TE Vwgh Beschluss 2007/9/21 2005/05/0055

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Veröffentlicht am 21.09.2007
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §8;
BauO Wr §134a Abs1 lite;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Strakosch Kommanditgesellschaft in Wien, vertreten durch Gassauer-Fleissner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wallnerstraße 4, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 14. Dezember 2004, Zl. BOB-533 und 534/04, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Heinrich A. Posch in Wien, vertreten durch Frieders Tassul & Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stadiongasse 6-8), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 330,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund seines Bauansuchens wurde dem Mitbeteiligten mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 24. Juli 2003 die Baubewilligung zur Errichtung einer dreigeschoßigen Tiefgarage erteilt. Diesem Verfahren wurde die Beschwerdeführerin, die Eigentümerin einer benachbarten Liegenschaft ist, nicht beigezogen.

Mit Bescheid vom 28. April 2004 wies die belangte Behörde die Berufung des Nachbarn K. gegen die erteilte Baubewilligung als unbegründet ab und bestätigte den bei ihr angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe der im Berufungsverfahren geänderten und zum Bestandteil des Berufungsverfahrens erklärten Pläne. Dieser Bescheid erging nach seiner Zustellverfügung an den Nachbarn K. als Berufungswerber und an den hier Mitbeteiligten als Bauwerber, nicht jedoch an die Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin hat erstmals im Zuge einer am 3. August 2004 durchgeführten Verhandlung über die Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung vom Bauvorhaben und dem in zwei Instanzen durchgeführten Bauverfahren erfahren. Darauf beantragte sie mit Schreiben vom 16. August 2004 bei der Baubehörde erster Instanz die Zuerkennung der Parteistellung, die Zustellung des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides und die Zustellung des an K. ergangenen Berufungsbescheides; es wurden ihr sowohl die Baubewilligung als auch der genannte Berufungsbescheid am 9. September 2004 durch die Baubehörde erster Instanz zugestellt.

Gegen den Berufungsbescheid richtete sich die beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 2004/05/0238 protokollierte Beschwerde der Beschwerdeführerin. Der Verwaltungsgerichtshof wies diese Beschwerde mit Beschluss vom 18. Jänner 2005 zurück. Er vertrat darin die Rechtsauffassung, dass eine in einem Baubewilligungsverfahren übergangene Partei nicht einen im Instanzenzug von einer anderen Partei erwirkten letztinstanzlichen Bescheid mit Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfen könne, sondern selbst, nach Anerkennung ihrer Parteistellung, den erstinstanzlichen Bescheid und den Instanzenzug ausschöpfen müsse, um eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof einbringen zu können.

Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 9. Februar 2005 zugestellt.

Die Beschwerdeführerin hat aber auch, nach Zustellung des erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheides, gegen diesen Bescheid Berufung erhoben. Darin machte sie insbesondere geltend, dass ihre Liegenschaft durch den Betrieb der Tiefgarage hohen Schadstoffimmissionen ausgesetzt werde. Der Betrieb der Tiefgarage werde zu einer gravierenden Lärmbelästigung führen. Im Falle eines Brandes bzw. einer Explosion in der Tiefgarage werde die Liegenschaft der Beschwerdeführerin beeinträchtigt. Durch das ständige Befahren der Rampe könne es zu Erschütterungen der Liegenschaft der Beschwerdeführerin kommen. Sie werde durch die Beleuchtung der Tiefgarage und das Lichtsignal, das die Anzahl der noch freien Parkplätze anzeige, belästigt. Schließlich seien nachteilige Veränderungen der Grundwasserverhältnisse zu erwarten. Ausdrücklich beantragte die Beschwerdeführerin die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides in Richtung auf eine Versagung der Baubewilligung, hilfsweise die Aufhebung einer Zurückverweisung an die Baubehörde erster Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Die zu bebauende Liegenschaft liege im gemischten Baugebiet; der Betrieb der Garage falle unter das gewerbliche Betriebsanlagenrecht und die gegenständliche Betriebsanlage sei mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 4. November 2004 gewerbebehördlich genehmigt worden. Die Anrainerin könne somit nicht die Beeinträchtigung durch Immissionen geltend machen, da § 134a Abs. 1 lit. e BauO für Wien im gegenständlichen Verfahren nicht ihrem Schutz diene. Bezüglich der Veränderungen der Grundwasserverhältnisse stehe dem Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht zu.

Dagegen richtet sich die vorliegende, am 31. Jänner 2005 zur Post gegebene Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde "bzw." infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt. Den Beschwerdepunkt formuliert sie wie folgt:

"Die Beschwerdeführerin wurde durch den angefochtenen Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 14. Dezember 2004, BOB-533 und 534/04, in ihren subjektiven Rechten auf Nichterlassung eines Bescheides außerhalb der Zuständigkeitsgrenzen der Berufungsbehörde verletzt. Weiters wurde die Beschwerdeführerin in ihrem subjektiven Recht auf Geltendmachung ihrer rechtlichen Interessen und auf rechtliches Gehör als Nachbarin im Sinne der BO in einem Bauverfahren verletzt, wobei der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften leidet."

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift; die belangte Behörde beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

In Anbetracht des Umstandes, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 2005 der Beschwerdeführerin erst nach Erhebung der hier gegenständlichen Beschwerde zugestellt worden war, räumte der Verwaltungsgerichtshof mit Verfügung vom 9. August 2007 der Beschwerdeführerin die Möglichkeit ein, sich zu den Wirkungen des in der Sache ergangenen Beschlusses auf den nunmehr vorliegenden Beschwerdefall zu äußern. Der Verwaltungsgerichtshof schloss darin nicht aus, dass die Beschwerdeführerin in Anbetracht der im genannten Beschluss vertretenen Rechtsauffassung, sie müsse den erstinstanzlichen Bescheid bekämpfen und den Instanzenzug ausschöpfen, hier den Beschwerdepunkt anders gefasst und die Beschwerdegründe anders ausgeführt hätte, wenn ihr dieser Beschluss schon bekannt gewesen wäre.

Von dieser Äußerungsmöglichkeit machte die Beschwerdeführerin keinen Gebrauch.

Die Beschwerdeführerin begründet ihren Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde damit, dass die belangte Behörde die Berufung als unzulässig zurückweisen hätte müssen und nicht einen Berufungsbescheid erlassen dürfen. Dies ergebe sich auf Grund jener Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach dann, wenn die Berufungsbehörde bereits eine Sachentscheidung getroffen habe, ein Rechtsmittel gegen den unterinstanzlichen Bescheid nicht mehr ergriffen werden könne, wobei dies in gleicher Weise hinsichtlich übergangener Parteien gelte. Dazu komme noch die in § 129b BauO für Wien normierte dingliche Wirkung der nach diesem Gesetz erlassenen Bescheide. Die richtige Vorgangsweise wäre daher gewesen, der Beschwerdeführerin mit Verfahrensanordnung allein den Berufungsbescheid, nicht aber den erstinstanzlichen Bescheid mit dem Hinweis zuzustellen, dass gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung offen stünde. Durch Erlassung des Berufungsbescheides über einen rechtlich nicht existenten erstinstanzlichen Bescheid habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

Ihren Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, begründet die Beschwerdeführerin damit, dass sie erst am 3. August 2004 in einer gewerberechtlichen Verhandlung Kenntnis vom geplanten Bau der Tiefgarage erlangt habe und darauf mit Schriftsatz vom 16. August 2004 Einwendungen erheben musste, um die in § 134 Abs. 4 BauO für Wien festgelegte Frist für die Erlangung der Parteistellung zu wahren. Ihr sei demnach im Vergleich zu den geladenen Anrainern ein wesentlich verkürzter zeitlicher Rahmen zur Geltendmachung der Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte zur Verfügung gestanden. Auf Grund der eingeholten Gutachten wäre sie nicht in der Lage gewesen, fristgerecht diesen Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegen zu treten. Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs ergebe sich, dass einer Partei einerseits ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden müsse, um ihre Rechte geltend zu machen, und dass dieser Zeitraum andererseits so lange sein müsse, wie derjenige, der den übrigen Parteien zur Verfügung gestanden sei. Wäre der Beschwerdeführerin ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden, hätte sie eine allfällige Beeinträchtigung ihrer subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte durch fundierte Einwendungen geltend machen können, weshalb nicht auszuschließen sei, dass die belangte Behörde zu einem inhaltlich anderen Bescheid gelangt wäre.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Voraussetzung der Beschwerdelegitimation ist die Behauptung, durch einen Bescheid in einem oder mehreren bestimmten subjektiven Rechten verletzt zu sein, und die Möglichkeit der Rechtsverletzung. Fehlt es an der Möglichkeit der Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so mangelt diesem die Beschwerdeberechtigung (siehe die Nachweise bei Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 86 f). Dort wird auch die Judikatur wiedergegeben, wonach die Möglichkeit der Rechtsverletzung nur dann besteht, wenn sich durch den angefochtenen Bescheid die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verschlechtert oder durch einen Ermessensbescheid sein rechtliches Interesse beeinträchtigt wurde.

Hier geht es nicht darum, dass die Partei des Verwaltungsverfahrens die Entscheidungspflicht der Behörde auch dann geltend machen kann, wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann (siehe den Beschluss eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, VwSlg. 9458/A), weil die Beschwerdeführerin die Behauptung der Rechtswidrigkeit ausschließlich darauf stützt, dass die Berufungsbehörde mit einer Sachentscheidung und nicht mit einer Zurückweisung vorgegangen ist.

In Anbetracht des Umstandes, dass der Verwaltungsgerichtshof im oben zitierten Beschluss vom 18. Jänner 2005, der zwischen denselben Verfahrensparteien ergangen ist und dasselbe Bauverfahren betroffen hat, die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den auf Grund der Berufung eines Dritten ergangenen Berufungsbescheid zurückgewiesen hatte, ist eine Verschlechterung der Rechtsposition der Beschwerdeführerin durch die hier ergangene Entscheidung der belangten Behörde (im Vergleich zur gewünschten zurückweisenden Entscheidung) nicht denkbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, den Beschwerdepunkt diesem Umstand anzupassen, sie hat davon aber keinen Gebrauch gemacht. Es fehlt daher an einer Möglichkeit der Rechtsverletzung in der Sphäre der Beschwerdeführerin, soweit sie ihr Recht im Beschwerdepunkt geltend gemacht hat.

Wenn die Beschwerdeführerin die Verletzung des allein denkbaren Nachbarrechts auf Abweisung des Bauansuchens nicht geltend macht, kann sie auch nicht in ihrem Recht auf "Geltendmachung ihrer rechtlichen Interessen und auf rechtliches Gehör als Nachbarin" verletzt sein, weil einerseits mit "rechtlichen Interessen" kein Beschwerdepunkt im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG präzisiert wird, andererseits die Verfahrensrechte der Partei nicht weiter gehen als ihre materiellen Ansprüche und der Nachbar daher allfällige Verfahrensmängel nur insoweit geltend machen kann, als dadurch subjektiv-öffentliche Rechte beeinträchtigt werden (Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 366 f). Der Nachbar, der gar nicht die Versagung der Baubewilligung anstrebt, kann insbesondere nicht dadurch in seinen Rechten verletzt sein, dass er nur zwei Wochen Zeit für die Erhebung von Einwendungen hatte.

Da somit auf Grund des geltend gemachten Beschwerdepunktes die Möglichkeit einer Rechtsverletzung zu verneinen ist, steht der Beschwerde der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen. Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003 (bezüglich der Mitbeteiligten im Rahmen des von ihr gestellten Begehrens).

Wien, am 21. September 2007

Schlagworte

Übergangene Partei Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Baurecht Nachbar übergangener

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005050055.X00

Im RIS seit

15.01.2008

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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