Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Florica-Margareta B*****, vertreten durch Dr. Irmgard Kramer, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte und gefährdende Partei Dan B*****, vertreten durch DDr. Sven D. Fenz, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterhalts (hier: wegen einstweiliger Verfügung), infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 23. Mai 2006, GZ 2 R 151/06z-27, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz vom 23. Jänner 2006, GZ 34 C 136/05i-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Provisorialverfahrens.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind Ehegatten, die seit Mai 2004 getrennt leben. Die gemeinsame minderjährige Tochter wird von der klagenden und gefährdeten Partei (im Folgenden Klägerin bzw Revisionsrekurswerberin) versorgt. In ihrer mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbundenen Klage begehrte die Klägerin neben rückständigem Unterhalt einen monatlichen Unterhaltsbetrag von EUR 370 ab 1. 9. 2005. Sie brachte dazu im Wesentlichen vor, sie beziehe ein monatliches Nettoeinkommen (inklusive Sonderzahlungen) von EUR 211, wogegen der Beklagte monatlich EUR 1.403,50 verdiene. Die Klägerin habe den Haushalt versorgt und die am 14. 10. 2002 geborene Tochter betreut. Sie sei erst ab Juli 2004 (geringfügig) beschäftigt gewesen. Sie könne mit ihrem eigenen Einkommen ihren notdürftigen Lebensunterhalt nicht bestreiten, sodass ihr der Beklagte monatlich 370 EUR an Unterhalt zu zahlen habe. Da der Beklagte seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachkomme und der Unterhalt der Klägerin gefährdet sei, seien die Voraussetzungen zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegeben, mit der ihr bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits ab dem Tag der Antragstellung ein monatlicher Unterhalt von EUR 370 zuzusprechen sei.
Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge „Beklagter") wandte im Wesentlichen ein, es wäre der Klägerin durchaus möglich, ein zur Bestreitung ihrer Lebenskosten ausreichendes Einkommen zu erzielen, zumal die gemeinsame Tochter bereits einen Kindergarten besuche. Darüber hinaus stünden die geforderten Unterhaltsleistungen ohnedies nicht zu, weil die Ehe vermutlich aus dem alleinigen Verschulden der Klägerin geschieden werden würde. Auch rechnerisch sei der begehrte Unterhaltsbetrag überhöht; er erziele ein niedrigeres Einkommen als von der Klägerin behauptet. Die Klägerin sei zwar längere Zeit keiner Berufstätigkeit nachgegangen, habe aber auch den Haushalt nicht versorgt. Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ab. Im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei nur auf jene Behauptungen einzugehen, welche von der gefährdeten Partei ausdrücklich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vorgebracht worden seien. Keinesfalls sei auf den gesamten Akteninhalt Bedacht zu nehmen. Ein Verweis auf das Klagevorbringen sei nicht ausreichend. Eine Verbesserung „der einstweiligen Verfügung" komme nicht in Betracht. Der Antrag sei abzuweisen, zumal eine wesentliche Anspruchsbehauptung fehle, nämlich dass sich der Anspruch aus § 94 ABGB, also der Haushaltsführung, ergebe.Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge „Beklagter") wandte im Wesentlichen ein, es wäre der Klägerin durchaus möglich, ein zur Bestreitung ihrer Lebenskosten ausreichendes Einkommen zu erzielen, zumal die gemeinsame Tochter bereits einen Kindergarten besuche. Darüber hinaus stünden die geforderten Unterhaltsleistungen ohnedies nicht zu, weil die Ehe vermutlich aus dem alleinigen Verschulden der Klägerin geschieden werden würde. Auch rechnerisch sei der begehrte Unterhaltsbetrag überhöht; er erziele ein niedrigeres Einkommen als von der Klägerin behauptet. Die Klägerin sei zwar längere Zeit keiner Berufstätigkeit nachgegangen, habe aber auch den Haushalt nicht versorgt. Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ab. Im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei nur auf jene Behauptungen einzugehen, welche von der gefährdeten Partei ausdrücklich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vorgebracht worden seien. Keinesfalls sei auf den gesamten Akteninhalt Bedacht zu nehmen. Ein Verweis auf das Klagevorbringen sei nicht ausreichend. Eine Verbesserung „der einstweiligen Verfügung" komme nicht in Betracht. Der Antrag sei abzuweisen, zumal eine wesentliche Anspruchsbehauptung fehle, nämlich dass sich der Anspruch aus Paragraph 94, ABGB, also der Haushaltsführung, ergebe.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs letztlich für zulässig. Im Rahmen eines Provisorialverfahrens habe der Antragsteller den behaupteten Anspruch genau zu bezeichnen und die den Anspruch begründenden Tatsachen im Einzelnen wahrheitsgemäß darzulegen. Das Gericht habe nur auf jene Behauptungen einzugehen, welche ausdrücklich zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vorgebracht wurden. Eine Verweisung auf das Vorbringen in der Klage sei nicht ausreichend. Da der Antrag auf Zuerkennung von Provisorialunterhalt weder eine Behauptung über den Unterhaltsanspruch noch ein Beweisanbot dafür enthalte, habe ihn das Erstgericht zu Recht abgewiesen. Da der Judikatur, die eine Verweisung auf das Klagevorbringen als nicht ausreichend ansehe, auch eine höchstgerichtliche Entscheidung gegenüberstehe, nach der bei Einbringung eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Unterhalts gleichzeitig mit der Unterhaltsklage doch auf das Vorbringen in der Klage Rücksicht zu nehmen sei, sei der Revisionsrekurs „zur einheitlichen Lösung dieser Rechtsfrage" zulässig.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Es entspricht herrschender Rechtsprechung, dass das Antragsvorbringen im Provisorialverfahren aus einem spätestens gleichzeitigen Klagevorbringen jedenfalls insoweit zu ergänzen ist, als eindeutig erkennbar ist, dass bestimmte Tatsachenbehauptungen gleichzeitig auch zur Grundlage des Provisorialantrags gemacht werden sollen (vgl nur RIS-Justiz RS0005231). Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Klage und der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in einem einheitlichen Schriftsatz erhoben werden. Bei einem Begehren auf Provisorialunterhalt hat eine Ergänzung des Antragsvorbringens aus dem gleichzeitig erstatteten Prozessvorbringen regelmäßig schon deshalb stattzufinden, weil sich die den Antrag begründenden Tatsachen unmittelbar aus dem Klagevorbringen ergeben und Letzteres daher eine geeignete Grundlage für den Antrag im Provisorialverfahren bildet (6 Ob 299/05x).Es entspricht herrschender Rechtsprechung, dass das Antragsvorbringen im Provisorialverfahren aus einem spätestens gleichzeitigen Klagevorbringen jedenfalls insoweit zu ergänzen ist, als eindeutig erkennbar ist, dass bestimmte Tatsachenbehauptungen gleichzeitig auch zur Grundlage des Provisorialantrags gemacht werden sollen vergleiche nur RIS-Justiz RS0005231). Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Klage und der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in einem einheitlichen Schriftsatz erhoben werden. Bei einem Begehren auf Provisorialunterhalt hat eine Ergänzung des Antragsvorbringens aus dem gleichzeitig erstatteten Prozessvorbringen regelmäßig schon deshalb stattzufinden, weil sich die den Antrag begründenden Tatsachen unmittelbar aus dem Klagevorbringen ergeben und Letzteres daher eine geeignete Grundlage für den Antrag im Provisorialverfahren bildet (6 Ob 299/05x).
Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren ein Bescheinigungsverfahren auf der Basis des gesamten Tatsachenvorbringens im verfahrenseinleitenden Schriftsatz der Klägerin sowie in der dazu erstatteten Äußerung des Beklagten durchzuführen haben, soweit es entscheidungserhebliche Tatsachenbehauptungen enthält. Vom Fehlen ausreichenden Antragsvorbringens kann hier keine Rede sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 393, Absatz eins, EO in Verbindung mit Paragraph 52, ZPO.
Anmerkung
E82093 1Ob186.06vEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0010OB00186.06V.0912.000Dokumentnummer
JJT_20060912_OGH0002_0010OB00186_06V0000_000