TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/21 2005/05/0063

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Veröffentlicht am 21.09.2007
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Index

L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Niederösterreich;
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs2;
BauO NÖ 1996 §20 Abs1;
BauO NÖ 1996 §23 Abs1;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61 Abs5;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Marktgemeinde Perchtoldsdorf, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neutorgasse 12, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. Dezember 2004, Zl. RU1-BR-145/001-2004, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: ConocoPhillips Austria GmbH in 5020 Salzburg, Samergasse 27), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Marktgemeinde hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Bauwerberin suchte mit undatiertem Schreiben (nach übereinstimmendem Parteienvorbringen: Schreiben vom 31. Jänner 2003) um die Erteilung der Baubewilligung für den Abbruch der bestehenden Anlage und den Neubau einer Tankstelle mit einem Shopgebäude, Flugdach, Waschhalle samt Nebenräumen, Lagerhäuschen und überdachten Stellplätzen inklusive aller infrastrukturellen Maßnahmen auf dem Grundstück Nr. 1287/1, KG Perchtoldsdorf (umgeben von den Verkehrsflächen Brunnergasse, Herzogbergstraße und Am Rain), an. Am 3. Juni 2003 wurde ein Austauschplan vorgelegt.

Mit Schreiben vom 31. Juli 2003 erhob die Nachbarin W.W. Einwendungen. Sie werde in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten auf Einhaltung der Immissions- und Brandschutzbestimmungen verletzt. Es sei mit der Errichtung und dem Betrieb der Tankstelle eine unzumutbare und gesundheitsgefährdende Geruchs-, Lärm-, Rauch- und Abgasbelästigung verbunden. Im Zuge des Betriebes der Tankstelle werde auch das Grundwasser, insbesondere im Bereich ihrer Liegenschaft, durch Öl- und Treibstoffaustritte verunreinigt. Auch würden Bestimmungen über die Bebauungsweise und das niederösterreichische Raumordnungsgesetz verletzt werden.

Die Nachbarin G.G. erklärte in ihrem Schreiben vom 1. August 2003, dass durch die Errichtung einer Tankstelle die Lärmbelästigung, die Geruchsbelästigung durch Öl und Benzin und das verstärkte Verkehrsaufkommen durch Zu- und Abfahrt der Kunden nicht zumutbar wäre. Die Tankstelle würde außerdem eine starke Verminderung der Wohnqualität in den Häusern dieser Nachbarin bedeuten.

In einem Schreiben an die Baubehörde vom 8. September 2003 brachte eine Bürgerinitiative ihre ablehnende Haltung zu diesem Projekt zum Ausdruck; insbesondere wird auch dort die mit dem Betrieb verbundene Immissionsbelastung und das verstärkte Verkehrsaufkommen gerügt. Der Bürgerinitiative hatten sich die beiden genannten Nachbarinnen angeschlossen. Bei der Bauverhandlung vom 1. Oktober 2003 waren die beiden Nachbarinnen anwesend. Im Protokoll heißt es dazu:

"Die Nachbarn, Frau W.W. und Frau G.G. erheben nachstehende Einwendungen:

1. Vorgebracht wird eine Wertminderung der Nachbarliegenschaften mit der Begründung, die Vermietung der Objekte zu Wohn- bzw. Bürozwecken würde durch das gegenständliche Projekt erschwert werden.

Angemerkt wird seitens der Anrainer, dass diese nach Erörterung der Rechtslage zur Kenntnis nehmen, dass weitere Einwendungen nur im Gewerbeverfahren mit Aussicht auf Erfolg vorgebracht werden können."

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2003 erteilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde die baubehördliche Bewilligung für den Abbruch des bestehenden Betriebsobjektes sowie die Errichtung einer Tankstelle. In der Begründung wurde ausgeführt, unter Vorschreiben der Auflagen und Bedingungen, welche zur Wahrung der von der Baubehörde zu vertretenden Interessen erforderlich seien, sei die Bewilligung spruchgemäß zu erteilen gewesen.

Dagegen erhoben beide Nachbarinnen Berufungen, in denen sie einerseits auf ihre schriftlich erhobenen Einwendungen und andererseits auf die Eingabe der Bürgerinitiative verwiesen. Sie rügten insbesondere, dass die ihnen in der Verhandlung erteilte Rechtsbelehrung unrichtig gewesen sei.

Der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Marktgemeinde hob mit Bescheid vom 3. Juni 2004 gemäß § 66 Abs. 2 AVG auf Grund dieser Berufungen die erteilte Baubewilligung auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde erster Instanz zurück.

In ihrer Begründung verwies die Berufungsbehörde auf die oben wiedergegebene Protokollierung in der Bauverhandlung; die Baubehörde erster Instanz habe den Nachbarinnen zwar Parteistellung zuerkannt, ihnen aber nicht ausreichend Gelegenheit geboten, sämtliche bezughabenden Einwendungen im Verfahren darzutun. Es hätte auch geklärt werden müssen, welche Einwände tatsächlich eine Relevanz im Hinblick auf das Gewerbeverfahren bzw. auf das Bauverfahren besäßen. Die Baubehörde erster Instanz habe wesentliche Verfahrensvorschriften nicht eingehalten, wenn sie eine derartige Erörterung der Einwendungen nicht einmal im Zuge der Verhandlung vorgenommen habe. Es seien auch keine Sachverständigenbeweise aufgenommen worden. Es sei eine neuerliche Verhandlung und neuerliche Bescheiderlassung erforderlich, da im fortgesetzten Verfahren alle Einwendungen zu Protokoll genommen werden müssten und darüber abgesprochen werden müsse.

Dagegen erhob die mitbeteiligte Bauwerberin Vorstellung; mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung Folge gegeben, der bekämpfte Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Marktgemeinde verwiesen.

Aus der Niederschrift zur Verhandlung vom 1. Oktober 2003 in Verbindung mit den beiden Berufungen ergebe sich, dass die Nachbarinnen nur deshalb ihre in der Verhandlung erhobenen Einwendungen hinsichtlich Immissionsschutz nicht zu Protokoll gegeben hätten, weil ihnen in der Verhandlung dargelegt worden sei, dass weitere Einwendungen nur im Gewerbeverfahren mit Aussicht auf Erfolg vorgebracht werden könnten. Ihr Recht auf Schutz vor Immissionen hätten sie in den Berufungen wiederholt. Die Baubehörde erster Instanz habe ihre Manuduktionspflicht dadurch verletzt, dass sie die beiden Nachbarinnen nicht angeleitet habe, die von ihnen vorgebrachten Einwendungen im Verhandlungsprotokoll aufzunehmen, und sie nicht darüber aufgeklärt habe, dass sie ansonsten ihre Parteistellung verlieren würden. Es stehe für die Vorstellungsbehörde fest, dass die Nachbarinnen rechtzeitig Einwendungen zum Immissionsschutz vorgebracht und diesbezüglich ihre Parteistellung nicht verloren haben.

Allerdings habe die Bezirkshauptmannschaft Mödling parallel zum gegenständlichen Baubewilligungsverfahren ein Gewerbeverfahren in Form des ordentlichen Verfahrens durchgeführt. Beide Nachbarinnen hätten dort die behauptete Immissionsbelastung vorgebracht. Unter Bedachtnahme auf § 20 Abs. 1 NÖ BauO 1996 liege keine "Doppelgleisigkeit" vor, wenn die Nachbarinnen im Betriebsanlagenverfahren Parteistellung gehabt hätten. Da sie im Bauverfahren abgesehen vom Einwand der Wertminderung ihres Grundstückes lediglich Einwände betreffend Immissionen erhoben hätten, wäre keine weitere Ermittlung des Sachverhaltes nötig gewesen. Es hätte daher die Berufungsbehörde gleich über diese Einwände in ihrem Bescheid abzusprechen und nicht die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen gehabt, um über die in der Verhandlungsschrift nicht aufgenommenen Einwände abzusprechen und dazu erforderliche Sachverständigengutachten einzuholen.

Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde beantragt die beschwerdeführende Marktgemeinde die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Gemeindeautonomie sowie "auf richtige Anwendung der Bestimmungen der NÖ BO 1996, insbesondere §§ 23 Abs. 1 und 20 Abs. 1" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie bestreite nicht die Rechtsauffassung der belangten Behörde, dass dann, wenn ein "ordentliches Gewerbeverfahren" durchgeführt werde, eine Doppelgleisigkeit des Verfahrens vermieden werden müsse. Hier seien aber im Verfahren erster Instanz elementare Grundsätze nicht eingehalten worden. Insbesondere müsse jeder Partei Gelegenheit geboten werden, alle zur Sache gehörenden Gesichtspunkte vorzubringen und unter Beweis zu stellen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens einer gewerblichen Betriebsanlage sei zu trennen, welche Belange durch welche Behörden behandelt und entschieden werden. Im Bauverfahren könnten die Nachbarn nur Gründe vorbringen, die die NÖ BauO taxativ aufzähle; alle Fragen des Lärmschutzes, der Luftverunreinigung u.dgl. mehr seien im Rahmen des Gewerbeverfahrens zu klären. Diese Rechtsansicht werde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Auch wenn die Einwendung, durch das Vorhaben entstehe eine Wertminderung der Nachbargrundstücke, kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 6 NÖ BauO sei, reiche dies nicht aus, den Nachbarn bereits das Vorbringen zu verwehren. In der Verhandlungsschrift seien die Nachbarinnen geradezu eingeladen worden, keine weiteren Einwendungen mehr zu erheben. Daher habe im Rahmen der Entscheidung durch die Baubehörde erster Instanz gar nicht wirklich beurteilt werden können, ob sämtliche Einwendungen unzulässig seien. Dies müsse in einer neuerlichen Bauverhandlung geklärt werden. Es sei zutreffend, dass Immissionseinwendungen zurückzuweisen wären, da sie durch die NÖ BauO nicht gedeckt wären, es sei jedoch nicht im Gesetz vorgesehen, dass bereits das Vorbringen im Rahmen der Bauverhandlung unterbunden werde. Es wäre daher durch die Baubehörde erster Instanz ein derartiger Einwand zurückzuweisen gewesen, es sei aber nicht rechtens, diesen Einwand im Rahmen der Bauverhandlung nicht zuzulassen. Da die Behörde (erster Instanz) gar nicht weiter verfolgt habe, ob nicht die beiden Nachbarinnen im Zuge der Verhandlung auch Einwände vorgebracht hätten, die zulässig und zielführend gewesen wären, könne nicht beurteilt werden, ob tatsächlich und zulässig die Einwendungen der Nachbarn abgewiesen wurden. Dies hätte vielmehr eine Rechtsfrage für die anschließende schriftliche Entscheidung durch die Baubehörde erster Instanz dargestellt. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei das Verfahren in erster Instanz somit mangelhaft geblieben; hätte die Berufungsbehörde die Verhandlung nachgeholt, wäre das verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die §§ 6 Abs. 2, 20 Abs. 1 und 23 Abs. 1 NÖ BauO 1996 (hier

in der Fassung LGBl. 8200-11; BO) lauten:

"§ 6

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

§ 20

     (1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu

prüfen, ob dem Bauvorhaben

     1.        die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart

des Baugrundstücks, seine Erklärung zur Vorbehaltsfläche oder

Aufschließungszone,

     2.        der Bebauungsplan,

     3.        eine Bausperre,

     4.        die Unzulässigkeit der Erklärung des betroffenen

Grundstücks im Bauland zum Bauplatz,

     5.        ein Bauverbot nach § 11 Abs. 5 oder

     6.        eine Bestimmung dieses Gesetzes, der

NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210, oder einer Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze entgegensteht.

Bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfen, ist die Prüfung nach Z. 6 auf jene Bestimmungen eingeschränkt, deren Regelungsinhalt durch diese Genehmigung nicht erfasst ist.

§ 23

(1) Die Baubehörde hat über einen Antrag auf Baubewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.

Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 angeführten Bestimmungen besteht.

Bei gewerblichen Betriebsanlagen gilt § 20 Abs. 1, letzter Satz, sinngemäß. Liegt ein Widerspruch vor, ist die Baubewilligung zu versagen. Die Baubewilligung umfasst das Recht zur Ausführung des Bauwerks und dessen Benützung nach Fertigstellung, wenn eine Bescheinigung nach § 30 Abs. 2 Z. 3 vorgelegt wird. Wird diese Bescheinigung nicht vorgelegt, darf die Benützung erst nach Überprüfung des Bauwerks durch die Baubehörde, bei der die bewilligungsgemäße Ausführung festgestellt wird, erfolgen. Bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfen, darf das Recht aus der Baubewilligung für die Anlage erst nach Vorliegen der gewerbebehördlichen Genehmigung ausgeübt werden."

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ihre Rechtsauffassung überbunden, dass auf Grund des durchgeführten Verfahrens zur Betriebsanlagengenehmigung unter Beiziehung der Nachbarinnen, die hier als Berufungswerberinnen aufgetreten waren, den Nachbarinnen die Geltendmachung des Immissionsschutzes (§ 6 Abs. 2 Z. 2 BO) im Bauverfahren verwehrt sei. Daher wären keine weiteren Sachverhaltserhebungen nötig gewesen und die Berufungsbehörde hätte selbst unter Bedachtnahme auf § 23 Abs. 1 dritter Satz BO in Verbindung mit § 20 Abs. 1 letzter Satz BO über diesen Einwand abzusprechen gehabt.

Die beschwerdeführende Marktgemeinde erachtet sich (zur Zulässigkeit dieses Beschwerdepunktes siehe hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2000, Zl. 97/16/0190, m.w.N.) in ihrem Recht auf Gemeindeautonomie verletzt. Ein aufhebender Bescheid der Vorstellungsbehörde ist geeignet, die Gemeinde in diesem Recht zu verletzen, zumal gemäß § 61 Abs. 5 NÖ Gemeindeordnung die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden ist.

Ein Recht "auf richtige Anwendung der Bestimmungen der NÖ BO 1996, insbesondere §§ 23 Abs. 1 und 20 Abs. 1" besteht hingegen nicht, weil es einerseits kein Recht auf richtige Rechtsanwendung gibt und andererseits bloße Gesetzeszitate zur Dartuung des Beschwerdepunktes nicht ausreichen (Steiner in Holoubek-Lang, Das verwaltungsgerichtliche Verfahren in Steuersachen, 79f.).

Die Beschwerdeführerin hat die oben dargestellte Rechtsauffassung der belangte Behörde nicht nur nicht bekämpft, sondern sogar an mehreren Stellen ihrer Beschwerde ausdrücklich geteilt:

"Die seitens der NÖ. Landesregierung geäußerte Rechtsansicht, eine Doppelgleisigkeit des Verfahrens sei, wenn ein ordentliches Gewerbeverfahren nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung durchgeführt wird, zu vermeiden, wird nicht bestritten.

...

Alle Fragen des Lärmschutzes, der Luftverunreinigung und dergleichen mehr sind im Rahmen des Gewerbeverfahrens zu klären. Diese Rechtsansicht wird auch durch die Marktgemeinde Perchtoldsdorf keinesfalls bestritten.

...

Es ist zutreffend, dass Immissionseinwendungen im Rahmen des Bauverfahrens zurückzuweisen wären, da sie in keiner Weise im Rahmen der NÖ Bauordnung 1996 hinsichtlich ihres Vorbringens rechtlich gedeckt sind, es ist jedoch nicht im Gesetz vorgesehen, dass bereits das Vorbringen im Rahmen der Bauverhandlung unterbunden wird."

Diese Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde trägt die Aufhebung, weil damit die Anforderung an die Berufungsbehörde verknüpft ist, in der Sache (§ 66 Abs. 4 AVG) zu entscheiden. Dieser tragende Aufhebungsgrund ist somit vom Beschwerdepunkt nicht erfasst, sodass es dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG verwehrt ist, die sachliche Richtigkeit dieser Rechtsauffassung zu überprüfen. Die durch diese Rechtsauffassung belasteten Nachbarinnen - sie haben in ihren Berufungen ausdrücklich auf § 48 Abs. 2 BO hingewiesen - ließen den Vorstellungsbescheid unbekämpft.

Vielmehr ergebe sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach Ansicht der Beschwerdeführerin aus der "Missachtung von Verfahrensvorschriften, festgehalten in den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991".

Die Abs. 2 und 4 des § 66 AVG lauten:

"(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Berufungsbehörde zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Die Voraussetzungen für ein auf § 66 Abs. 2 AVG gestütztes Vorgehen der Berufungsbehörde liegen dann vor, wenn der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nur in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für seine Ermittlung in Betracht kommenden Personen festgestellt werden kann und diese Personen daher gleichzeitig am selben Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werden müssen (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2002/05/1468, m.w.N.).

Davon ausgehend bestand aber tatsächlich kein Grund für eine Aufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG. Es bleibt daher beim Grundsatz des § 66 Abs. 4 AVG, dass die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden hat; die Erfüllung dieser Verpflichtung bewirkt keinesfalls eine Verletzung des "verfassungsmäßig gewährleisteten Rechts auf den gesetzlichen Richter", wie die Beschwerdeführerin vermeint. Damit und insbesondere in Anbetracht der erfolgten Selbstbeschränkung erweist sich die Beschwerde als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. September 2007

Schlagworte

Zuständigkeit der Vorstellungsbehörde Verhältnis zwischen gemeindebehördlichem Verfahren und Vorstellungsverfahren Rechtsstellung der Gemeinde im Vorstellungsverfahren Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005050063.X00

Im RIS seit

23.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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