Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Werbegesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Burkhard Ch. St*****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH, Mariahilfer Straße 20, 1070 Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 9. März 2006, GZ 3 R 99/05h-14, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 15. April 2005, GZ 24 Cg 25/05t-8, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die klagende Partei hat im Sicherungsverfahren zweiter Instanz die Kosten ihrer Beantwortung des Rechtsmittels der beklagten Partei vorläufig selbst zu tragen, die Kosten ihres eigenen Rechtsmittels hat sie endgültig selbst zu tragen. Im Sicherungsverfahren dritter Instanz hat sie 71 % ihrer Kosten vorläufig selbst zu tragen; 29 % ihrer Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.010,88 EUR (darin 168,48 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin vermietet weltweit Werbeflächen in Schigebieten. Zu diesem Zweck hat sie mit Seilbahn- und Liftunternehmen Verträge geschlossen, in deren Rahmen diese ihr gegen Entgelt Panoramatafeln, Pistenleitsysteme, Pistenmarkierungen etc zur Vermarktung als Werbeträger zur Verfügung stellen. Das Unternehmen der Klägerin wurde vor etwa 40 Jahren von Peter Sch***** als Einzelunternehmen gegründet. 1987 erfolgte die Umwandlung in eine GmbH. Die Klägerin erzielt einen Marktanteil von 95 bis 97 %.
Auch der Beklagte bietet im Rahmen seines 1997 gegründeten Unternehmens „A*****" Schiliftwerbung an. Er vermarktet Werbeflächen auf Schiliften in Österreich, der Schweiz, Deutschland, Tschechien und der Slowakei. Hinsichtlich der Vermarktung von Werbeflächen in Schigebieten stehen die Streitteile in einem direkten Wettbewerbsverhältnis.
Am 11. Februar 2005 übermittelte der Beklagte ausgewählten Medienunternehmen nachfolgende Presseaussendung, deren Inhalt Gegenstand von Medienberichten im Internet und in Tageszeitungen wurde:
„Unternehmen von ÖSV-Präsident Sch***** unter Verdacht. Aktuelles Rechtsgutachten ortet 'Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung' und 'sittenwidrigen Behinderungswettbewerb'. Das auf Schigebietswerbung spezialisierte und international tätige Außenwerbeunternehmen A***** macht mobil und wendet sich an die Bundeswettbewerbsbehörde und die Europäische Kommission: A***** verfügt über Informationen, aus denen hervorgeht, dass die Sch*****-Gruppe direkten wirtschaftlichen Druck auf die von ihr abhängige Seilbahnbranche ausgeübt hat - mit dem Ziel, den aufkommenden Wettbewerb im Keim zu ersticken. 'Wir sind 1997 mit einer einzigartigen Geschäftsidee auf den Markt gekommen und haben uns bewusst gegen das laut Presseberichten 500 Mio Euro schwere Imperium des Peter Sch***** gestellt', erklärt A*****-Gründer Mag. Burkhard St*****. 'Obwohl uns die Sch*****-Firma S***** das Leben nicht gerade leicht gemacht hat, konnten wir uns im Wettbewerb mit dem Monopolisten erfolgreich behaupten. Mit der Expansion in die CEE-Region im Jahr 2004 wurde aber auch unsere Toleranzschwelle nun deutlich überschritten. Den uns seit 1997 entstandenen Schaden können wir mit 25,5 Mio Euro beziffern.' Der schon lange gehegte Verdacht, Sch***** und seine Privat-Firmen könnten die marktbeherrschende Stellung missbrauchen, wird nun durch ein aktuelles Gutachten des bekannten Europarechtsexperten Univ. Prof. DDr. Michael P***** erhärtet: Sollte Prof. Peter Sch***** seine Tätigkeit als ÖSV-Präsident auch zum Nutzen seiner Unternehmen in der S*****-Gruppe einsetzen, wäre dies nach dem Gutachten rechtlich bedenklich. Das Zusammenspiel der Sch*****-Firmen S***** und F***** sowie die Funktion von Sch***** als Ehrenpräsident des ÖSV ermögliche Praktiken, die wettbewerbsschädigend und damit unzulässig sein könnten:
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Abgrenzung von Tatsachen und Werturteilen abgewichen ist; das Rechtsmittel ist teilweise berechtigt.
Der Beklagte wirft dem Rekursgericht vor, es verkenne, dass die beanstandeten Äußerungen - gemessen an ihrem Gesamtzusammenhang und unter Berücksichtigung des Art 10 MRK - zulässige Werturteile seien, die nicht unter § 7 UWG fielen.Der Beklagte wirft dem Rekursgericht vor, es verkenne, dass die beanstandeten Äußerungen - gemessen an ihrem Gesamtzusammenhang und unter Berücksichtigung des Artikel 10, MRK - zulässige Werturteile seien, die nicht unter Paragraph 7, UWG fielen.
1. Die Abgrenzung zwischen einer Tatsache iSd § 7 UWG und des § 1330 Abs 2 ABGB gegenüber einem reinen Werturteil ist mitunter schwierig. Nach der österreichischen Rechtsprechung, die von der Lehre im Wesentlichen gebilligt wird (Harrer in Schwimann, ABGB3 § 1330 Rz 13 ff; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1330 Rz 8 ff), sind Tatsachen - unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (4 Ob 204/98y = MR 1999, 111 - PAT AND PAT PEND; RIS-Justiz RS0032212). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilungen („konkludente Tatsachenbehauptung" RIS-Justiz RS0031810). Entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (4 Ob 204/98y = MR 1999, 111 - PAT AND PAT PEND; RIS-Justiz RS0031815; RS0031883 [T30]). Als Tatsachenmitteilungen gelten auch Verdächtigungen, die auf entsprechende Tatsachen schließen lassen (RIS-Justiz RS0032494).1. Die Abgrenzung zwischen einer Tatsache iSd Paragraph 7, UWG und des Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB gegenüber einem reinen Werturteil ist mitunter schwierig. Nach der österreichischen Rechtsprechung, die von der Lehre im Wesentlichen gebilligt wird (Harrer in Schwimann, ABGB3 Paragraph 1330, Rz 13 ff; Reischauer in Rummel, ABGB³ Paragraph 1330, Rz 8 ff), sind Tatsachen - unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (4 Ob 204/98y = MR 1999, 111 - PAT AND PAT PEND; RIS-Justiz RS0032212). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilungen („konkludente Tatsachenbehauptung" RIS-Justiz RS0031810). Entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (4 Ob 204/98y = MR 1999, 111 - PAT AND PAT PEND; RIS-Justiz RS0031815; RS0031883 [T30]). Als Tatsachenmitteilungen gelten auch Verdächtigungen, die auf entsprechende Tatsachen schließen lassen (RIS-Justiz RS0032494).
2. Zur Abgrenzung zwischen Tatsachen und Werturteilen iSd § 1330 Abs
2 ABGB und § 7 UWG im Zusammenhang mit Rechtsfolgenbehauptungen hat
der erkennende Senat den Standpunkt vertreten, dass je nach der Lage
des Einzelfalls Äußerungen über die Rechtsfolgen einer bestimmten
Gesetzeslage einmal Tatsachenbehauptungen, ein anderes Mal aber auch
reine Werturteile sein können. Je weniger die zu beurteilende
Rechtsfolgenbehauptung nicht einfach aus dem Gesetz abzulesen ist,
sondern auf einem Vorgang der persönlichen Erkenntnisgewinnung
beruht, je eingehender die Grundlagen dieses Erkenntnisprozesses
dargestellt werden, und je deutlicher zum Ausdruck kommt, dass eine
subjektive Überzeugung im geistigen Meinungsstreit vertreten wird, um
so eher wird ein reines Werturteil vorliegen (4 Ob 138/99v = SZ
72/118 = EvBl 1999/211 = MR 1999, 290 - Inkassobüro; RIS-Justiz
3. Bei der Beurteilung der Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder ein Werturteil vorliegt, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck an, den die beanstandeten Äußerungen hinterlassen; dabei ist auf das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber auf den subjektiven Willen des Erklärenden abzustellen (RIS-Justiz RS0031883).
4. Nach diesen Grundsätzen sind die den Teilbegehren c) und d) zugeordneten Äußerungen - entgegen der Auffassung des Rekursgerichts
Anmerkung
E82110 4Ob105.06dSchlagworte
Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in ecolex 2007/86 S 192 - ecolex 2007,192 = MR 2007,159 XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0040OB00105.06D.0928.000Dokumentnummer
JJT_20060928_OGH0002_0040OB00105_06D0000_000