TE OGH 2006/9/7 15Ns46/06t

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Veröffentlicht am 07.09.2006
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin, in der Maßnahmenvollzugssache des Dr. Dietmar H***** im Zuständigkeitsstreit (§ 64 Abs 1 StPO) zwischen dem Landesgericht für Strafsachen Wien, AZ 182 BE 203/02g, und dem Landesgericht Steyr, AZ 19 BE 1/06s, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den BeschlussDer Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2006 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schreuer als Schriftführerin, in der Maßnahmenvollzugssache des Dr. Dietmar H***** im Zuständigkeitsstreit (Paragraph 64, Absatz eins, StPO) zwischen dem Landesgericht für Strafsachen Wien, AZ 182 BE 203/02g, und dem Landesgericht Steyr, AZ 19 BE 1/06s, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

1./ Das Landesgericht für Strafsachen Wien ist zur Führung der Maßnahmenvollzugssache des Dr. Dietmar H***** zuständig. 2./ Gemäß § 63 Abs 1 StPO wird die genannte Maßnahmenvollzugssache dem Landesgericht für Strafsachen Wien abgenommen und dem Landesgericht Steyr zugewiesen.1./ Das Landesgericht für Strafsachen Wien ist zur Führung der Maßnahmenvollzugssache des Dr. Dietmar H***** zuständig. 2./ Gemäß Paragraph 63, Absatz eins, StPO wird die genannte Maßnahmenvollzugssache dem Landesgericht für Strafsachen Wien abgenommen und dem Landesgericht Steyr zugewiesen.

Text

Gründe:

Dr. Dietmar H***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 18. Mai 1999, AZ 11 Vr 488/98, Hv 15/99, in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen und war ab 6. Dezember 1999 im psychiatrischen Krankenhaus Baumgartner Höhe in Wien untergebracht.Dr. Dietmar H***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 18. Mai 1999, AZ 11 römisch fünf r 488/98, Hv 15/99, in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach Paragraph 21, Absatz eins, StGB eingewiesen und war ab 6. Dezember 1999 im psychiatrischen Krankenhaus Baumgartner Höhe in Wien untergebracht.

Am 14. April 2004 beschloss das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht (AZ 182 BE 203/02g) die bedingte Entlassung des Untergebrachten zum 7. Juli 2004 unter Setzung einer fünfjährigen Probezeit und Erteilung der Weisungen, seinen Aufenthalt bei seinem Vater Hermann H***** in 4481 Asten, Sch*****, zu nehmen sowie sich einer psychotherapeutischen Behandlung bei der forensischen Ambulanz Oberösterreich zu unterziehen und dies vierteljährlich dem Gericht nachzuweisen.

Mit am 29. April 2004 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte der anwaltlich vertretene Untergebrachte, die erteilten Weisungen dahin zu modifizieren, dass er seinen Aufenthalt bei seinem Vater in Asten, zu Ausbildungszwecken aber auch in 1110 Wien, K*****, nehmen dürfe. Das Landesgericht für Strafsachen Wien änderte mit Beschluss vom 12. Mai 2004 die Weisung zum Aufenthalt antragsgemäß. Die weitere Weisung, sich der psychotherapeutischen Nachbehandlung bei der forensischen Ambulanz Oberösterreich zu unterziehen und darüber zu berichten, blieb davon unberührt.

Beide Beschlüsse erwuchsen bereits vor der Entlassung des Untergebrachten in Rechtskraft.

Am 7. Juli 2004 wurde Dr. Dietmar H***** aus dem Maßnahmenvollzug entlassen. Er meldete am 16. Juli 2004 seinen Hauptwohnsitz in 1110 Wien, K*****, und in der Folge am 25. November 2004 einen Nebenwohnsitz an der Wohnadresse seines Vaters in Asten an. Da im weiteren Verfahrensverlauf Zustellungen an die Adresse in Asten vom bedingt Entlassenen übernommen (1. Dezember 2004, ON 45), Zustellungen an die Wiener Adresse jedoch nicht behoben wurden (6. Mai 2005, ON 51), veranlasste das Landesgericht für Strafsachen Wien sicherheitsbehördliche Erhebungen über den gewöhnlichen Aufenthalt des bedingt Entlassenen. Diesen zufolge wurde er von Ende Juni 2005 bis Anfang August 2005 trotz mehrmaliger Nachschau an der Wiener Meldeadresse nicht angetroffen, von einer Nachbarin war er dort nur selten, zuletzt im Frühjahr 2005 gesehen worden, während der Vater des bedingt Entlassenen angab, sein Sohn sei seit etwa Jänner 2005 vorwiegend in Asten aufhältig.

Hierauf verfügte das Landesgericht für Strafsachen Wien am 17. November 2005 die Abtretung des Verfahrens an das Landesgericht Linz, da die Zuständigkeit gemäß § 179 Abs 1 StVG auf dieses übergegangen sei.Hierauf verfügte das Landesgericht für Strafsachen Wien am 17. November 2005 die Abtretung des Verfahrens an das Landesgericht Linz, da die Zuständigkeit gemäß Paragraph 179, Absatz eins, StVG auf dieses übergegangen sei.

Das Landesgericht Linz lehnte die Übernahme des Verfahrens ab und übersandte die Maßnahmenvollzugssache wieder an das Landesgericht für Strafsachen Wien.

Sodann übermittelte jenes den Akt neuerlich dem Landesgericht Linz mit dem Hinweis, der Entlassene habe seinen Wohnsitz nicht in Wien sondern in Asten genommen, weswegen die Zuständigkeit des Landesgerichtes Linz gegeben sei.

Das Landesgericht Linz leitete die Maßnahmenvollzugssache am 28. Dezember 2005 an das Landesgericht Steyr weiter, in dessen Sprengel Asten liegt. Dieses fasste am 9. Jänner 2006 den Beschluss, die Vollzugssache weiterzuführen (19 BE 1/06s), trat sie jedoch am 2. März 2006 erneut an das Landesgericht für Strafsachen Wien ab. Das Landesgericht für Strafsachen Wien erachtete sich weiterhin als unzuständig, diese Ansicht vertrat auch das Oberlandesgericht Wien. Das Oberlandesgericht Linz wiederum verneinte die Zuständigkeit des Landesgerichtes Steyr zur Führung der Maßnahmenvollzugssache.

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Zuständigkeitsstreit (§ 64 Abs 1 StPO), zu dessen Klärung der Oberste Gerichtshof bestimmt ist, steht die Führung des Maßnahmenvollzugsverfahrens dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu:Im vorliegenden Zuständigkeitsstreit (Paragraph 64, Absatz eins, StPO), zu dessen Klärung der Oberste Gerichtshof bestimmt ist, steht die Führung des Maßnahmenvollzugsverfahrens dem Landesgericht für Strafsachen Wien zu:

Werden einem Verurteilten (Betroffenen) im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung Weisungen erteilt oder ein Bewährungshelfer bestellt und nimmt der Verurteilte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel eines Gerichtshofes erster Instanz, der nicht im selben Bundesland liegt wie das Vollzugsgericht, so geht nach § 179 Abs 1 StVG mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit im Zusammenhang stehenden Anordnungen die weitere Zuständigkeit auf diesen Gerichtshof über. Maßgebend für den Übergang der Zuständigkeit ist der Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen, wogegen ein späterer Wohnsitzwechsel die Zuständigkeit nicht mehr berührt und nur gemäß §§ 62, 63 StPO berücksichtigt werden kann (SSt 58/84; RZ 1981/10). Aus der Formulierung des § 179 Abs 1 StVG ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Regelung nur den Fall vor Augen hatte, in dem die Rechtskraft des Beschlusses über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen erst nach dem Zeitpunkt der tatsächlichen Entlassung eintritt, stellt sie doch auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Entlassenen zu diesem Zeitpunkt ab. Nicht vom Wortlaut des § 179 Abs 1 StVG umfasst sind somit jene Fälle, in denen die Rechtskraft des bedingten Entlassungsbeschlusses bereits vor der tatsächlichen Entlassung eintritt. In jenen hat der Verurteilte (Betroffene) seinen gewöhnlichen Aufenthalt zwangsläufig am Ort des Maßnahmenvollzuges, sodass jedenfalls die Zuständigkeit des Vollzugsgerichtes weiterhin gegeben wäre.Werden einem Verurteilten (Betroffenen) im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung Weisungen erteilt oder ein Bewährungshelfer bestellt und nimmt der Verurteilte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel eines Gerichtshofes erster Instanz, der nicht im selben Bundesland liegt wie das Vollzugsgericht, so geht nach Paragraph 179, Absatz eins, StVG mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit im Zusammenhang stehenden Anordnungen die weitere Zuständigkeit auf diesen Gerichtshof über. Maßgebend für den Übergang der Zuständigkeit ist der Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen, wogegen ein späterer Wohnsitzwechsel die Zuständigkeit nicht mehr berührt und nur gemäß Paragraphen 62,, 63 StPO berücksichtigt werden kann (SSt 58/84; RZ 1981/10). Aus der Formulierung des Paragraph 179, Absatz eins, StVG ergibt sich, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Regelung nur den Fall vor Augen hatte, in dem die Rechtskraft des Beschlusses über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen erst nach dem Zeitpunkt der tatsächlichen Entlassung eintritt, stellt sie doch auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Entlassenen zu diesem Zeitpunkt ab. Nicht vom Wortlaut des Paragraph 179, Absatz eins, StVG umfasst sind somit jene Fälle, in denen die Rechtskraft des bedingten Entlassungsbeschlusses bereits vor der tatsächlichen Entlassung eintritt. In jenen hat der Verurteilte (Betroffene) seinen gewöhnlichen Aufenthalt zwangsläufig am Ort des Maßnahmenvollzuges, sodass jedenfalls die Zuständigkeit des Vollzugsgerichtes weiterhin gegeben wäre.

Weil das Gesetz für diese vom Gesetzgeber nicht bedachten Fälle gemessen am Zweck der Regelung, nämlich der Wiederherstellung der räumlichen Nähe zwischen Vollzugsgericht und Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt des bedingt Entlassenen, unvollständig ist und seine Ergänzung nicht einer vom Gesetz selbst gewollten Beschränkung widerspricht, liegt eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die per analogiam zu schließen ist (vgl Markel WK-StPO § 1 Rz 35). Die Rechtsfolge des Zuständigkeitswechsels ist somit durch analoge Anwendung des § 179 Abs 1 StVG auch auf den nicht vom Wortlaut umfassten Fall des tatsächlichen Wechsels des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes des bedingt Entlassenen unmittelbar nach erfolgter Entlassung bei bereits vorliegender Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen auszudehnen. Erfolgt jedoch der Wechsel des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes nicht unmittelbar nach der bedingten Entlassung, sondern erst später, kann nur eine Delegierung nach §§ 62, 63 StPO eine Zuständigkeitsänderung bewirken (vgl erneut SSt 58/84).Weil das Gesetz für diese vom Gesetzgeber nicht bedachten Fälle gemessen am Zweck der Regelung, nämlich der Wiederherstellung der räumlichen Nähe zwischen Vollzugsgericht und Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt des bedingt Entlassenen, unvollständig ist und seine Ergänzung nicht einer vom Gesetz selbst gewollten Beschränkung widerspricht, liegt eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die per analogiam zu schließen ist vergleiche Markel WK-StPO Paragraph eins, Rz 35). Die Rechtsfolge des Zuständigkeitswechsels ist somit durch analoge Anwendung des Paragraph 179, Absatz eins, StVG auch auf den nicht vom Wortlaut umfassten Fall des tatsächlichen Wechsels des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes des bedingt Entlassenen unmittelbar nach erfolgter Entlassung bei bereits vorliegender Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen auszudehnen. Erfolgt jedoch der Wechsel des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes nicht unmittelbar nach der bedingten Entlassung, sondern erst später, kann nur eine Delegierung nach Paragraphen 62,, 63 StPO eine Zuständigkeitsänderung bewirken vergleiche erneut SSt 58/84).

Abzustellen ist jedenfalls nur auf den tatsächlichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, während es - der Ansicht des Oberlandesgerichts Wien zuwider - nicht darauf ankommt, welchen Wohnsitz der Entlassene laut Weisung nehmen sollte. Im gegebenen Fall erwuchsen der Beschluss über die bedingte Entlassung und die damit verbundenen Weisungen sowie der Beschluss über die Abänderung der Weisungen vor der tatsächlichen Entlassung des Betroffenen aus der vorbeugenden Maßnahme in Rechtskraft. Nach der Aktenlage ist schon aufgrund der unmittelbar nach der Entlassung erfolgten polizeilichen Meldung in Wien und erst rund ein halbes Jahr späteren Registrierung in Asten davon auszugehen, dass der Betroffene zunächst in Wien Wohnsitz nahm und erst in weiterer Folge nach Asten übersiedelte, zumal auch aus den Angaben der befragten Auskunftspersonen keine gegenteiligen Schlüsse abzuleiten sind.

Aus diesem Grund ging die Zuständigkeit zur Führung des Maßnahmenvollzugsverfahrens - mangels unverzüglicher Wohnsitznahme in Asten nach der bedingten Entlassung - nicht auf das Landesgericht Steyr über.

Weil der Betroffene jedoch seinen Wohnsitz nunmehr im Sprengel des Landesgerichts Steyr hat und das dortige Landesgericht daher in der Lage ist, das Vollzugsverfahren mit geringerem Aufwand weiterzuführen als ein anderer Gerichtshof, liegen wichtige Gründe iSd § 62 StPO vor, das Verfahren dem Landesgerichts für Strafsachen Wien abzunehmen und dem Landesgericht Steyr zuzuweisen, sodass der Oberste Gerichtshof von Amts wegen von dem ihm nach § 63 Abs 1 StPO zustehenden Recht Gebrauch gemacht hat (vgl SSt 29/5).Weil der Betroffene jedoch seinen Wohnsitz nunmehr im Sprengel des Landesgerichts Steyr hat und das dortige Landesgericht daher in der Lage ist, das Vollzugsverfahren mit geringerem Aufwand weiterzuführen als ein anderer Gerichtshof, liegen wichtige Gründe iSd Paragraph 62, StPO vor, das Verfahren dem Landesgerichts für Strafsachen Wien abzunehmen und dem Landesgericht Steyr zuzuweisen, sodass der Oberste Gerichtshof von Amts wegen von dem ihm nach Paragraph 63, Absatz eins, StPO zustehenden Recht Gebrauch gemacht hat vergleiche SSt 29/5).

Anmerkung

E81779 15Ns46.06t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0150NS00046.06T.0907.000

Dokumentnummer

JJT_20060907_OGH0002_0150NS00046_06T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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