TE OGH 2006/8/31 6Ob169/06f

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.08.2006
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Roschek & Biely Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Ludwig Redtensteiner, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Ybbs, wegen Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), infolge der „außerordentlichen Revision" der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 30. Dezember 2005, GZ 21 R 390/05v-30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom 10. Oktober 2005, GZ 2 C 2841/03b-26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Dienstleistungs- und Mietvertrag abgeschlossen zwischen den Parteien mit Wirksamkeit zum 30. 9. 2003 betreffend Personaldienstleistung, mit Wirksamkeit per 30. 10. 2003 hingegen betreffend die restlichen Vertragsbestandteile aufgelöst ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist Gegenstand dieses Vertragsverhältnisses die Zusammenarbeit zwischen den Parteien, wobei von der Beklagten nicht nur Speditionsleistungen erbracht, sondern darüber hinaus eine Büroräumlichkeit zur Verfügung gestellt und Büro- sowie Personaldienstleistungen erbracht werden sollten, um die Geschäfte der Klägerin abzuwickeln. Dem Vertrag ist zu entnehmen, dass an Personalkosten 300.000 S, an Buchhaltungskosten 150.000 S und an Büroraumkosten 90.000 S (jährlich) in Rechnung gestellt wurden; dazu kamen Kosten für Lager- und Weiterleitungsorganisation, die umsatzmäßig abgerechnet werden sollten.

Das Berufungsgericht gab - in Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts - dem Klagebegehren statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dagegen erhob die Beklagte eine „außerordentliche Revision", die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof direkt vorlegte. Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 3 ZPO idF WGN 1997 iVm Art 94 Z 14 des 2. Euro-Justiz-BegleitG BGBl I 2001/98 ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 dieses Gesetzes - jedenfalls unzulässig, wenn (wie hier) der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 Satz 1 ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Der Revision fehlt freilich die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO) gestellt werde; die Beklagte verweist vielmehr ausdrücklich auf § 502 Abs 5 Z 2 ZPO. Nach dieser Bestimmung gilt (unter anderem) § 502 Abs 3 ZPO nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. § 49 Abs 2 Z 5 JN erfasst alle Streitigkeiten aus Bestandverträgen über unbewegliche Sachen. Die Beklagte meint, es liege hier ein „gemischter Vertrag" vor, bei dem allerdings die bestandrechtlichen Elemente derart überwiegen würden, dass insgesamt von einer bestandrechtlichen Streitigkeit auszugehen sei; gemessen am Interesse der Klägerin sei „zweifelsfrei" die Miete von Büroräumlichkeiten im Vordergrund gestanden.Nach Paragraph 502, Absatz 3, ZPO in der Fassung WGN 1997 in Verbindung mit Artikel 94, Ziffer 14, des 2. Euro-Justiz-BegleitG BGBl römisch eins 2001/98 ist die Revision - außer im Fall des Paragraph 508, Absatz 3, dieses Gesetzes - jedenfalls unzulässig, wenn (wie hier) der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach Paragraph 500, Absatz 2, Ziffer 3, ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach Paragraph 508, Absatz eins und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungserkenntnisses den beim Erstgericht (Paragraph 508, Absatz 2, Satz 1 ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach Paragraph 502, Absatz eins, ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und darin auch ausgeführt, warum sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Der Revision fehlt freilich die ausdrückliche Erklärung, dass der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (Paragraph 508, Absatz eins, ZPO) gestellt werde; die Beklagte verweist vielmehr ausdrücklich auf Paragraph 502, Absatz 5, Ziffer 2, ZPO. Nach dieser Bestimmung gilt (unter anderem) Paragraph 502, Absatz 3, ZPO nicht für die unter Paragraph 49, Absatz 2, Ziffer 5, JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. Paragraph 49, Absatz 2, Ziffer 5, JN erfasst alle Streitigkeiten aus Bestandverträgen über unbewegliche Sachen. Die Beklagte meint, es liege hier ein „gemischter Vertrag" vor, bei dem allerdings die bestandrechtlichen Elemente derart überwiegen würden, dass insgesamt von einer bestandrechtlichen Streitigkeit auszugehen sei; gemessen am Interesse der Klägerin sei „zweifelsfrei" die Miete von Büroräumlichkeiten im Vordergrund gestanden.

Es ist zwar durchaus zutreffend, dass die Parteien im vorliegenden Verfahren einen Vertrag abgeschlossen haben, der auch bestandrechtliche Teile enthält. Schon allein aus der Gegenüberstellung der von der Beklagten in Rechnung gestellten Kosten ergibt sich aber ein eindeutiges Überwiegen der nichtbestandrechtlichen Teile des Vertrags. So wie § 49 Abs 2 Z 5 JN nicht für Streitigkeiten aus gemischten Verträgen gilt, die neben bestandrechtlichen Elementen auch solche eines Verwahrungs- und Werkvertrags enthalten (Simotta in Fasching, ZPO² [2000] § 49 JN Rz 81 mwN; ebenso Mayr in Rechberger, ZPO² [2000] § 49 JN Rz 11 ["reine Bestandverträge"]), ist er auch nicht auf einen Vertrag anzuwenden, der neben bestandrechtlichen Teilen weitaus überwiegend Teile enthält, die nicht bestandrechtlicher Natur sind (vgl Mayr, aaO unter Hinweis auf LGZ Wien WR 720 [Kooperationsvereinbarung mit bestandrechtlichen Elementen]). Der Ausnahmetatbestand des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO, der nicht ausdehnend auszulegen ist (Mayr, aaO; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] § 502 Rz 192), liegt somit hier nicht vor.Es ist zwar durchaus zutreffend, dass die Parteien im vorliegenden Verfahren einen Vertrag abgeschlossen haben, der auch bestandrechtliche Teile enthält. Schon allein aus der Gegenüberstellung der von der Beklagten in Rechnung gestellten Kosten ergibt sich aber ein eindeutiges Überwiegen der nichtbestandrechtlichen Teile des Vertrags. So wie Paragraph 49, Absatz 2, Ziffer 5, JN nicht für Streitigkeiten aus gemischten Verträgen gilt, die neben bestandrechtlichen Elementen auch solche eines Verwahrungs- und Werkvertrags enthalten (Simotta in Fasching, ZPO² [2000] Paragraph 49, JN Rz 81 mwN; ebenso Mayr in Rechberger, ZPO² [2000] Paragraph 49, JN Rz 11 ["reine Bestandverträge"]), ist er auch nicht auf einen Vertrag anzuwenden, der neben bestandrechtlichen Teilen weitaus überwiegend Teile enthält, die nicht bestandrechtlicher Natur sind vergleiche Mayr, aaO unter Hinweis auf LGZ Wien WR 720 [Kooperationsvereinbarung mit bestandrechtlichen Elementen]). Der Ausnahmetatbestand des Paragraph 502, Absatz 5, Ziffer 2, ZPO, der nicht ausdehnend auszulegen ist (Mayr, aaO; Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] Paragraph 502, Rz 192), liegt somit hier nicht vor.

Damit wäre der Rechtsmittelschriftsatz der Beklagten aber jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gewesen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623; 4 Ob 20/06d).Damit wäre der Rechtsmittelschriftsatz der Beklagten aber jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen gewesen, sind doch im Streitwertbereich des Paragraph 502, Absatz 3, ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (Paragraph 508, ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß Paragraph 508, Absatz 3, ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623; 4 Ob 20/06d).

Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese erkennbar (gleich den Revisionsausführungen zur Sache) an den Obersten Gerichtshof gerichtet seien, dann wird es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis im Sinne des § 84 Abs 3 ZPO, dann ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Das gilt nach § 474 Abs 2 Satz 2 ZPO auch für das Fehlen des Rechtsmittelantrags. Sollte die Beklagte die Verbesserung ihres Schriftsatzes sodann verweigern, dann wäre die Revision jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0109501; 4 Ob 20/06d). Aus diesen Erwägungen war der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese erkennbar (gleich den Revisionsausführungen zur Sache) an den Obersten Gerichtshof gerichtet seien, dann wird es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis im Sinne des Paragraph 84, Absatz 3, ZPO, dann ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Das gilt nach Paragraph 474, Absatz 2, Satz 2 ZPO auch für das Fehlen des Rechtsmittelantrags. Sollte die Beklagte die Verbesserung ihres Schriftsatzes sodann verweigern, dann wäre die Revision jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0109501; 4 Ob 20/06d). Aus diesen Erwägungen war der Akt dem Erstgericht zurückzustellen.

Anmerkung

E81885 6Ob169.06f

Schlagworte

Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in Zak 2006/683 S 398 - Zak 2006,398 XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0060OB00169.06F.0831.000

Dokumentnummer

JJT_20060831_OGH0002_0060OB00169_06F0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten