TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/21 2005/05/0087

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Veröffentlicht am 21.09.2007
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z1;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Anton Meches in Biedermannsdorf, vertreten durch Borns & Partner, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 2230 Gänserndorf, Dr.- Wilhelm-Exner-Platz 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. Jänner 2005, Zl. RU1-BR-152/002-2004, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Heimat Österreich Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft m.b.H. in Salzburg, vertreten durch Ploil Krepp & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stadiongasse 4; 2. Marktgemeinde Strasshof an der Nordbahn), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 30. November 1999 beantragte die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerberin) die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage auf dem Grundstück Nr. 28/295, EZ 761, Grundbuch Strasserfeld, einschließlich einer Tiefgarage sowie oberirdischer Stellplätze. Der Beschwerdeführer ist seitlicher Nachbar an der Westseite; er ist Eigentümer zweier an das Bauvorhaben im Bereich der Garagenrampe und der Tiefgarage angrenzender Grundstücke. Nach Durchführung einer Bauverhandlung am 28. September 2000, bei der Anrainer, unter ihnen der Beschwerdeführer, Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben hatten, wurden bautechnische, verkehrstechnische, lärmtechnische und umwelttechnische Gutachten eingeholt. Mit Eingabe vom 2. März 2001 wurden abgeänderte bzw. ergänzte Pläne vorgelegt, die eine Wohnhausanlage mit Tiefgarage und oberirdischen Stellplätzen, bestehend aus vier hintereinanderliegenden Gebäuden (ein Gebäude mit sechs Wohnungen und drei Gebäude mit je acht Wohnungen), vorsahen. Mit Bescheid vom 18. Mai 2001 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der Bauwerberin die beantragte Baubewilligung.

Zur weiteren Darstellung des Verfahrensganges wird auf das in der Sache ergangene hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2002/05/1007, verwiesen. Im Zusammenhang mit dem Nachbarrecht auf Einhaltung von Bestimmungen, die die Standsicherheit der Bauwerke der Nachbarn gewährleisten, beanstandete der Verwaltungsgerichtshof, dass weder der im Akt erliegenden "Vorstatik" des Dipl. Ing. C. vom 17. Oktober 2000 noch den beiden darauf aufbauenden Gutachten des bautechnischen Amtsachverständigen, Dipl. Ing. B., vom 23. Jänner 2001 und vom 6. September 2001 ein Befund zu entnehmen sei. Die "Vorstatik" enthalte zudem weder eine Beschreibung der vorgefundenen Bodenbeschaffenheit noch einen Hinweis, weshalb der Sachverständige zur Annahme bestimmter Bodenkennwerte gelangt sei. Damit sei aber weder die "Vorstatik" noch die darauf aufbauenden eingeholten Gutachten des Amtsachverständigen, für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbar. Da die Vorstellungsbehörde diese Mängel nicht wahrgenommen hatte, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der Vorstellungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Dem Vorerkenntnis entsprechend hob die belangte Behörde mit Bescheid vom 6. Juni 2003 den Bescheid des Gemeindevorstandes der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde vom 27. November 2001 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diese Behörde zurück.

Im fortgesetzten Ermittlungsverfahren legte die Bauwerberin über Auftrag der Berufungsbehörde ein geotechnisches Gutachten des Dipl. Ing. W. vom 10. November 2003 sowie ein statisches Gutachten des Dipl. Ing. C. vom 19. November 2003 vor.

Der Sachverständige Dipl. Ing. W. wies in seinem Gutachten unter Punkt 2.3. zur Höhenlage darauf hin, dass die zukünftigen Erdgeschossfußbodenoberkanten an die vorhandene, relativ ebene Geländeoberfläche angepasst worden seien. Bezüglich der Fundierung des Gebäudes des Beschwerdeführers führte der Sachverständige unter Punkt 3.3. folgendes aus:

"3.3:

Zur genaueren Erkundung der Art und Weise der Gründung der angrenzenden Feuer- bzw. Außenmauer eines ebenerdigen Gebäudes am Nachbargrundstück ... (Grundstück des Beschwerdeführers), wurden am 5. November 2003 im Auftrag des Architekturbüros ... zwei Fundamentaufschließungsschächte bis unter die jeweiligen Fundamentunterkanten abgeteuft.

Dabei zeigte sich, daß an beiden Untersuchungsstellen die Einbindetiefe (Abstand Geländeoberfläche bis zur Fundamentunterkante) lediglich rund 0,15 m beträgt und das Fundament in dem humösen Mutterboden einbindet. Auf Grund dieser geringen Einbindetiefe ist die Fundierung der untersuchten Wand als nicht frostsicher zu bezeichnen. Im Falle eines strengen Winters und einer ausreichenden Durchnässung des Bodens sind Schäden zufolge Frosthebungen nicht auszuschließen.

..."

Nach ausführlicher Darstellung der Bodenverhältnisse gab der Sachverständige unter Punkt 6. näher konkretisierte bauliche Hinweise, insbesondere führte er unter 6.2. aus:

"6.2 Sicherung des Nachbarobjektes

Die Feuer- bzw. Außenmauer des angrenzenden, eingeschossigen, nicht unterkellerten und mangelhaft gegründeten Nachbarobjektes am Grundstück ... kann mittels einer abschnittsweise hergestellten Winkelstützmauer gesichert werden.

Um die Verformung zu minimieren bzw. nahezu auszuschließen, ist bei der Berechnung des Erddruckes der Erdruhedruck anzusetzen.

Weiters dürfen die einzelnen Abschnitte der Winkelstützmauer eine Breite von rund 1,00 m bis rund 1,25 m nicht überschreiten

An dieser Stelle ist anzumerken, dass auf Grund der mangelhaften Gründung der angrenzenden Mauer eine abschnittsweise Unterfangung zu einer wesentlichen Verbesserung dieser mangelhaften Gründung führen würde."

Der Sachverständige Dipl. Ing. C. führte in seinem statischen Gutachten unter Punkt 4. aus:

"4. Zusammenfassung

Die Herstellung der direkt an der westlichen Grundgrenze gelegenen Stahlbetonwände (Rampenwand bzw. Garagenaußenwand) und Fundamentplatten, auf dem Grundstück ...(Baugrundstück) soll abschnittsweise erfolgen, nachdem die angrenzenden Keller- und Garagenbereiche bereits fertiggestellt sind.

Dabei müssen die im Geotechnischen Gutachten unter Punkt 6. angegebenen baulichen Hinweise eingehalten werden.

In der Statischen Berechnung, betreffend die Standsicherheit der westlichen Garagenwand, wird bei der Berechnung des Erddrucks der Erdruhedruck angesetzt, um Verformungen zu minimieren bzw. nahezu auszuschließen, die Standsicherheit der westlichen Garagenwand wird nachgewiesen.

Die einzelnen Abschnitte der Winkelstützmauer (Stahlbetonwand und Fundamentplatte) dürfen eine Breite von rund 1,00m bis 1,25m nicht überschreiten."

In seinem Gutachten vom 24. Februar 2004 führte der bautechnische Amtsachverständige Dipl. Ing. B. "nach fachlicher Analyse der beiden vorliegenden Gutachten im direkten Zusammenhang mit dem Projekt und der vorhandenen Umgebungssituation" aus, dass "keinerlei Beeinträchtigungen des betreffenden Nachbarobjektes im Zuge der geplanten Bauführung zu erwarten" seien. Vorausgesetzt werde, "dass die Ausführung auf Grundlage der statischen Berechnungen" erfolge.

Mit Stellungnahme vom 2. April 2004 äußerte sich der Beschwerdeführer zu diesen ergänzend eingeholten Gutachten. Darin führte er im Wesentlichen aus, das geotechnische Gutachten vom 10. November 2003 nehme keinen Bezug auf ein bestimmtes Bauvorhaben oder eine bestimmte technische Form der (beabsichtigten) Errichtung eines Bauvorhabens, sodass es über allgemeine Überlegungen nicht hinauskomme. Im Übrigen ergebe sich aus Punkt 6.2. zweifellos, dass ohne Veränderungen an der Liegenschaft des Beschwerdeführers eine Gefährdung des Bauwerks des Beschwerdeführers eintrete. Das statische Gutachten des Dipl. Ing. C verweise zwar auf die im geotechnischen Gutachten unter Punkt 6. angegebenen baulichen Maßnahmen, komme aber nicht zu eigenen nennenswerten Ergebnissen und nehme keinen Bezug auf das Objekt des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer legte die nachteiligen Folgen trotz der Errichtung einer Winkelstützmauer für sein Gebäude dar; er dulde jedenfalls keinerlei Bauführungen auf seinem Grund. Auch die als "Gutachten" bezeichnete Stellungnahme des Amtsachverständigen vom 24. Februar 2004 stelle kein Gutachten im Sinne des AVG dar. Im Übrigen verwies der Beschwerdeführer auf § 67 NÖ BauO, wonach die Höhenlage des Geländes im Bauland nur dann verändert werden dürfe, wenn die Standsicherheit eines Bauwerks oder des angrenzenden Geländes nicht gefährdet werde.

Mit Schreiben vom 18. Mai 2004 legte die Bauwerberin dem Gemeindevorstand der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde ergänzende Schreiben der Sachverständigen Dipl. Ing. C. vom 10. Mai 2004 und Dipl. Ing. W. vom 11. Mai 2004 vor. Darin führte Dipl. Ing. W. folgendes aus:

"Wie die Ergebnisse von zwei Probe- bzw. Fundamentaufschließungsschächten, die neben der gegenständlichen Mauer (des Bauwerks des Beschwerdeführers) abgeteuft wurden, zeigen, liegt die Fundamentkante dieser Mauer nur rund 0,15 m unter der derzeitigen Geländeoberfläche. Grundsätzlich sind zur Sicherung eines derartigen Fundaments zwei Möglichkeiten denkbar:

-

Unterfangung, die allerdings auf dem Nachbargrund durchgeführt werden muß und das Einverständnis des Anrainers (Beschwerdeführer) braucht.

-

Sicherung mittels Stützbauwerke, die am eigenen Grund direkt an der Grundgrenze hergestellt werden.

Ein derartiges Stützbauwerk ist, dem Stand der Technik entsprechend, eine abschnittsweise hergestellte Winkelstützmauer."

Dipl. Ing. C. erklärte in seinem Schreiben, dass durch die Errichtung einer Winkelstützmauer auf dem Baugrundstück die Nachbargrundstücke planmäßig nicht berührt werden würden.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. Juni 2004 wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen; der Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde vom 18. Mai 2001 aber durch Vorschreibung folgender weiterer Auflagen ergänzt:

              "11a.              Die Streifen- und Einzelfundamente der Flachgründung im nicht unterkellerten Bereich der Häuser 2, 3 und 4 müssen in den gelben bis grauen, schwach tonigen bis sandigen Schluffen bzw. schluffigen Feinsanden von steifplastischer und halbfester Konsistenz bzw. mitteldichter Lagerungsdichte einbinden.

              11b.              Tiefer reichende humöse Mutterbodenschichten sind ebenso wie aufgeweichte oder aufgelockerte Bodenschichten zu entfernen und durch Magerbeton zu ersetzen.

              11c.              In den nicht unterkellerten Bereichen dürfen keine Versickerungsanlagen für Niederschlags- bzw. Tauwasser angeordnet werden.

              11d.              Die Baugrubenwände sind unter 2:3 (Schotter) bis 1:1 (Lehme) zu böschen.

              11e.              Bei steileren Böschungen sind zusätzliche Sicherungen vorzusehen (Spritzbeton, Bodenvernagelung).

              11f.              Die Feuer- bzw. Außenmauer des Nachbarobjektes auf dem Grundstück (...) ist mittels einer abschnittsweise hergestellten Winkelstützmauer zu sichern.

              11g.              Die einzelnen Abschnitte der Winkelstützmauer dürfen eine Breite von 1,25 m nicht überschreiten."

Begründend wurde ausgeführt, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im ersten Rechtsgang die bisher eingeholten Gutachten deshalb mangelhaft gewesen seien, weil sie nicht auf konkreten Ermittlungen bezüglich des Bodenzustandes aufgebaut hätten. Dieser Mangel sei durch das vorliegende Gutachten von Dr. W. und die ergänzende statische Berechnung von Dipl. Ing. C. saniert worden. Diese von der Bauwerberin vorgelegten Gutachten seien vom Amtsachverständigen überprüft und als nachvollziehbar und fachlich korrekt eingestuft worden. Auch nach Ansicht des Amtsachverständigen ergebe sich aus diesen Gutachten, dass keine Beeinträchtigungen des betreffenden Objekts des Beschwerdeführers zu erwarten seien. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, das Gutachten von Dr. W. nehme nicht auf ein bestimmtes Bauvorhaben Bezug, sei zu entgegnen, dass dies nicht Aufgabe dieses Gutachtens sei. Vielmehr habe dieses Gutachten die konkreten bodenmechanischen Gegebenheiten vor Ort zu klären und auf diese Weise eine Grundlage für die statischen Berechnungen von Dipl. Ing. C. zu liefern. Das Gutachten von Dipl. Ing. C. beziehe sich zweifellos auf das verfahrensgegenständliche Projekt. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 67 NÖ BauO gehe schon deshalb ins Leere, weil im vorliegenden Fall ausschließlich die Errichtung einer Wohnhausanlage, nicht aber eine Niveauveränderung im Bauland eingereicht worden sei. Soweit der Beschwerdeführer vorbringe, dass er mit einer allfälligen "Unterfangung" der Fundamente seines Bauwerkes nicht einverstanden sei, sei ihm zu entgegnen, dass der Sachverständige Dr. W. eine solche Unterfangung lediglich als eine Alternative zur Errichtung einer Winkelstützmauer vorgeschlagen habe. Es habe daher aus rechtlicher Sicht die Möglichkeit bestanden, nur die Errichtung einer Winkelstützmauer als Auflage vorzuschreiben. Im Übringen sei die Vorgangsweise des Amtsachverständigen, die in einer Überprüfung der beiden Privatgutachten gelegen sei, zulässig und liege insofern - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - kein Verfahrensmangel vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sowohl das im fortgesetzten Ermittlungsverfahren von der Bauwerberin vorgelegte geotechnische Gutachten vom 10. November 2003 als auch das statische Gutachten vom 19. November 2003 vom bautechnischen Amtsachverständigen in seinem Gutachten vom 24. Februar 2004 begutachtet worden seien. Der Amtsachverständige habe diese beiden Gutachten als fachlich korrekt eingestuft und sei insofern zu dem Ergebnis gelangt, dass keine Beeinträchtigungen des Gebäudes des Beschwerdeführers zu erwarten seien. Dabei handle es sich - entgegen der Annahme des Beschwerdeführers - sehr wohl um ein Gutachten im Sinne des AVG, weil es auf Grund des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel keineswegs unzulässig sei, dass ein Privatgutachten vom Amtsachverständigen überprüft werde. Das statische Gutachten nehme überdies sehr wohl auf allfällige Gefährdungen des Grundstückes des Beschwerdeführers Bezug. Gegenstand dieses Gutachtens sei nämlich gerade die Standsicherheit der an das Grundstück des Beschwerdeführers angrenzenden Rampe bzw. der Garagenaußenwand. In diesem Gutachten werde auch darauf hingewiesen, dass die unter Punkt 6. angegebenen baulichen Maßnahmen im geotechnischen Gutachten eingehalten werden müssten. Dort würden konkrete Maßnahmen zur Sicherung des Nachbarobjektes des Beschwerdeführers angeführt. Auch seitens des Amtsachverständigen sei festgehalten worden, dass bei Einhaltung der unter Punkt 6. des geotechnischen Gutachtens genannten baulichen Maßnahmen mit keinen Beeinträchtigungen des Gebäudes des Beschwerdeführers zu rechnen sei. Allfällige Gefährdungen der Liegenschaft des Beschwerdeführers seien somit ausführlich geprüft und seien auch konkrete Maßnahmen, die seitens der Bauwerberin einzuhalten seien, genannt worden. Davon abgesehen sei im vorliegenden Fall ausschließlich die Errichtung einer Wohnhausanlage, nicht aber eine Niveauveränderung im Bauland, eingereicht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, durch die Errichtung einer Abfahrt zu der Garage direkt neben dem Gebäude des Beschwerdeführers komme es zu einer erheblichen Niveauveränderung. Die sowohl von Dipl. Ing. C. als auch von Dipl. Ing. W. vorgeschlagene Errichtung einer Winkelstützmauer möge zwar geeignet sein, zu verhindern, dass das Bauwerk des Beschwerdeführers als solches in die Baugrube der Bauwerberin stürze. Durch eine solche Winkelstützmauer sei aber technisch nicht zu verhindern, dass die Verdichtung des Erdreichs unter den Fundamenten des Bauwerkes des Beschwerdeführers verringert werde, dass unmittelbare Veränderungen auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers bewirkt werden, zu denen die Bauwerberin nicht berechtigt sei (§ 340 ff ABGB), dass die natürlichen Ablaufverhältnisse von Regen-, Grund- und Sickerwasser verändert werden, wodurch es zu einem Eindringen bzw. zu einer unzulässigen Zuleitung von Wasser unter die Fundamente des Bauwerks des Beschwerdeführers komme, und schließlich dass die Frosteinwirkung auf das Erdreich unter den Fundamenten des Bauwerks des Beschwerdeführers verändert werde, weil es damit auf einer Tiefe der beabsichtigten Niveauveränderung auf dem Baugrundstück zu seitlich einwirkendem Frost komme. Der Beschwerdeführer habe diese Auswirkungen der von der Bauwerberin beabsichtigten Niveauveränderungen nicht hinzunehmen. Überdies sei der Beschwerdeführer nicht verpflichtet, eine Bauführung auf seinem Grund zuzulassen. Die von Dipl. Ing. W. überlegte Möglichkeit der "Unterfangung" der Fundamente des Bauwerks des Beschwerdeführers möge technisch möglich und sinnvoll sein, der Beschwerdeführer sei mit einer solchen technischen Veränderung seines Bauwerks aber nicht einverstanden. Das statische Gutachten des Dipl. Ing. C. vom 19. November 2003 verweise auf die im geotechnischen Gutachten des Dipl. Ing. W. vom 10. November 2003 unter Punkt 6. angegebenen baulichen Hinweise und komme nicht zu nennenswerten eigenen Ergebnissen. Es nehme überdies überhaupt keinen Bezug auf die Gefährdung des Nachbargrundstückes. Als Verfahrensmangel macht der Beschwerdeführer weiters geltend, dass die Behörden von der bindenden Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, der die Einholung eines nachvollziehbar begründeten Gutachtens im Verfahren als geboten erkannt habe, abgewichen sei. Die Behörden hätten sich mit dem von der Bauwerberin vorgelegten Privatgutachten zufrieden gegeben. Bei der als "Gutachten" bezeichneten Stellungnahmen des Amtsachverständigen Dipl. Ing. B. vom 24. November 2004 handle es sich aber nicht um ein Gutachten im Sinne des AVG. Es seien vom Amtsachverständigen weder Tatsachen erhoben noch aus diesen Tatsachen auf Grund besonderer Fachkenntnis und Erfahrungssätze Schlussfolgerungen über Ursachen und Wirkungen dieser Tatsachen gezogen worden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die erstmitbeteiligte Bauwerberin, ein Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist vorauszuschicken, dass das Bauverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist. Gegenstand des Verfahrens ist das in den Einreichplänen (und sonstigen Unterlagen) dargestellte Projekt (siehe beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0296). Im vorliegenden Fall ist die Errichtung einer Wohnhausanlage mit Tiefgarage und oberirdischen Stellplätzen projektiert; eine vom Beschwerdeführer behauptete Veränderung der Höhenlage des Geländes auf dem Baugrundstück gemäß § 14 Z. 8 NÖ BauO 1996 ("Niveauveränderung") ist hingegen nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Im Übrigen hat der Sachverständige Dipl. W. in seinem Gutachten festgestellt, dass die zukünftigen Erdgeschossfußbodenoberkanten an die vorhandene, relativ ebene Geländeoberfläche angepasst worden sind. Die Garagenrampe als Tiefbauwerk bildet keinesfalls eine "Veränderung der Höhenlage des Geländes".

Die subjektiv öffentlichen Rechte des Nachbarn sind in § 6 Abs. 2 NÖ BauO 1996 taxativ aufgezählt. Diese Bestimmung lautet:

"Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

              1.              die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

              2.              den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

              3.              die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

§ 6 Abs. 2 Z. 1 NÖ BauO 1996 gewährt ein Nachbarrecht hinsichtlich der Frage, ob die Standsicherheit von Gebäuden des Nachbarn gewährleistet ist (vgl. u.a. das hg Erkenntnis vom 10. Oktober 2006, Zl. 2005/05/0031). Die Bauwerberin legte im fortgesetzten Ermittlungsverfahren zu dieser Frage ein geotechnisches und ein statisches Gutachten vor, welches jeweils vom bautechnischen Amtsachverständigen überprüft und als nachvollziehbar beurteilt wurde. Eine solche Vorgangsweise ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - zulässig, weil der Amtsachverständige nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor dem Hintergrund seines eigenen Fachwissens alle auf seinem Fachgebiet vorgelegten Beweise auch in sein Gutachten einbeziehen kann. Er kann seinem Gutachten auch Unterlagen zu Grunde legen, die nicht von ihm erarbeitet wurden. Es ist nicht unzulässig, wenn ein Amtsachverständiger - nach Überprüfung mit Hilfe seines Fachwissens und vor dem Hintergrund seiner Obliegenheit zur Objektivität und Wahrheitspflicht - Aussagen in einem Privatgutachten als zutreffend wertet und sie in sein Gutachten integriert (siehe u.a. das hg Erkenntnis vom 7. Juli 2005, Zl. 2004/07/0052).

Damit war aber - auch wenn im angefochtenen Bescheid missverständlich von der Standsicherheit der projektsgegenständlichen Baulichkeiten die Rede ist - die Frage der Standsicherheit des Gebäudes des Beschwerdeführers geklärt; auch der Beschwerdeführer räumt ein, dass die Winkelstützmauer geeignet ist, ein Abstürzen seines Gebäudes in die Baugrube zu verhindern.

Dafür, dass trotz der erforderlichen Winkelstützmauer die vom Beschwerdeführer befürchteten Beeinträchtigungen hervorgerufen werden, fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Die bloße Vermutung, dass eine Mauer eine "Verringerung der Verdichtung des Erdreiches" bewirke, hätte einer fachlichen Fundierung bedurft, um die durchaus plausible Schlussfolgerung des Amtsachverständigen, es sei mit keinen Beeinträchtigungen zu rechnen, zu erschüttern. Gleiches gilt für die Behauptung, die natürlichen Ablaufverhältnisse von Regen-, Grund- und Sickerwasser würden verändert, wodurch es zu einem Eindringen bzw. zu einer unzulässigen Zuleitung von Wasser unter die Fundamente des Bauwerks des Beschwerdeführers komme.

Festgestellt wurde, dass das Bauwerk des Beschwerdeführers nicht frostsicher gegründet sei; die offenbar daran anknüpfende Behauptung, die "Frosteinwirkung auf das Erdreich unter den Fundamenten des Bauwerks des Beschwerdeführers" werde verändert, entbehrt jeglicher Grundlage; ohne fachliche Fundierung durch ein Gegengutachten waren die Behörden nicht gehalten, zu diesen Behauptungen weitere Beweise aufzunehmen.

"Veränderungen" auf dem Grund des Beschwerdeführers sind nach den vorliegenden Beweisergebnissen ausgeschlossen und wären durch den Konsens nicht gedeckt.

Sofern der Beschwerdeführer vermeint, er sei nicht verpflichtet, Bauführungen auf seinem Grund ("Unterfangung") zu dulden, ist ihm (abermals) entgegen zu halten, dass die Errichtung einer solchen - vom geotechnischen Sachverständigen erkennbar alternativ zur Winkelstützmauer vorgeschlagenen - "Unterfangung" weder von der Bauwerberin beantragt noch mittels Baubewilligungsbescheides vorgeschrieben wurde.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr.2003/333. Das Begehren der belangten Behörde auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil sie sich in ihrer Gegenschrift ausschließlich auf die Wiederholung der - z. T. gar nicht beschwerdegegenständlichen - Ausführungen des angefochtenen Bescheides beschränkte, ohne auf die in der Beschwerde vorgetragenen Argumente einzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. April 2001, Zl. 2000/15/0186).

Wien, am 21. September 2007

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005050087.X00

Im RIS seit

23.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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