vertragsstaat, in dem die Ehscheidung ausgesprochen oder anerkannt worden ist, für die Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Ehegatten und die Änderung von Entscheidungen über diese Pflichten das auf die Ehescheidung angewandte Recht maßgebend. Der vorstehende Absatz ist auch im Falle einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und im Falle einer für nichtig oder als ungültig erklärten Ehe anzuwenden."„Abweichend von den Artikel 4 bis 6 ist in einem Vertragsstaat, in dem die Ehscheidung ausgesprochen oder anerkannt worden ist, für die Unterhaltspflichten zwischen den geschiedenen Ehegatten und die Änderung von Entscheidungen über diese Pflichten das auf die Ehescheidung angewandte Recht maßgebend. Der vorstehende Absatz ist auch im Falle einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und im Falle einer für nichtig oder als ungültig erklärten Ehe anzuwenden."
Eine bloß tatsächlich räumliche Trennung der Ehegatten sei für die Erfüllung der Voraussetzungen des Art 8 Abs 2 des Übereinkommens nicht ausreichend: Der dort genannte Fall einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes sei in Verbindung mit Art 14 des Übereinkommens nur dahin zu verstehen, dass eine Entscheidung über die Ehetrennung ergangen sei. So spreche Art 14 Z 3 des Übereinkommens auch von einem „Erkenntnis auf.....Trennung.....". Damit nehme das Übereinkommen aus dem Jahr 1973 auf jene Rechtsordnungen Bezug, die (jedenfalls damals) zwar keine Scheidungen gekannt hätten, jedoch eine „Trennung von Tisch und Bett" ohne Auflösung des Ehebandes. Überdies sei aus Art 8 abzuleiten, dass das für die Ehescheidung anzuwendende Recht (im Anlassfall wäre das türkisches Recht) nur in einem Vertragsstaat für maßgebend erklärt werde, in welchem eine Ehescheidung ausgesprochen oder anerkannt worden sei. Österreich sei aber nicht Vertragsstaat des Übereinkommens. Es sei daher österreichisches Recht anzuwenden.Eine bloß tatsächlich räumliche Trennung der Ehegatten sei für die Erfüllung der Voraussetzungen des Artikel 8, Absatz 2, des Übereinkommens nicht ausreichend: Der dort genannte Fall einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes sei in Verbindung mit Artikel 14, des Übereinkommens nur dahin zu verstehen, dass eine Entscheidung über die Ehetrennung ergangen sei. So spreche Artikel 14, Ziffer 3, des Übereinkommens auch von einem „Erkenntnis auf.....Trennung.....". Damit nehme das Übereinkommen aus dem Jahr 1973 auf jene Rechtsordnungen Bezug, die (jedenfalls damals) zwar keine Scheidungen gekannt hätten, jedoch eine „Trennung von Tisch und Bett" ohne Auflösung des Ehebandes. Überdies sei aus Artikel 8, abzuleiten, dass das für die Ehescheidung anzuwendende Recht (im Anlassfall wäre das türkisches Recht) nur in einem Vertragsstaat für maßgebend erklärt werde, in welchem eine Ehescheidung ausgesprochen oder anerkannt worden sei. Österreich sei aber nicht Vertragsstaat des Übereinkommens. Es sei daher österreichisches Recht anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichtes unzulässig:
Einer Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs bedarf es dann nicht, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage bereits nach dem Wortlaut der anzuwendenden Norm so eindeutig gelöst ist, dass nur die in der angefochtenen Entscheidung erstmals vorgenommene - im Schrifttum nicht in Zweifel gezogene - Auslegung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (RIS-Justiz RS0042656; zuletzt 3 Ob 90/06s; Zechner in Fasching/Konecny³ IV/1 § 502 ZPO Rz 47).Einer Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs bedarf es dann nicht, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage bereits nach dem Wortlaut der anzuwendenden Norm so eindeutig gelöst ist, dass nur die in der angefochtenen Entscheidung erstmals vorgenommene - im Schrifttum nicht in Zweifel gezogene - Auslegung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (RIS-Justiz RS0042656; zuletzt 3 Ob 90/06s; Zechner in Fasching/Konecny³ IV/1 Paragraph 502, ZPO Rz 47).
Dieser Fall liegt hier vor: Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass das Haager Übereinkommen für das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. 10. 1973 unabhängig davon anzuwenden ist, dass nur die Türkei, nicht aber Österreich Vertragsstaat des Übereinkommens ist (siehe Art 3 des Übereinkommens). Ebenfalls unstrittig ist, dass während aufrechter Ehe gemäß Art 4 des Übereinkommens das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend ist. Das ist hier österreichisches Recht. Art 8 des Übereinkommens ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen, wie sich aus dem klaren Wortlaut des Art 8 iVm Art 14 des Übereinkommens ergibt, nicht anzuwenden: Das gilt schon deshalb, weil nur dann das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht für die Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten maßgeblich ist, wenn in einem Vertragsstaat eine Ehescheidung ausgesprochen oder anerkannt worden ist. Der Verweis in Art 8 Abs 2 des Übereinkommens, dass Abs 1 auch im Falle einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwenden ist, bezieht sich somit jedenfalls nur auf den Fall, in dem das maßgebliche Ereignis (Ausspruch der Ehescheidung; Anerkennung der Ehescheidung; Trennung ohne Auflösung des Ehebandes) in einem Vertragsstaat stattfand. Da Österreich nicht Vertragsstaat des Übereinkommens ist, scheidet eine Anwendung des Art 8 schon aus diesem Grund aus, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte. Im Übrigen ist auch die Eventualbegründung des Rekursgerichtes, dass das für die Ehescheidung anzuwendende Recht jedenfalls nur dann maßgebend sein könne, wenn ein Erkenntnis auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erging, in Verbindung mit dem vom Rekursgericht zutreffend zitierten Wortlaut des Art 14 richtig. Die vom Revisionsrekurswerber gegen den klaren Wortlaut des Art 8 des Übereinkommens ins Treffen geführten Argumente sind nicht stichhältig: Eine bloß faktische Trennung der Eheleute ist einem Erkenntnis der zuständigen Behörde auf Scheidung oder Trennung der Ehe eben gerade nicht gleichzusetzen.Dieser Fall liegt hier vor: Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass das Haager Übereinkommen für das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2. 10. 1973 unabhängig davon anzuwenden ist, dass nur die Türkei, nicht aber Österreich Vertragsstaat des Übereinkommens ist (siehe Artikel 3, des Übereinkommens). Ebenfalls unstrittig ist, dass während aufrechter Ehe gemäß Artikel 4, des Übereinkommens das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend ist. Das ist hier österreichisches Recht. Artikel 8, des Übereinkommens ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen, wie sich aus dem klaren Wortlaut des Artikel 8, in Verbindung mit Artikel 14, des Übereinkommens ergibt, nicht anzuwenden: Das gilt schon deshalb, weil nur dann das auf die Ehescheidung anzuwendende Recht für die Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten maßgeblich ist, wenn in einem Vertragsstaat eine Ehescheidung ausgesprochen oder anerkannt worden ist. Der Verweis in Artikel 8, Absatz 2, des Übereinkommens, dass Absatz eins, auch im Falle einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwenden ist, bezieht sich somit jedenfalls nur auf den Fall, in dem das maßgebliche Ereignis (Ausspruch der Ehescheidung; Anerkennung der Ehescheidung; Trennung ohne Auflösung des Ehebandes) in einem Vertragsstaat stattfand. Da Österreich nicht Vertragsstaat des Übereinkommens ist, scheidet eine Anwendung des Artikel 8, schon aus diesem Grund aus, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte. Im Übrigen ist auch die Eventualbegründung des Rekursgerichtes, dass das für die Ehescheidung anzuwendende Recht jedenfalls nur dann maßgebend sein könne, wenn ein Erkenntnis auf Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erging, in Verbindung mit dem vom Rekursgericht zutreffend zitierten Wortlaut des Artikel 14, richtig. Die vom Revisionsrekurswerber gegen den klaren Wortlaut des Artikel 8, des Übereinkommens ins Treffen geführten Argumente sind nicht stichhältig: Eine bloß faktische Trennung der Eheleute ist einem Erkenntnis der zuständigen Behörde auf Scheidung oder Trennung der Ehe eben gerade nicht gleichzusetzen.
Da der Revisionsrekurswerber somit keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigte, von deren Lösung die Entscheidung abhängt, war sein Revisionsrekurs zurückzuweisen. Die Klägerin wies in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht hin. Ihre nicht zweckentsprechende Revisionsrekursbeantwortung ist daher nicht zu honorieren.
Anmerkung
E82055 8Ob82.06aEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0080OB00082.06A.0803.000Dokumentnummer
JJT_20060803_OGH0002_0080OB00082_06A0000_000