Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des M S in S, vertreten durch Mag. Peter Zivic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 10. Jänner 2007, GZ RV/0069-S/06, RV/0174-S/06, RV/0038-S/07, RV/0039-S/07, RV/0040- S/07 sowie RV/0041-S/07, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2004, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger der Republik Bosnien-Herzegowina und als Dienstnehmer in Österreich beschäftigt. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2004 regte der Beschwerdeführer die amtswegige Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO der Einkommensteuerverfahren betreffend die Veranlagungsjahre 1999 bis 2002 an und beantragte, die Kosten für Familienheimfahrten von Österreich nach Bosnien-Herzegowina als Werbungskosten zu berücksichtigen. Zugleich beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2003. Unter einem legte er Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 1999 bis 2003 - ausgenommen das Jahr 2001 - vor, in welchen er die Kosten für Familienheimfahrten für die Jahre 1999 und 2000 mit jeweils 28.800 S und für die Jahre 2002 und 2003 mit jeweils
2.100 EUR auswies. Für 2001 war bereits früher eine Erklärung eingereicht worden, in welcher die Kosten für Familienheimfahrten mit 2.511,57 EUR/34.560 S geltend gemacht wurden.
Der Beschwerdeführer führte aus, dass er zumindest jedes zweite Wochenende mit seinem Pkw von seinem inländischen Arbeitsort in Salzburg zu seiner Ehefrau und den vier minderjährigen Kindern an seinen Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina fahre, womit für ihn zumindest die geltend gemachten Aufwendungen für die Hin- und Rückfahrten verbunden seien. Die einfache Strecke betrage 550 km. Ein Zuzug seiner Ehefrau und der vier minderjährigen Kindern nach Österreich sei auf Grund rechtlicher und tatsächlicher Gründe nicht möglich. Nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen benötige er einen Nachweis, dass eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für die nachziehenden Familienangehörigen vorliege. Ihm sei jedoch in den Jahren 1999 bis 2003 lediglich eine sogenannte "Schlafstelle" zur Verfügung gestanden, welche er sich mit Arbeitskollegen geteilt habe. Der Beschwerdeführer legte eine Familienstandsbescheinigung, einen Auszug aus dem Eheregister sowie vier Auszüge aus dem Geburtenregister hinsichtlich seiner Kinder vor.
Das Finanzamt nahm die Arbeitnehmerveranlagung für den Streitzeitraum (zum Teil nach Wiederaufnahme der Verfahren) dahingehend vor, dass es lediglich 50 % der Kosten der Familienheimfahrten als Werbungskosten anerkannte. Das waren in den Jahren 1999 und 2000 sohin jeweils 14.400 S, im Jahr 2001 17.280 S und in den Jahren 2002 und 2003 jeweils 1.050 S.
In den jeweiligen Bescheidbegründungen führte das Finanzamt aus, dass es von durchschnittlich sechs Familienheimfahrten pro Jahr ausgegangen sei, da der Beschwerdeführer die Fahrtkosten nicht nachgewiesen habe und diese daher vom Finanzamt im Schätzungswege ermittelt worden seien.
Mit Berufung gegen die jeweiligen Einkommensteuerbescheide der Jahre 1999 bis 2003 führte der Beschwerdeführer gleichlautend aus, dass sein Pkw eine beträchtliche jährliche Kilometerleistung aufweise, da er diesen für die Familienheimfahrten benutze. Dazu legte er u.a. ein Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG 1967 vor, welchem das Datum der Erstzulassung und der Kilometerstand des Fahrzeuges zu entnehmen sind. Setze man pro gefahrenen Kilometer das amtliche Kilometergeld von EUR 0,36 an, so würden für eine Hin- und Rückfahrt von Österreich nach Bosnien-Herzegowina Kosten von 396 EUR anfallen. Selbst wenn man dem Finanzamt folgend von durchschnittlich sechs Familienheimfahrten pro Jahr ausginge, so würden sich bereits dafür jährliche Kosten von 2.376 EUR ergeben. Es seien daher jedenfalls die geltend gemachten Werbungskosten für die regelmäßigen Familienheimfahrten im Ausmaß des Betrages des großen Pendlerpauschales zu berücksichtigen.
In der Folge brachte der Beschwerdeführer eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2004 ein, in welcher jedoch keine Kosten für Familienheimfahrten geltend gemacht wurden. Gegen den insofern erklärungsgemäß ergangenen Bescheid des Finanzamtes erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte aus, dass er auch im Jahr 2004 regelmäßig mit seinem eigenen Pkw zu seiner Familie an den Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina gefahren sei. Er verwies auf die mit den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2003 vorgelegten Unterlagen betreffend den eigenen Pkw. Er habe auch im Jahr 2004 seine Ehefrau und seine zwei minderjährigen sowie seine zwei nunmehr volljährigen, aber nach wie vor nicht selbsterhaltungsfähigen Kinder erhalten. Mit der Berufung legte der Beschwerdeführer eine geänderte Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2004 vor und machte Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 2.425 EUR geltend.
Mit Berufungsvorentscheidungen betreffend die streitgegenständlichen Jahre versagte das Finanzamt die Anerkennung jeglicher Kosten für Familienheimfahrten. In den Begründungen führte das Finanzamt gleichlautend aus, dass es den Beschwerdeführer mit Vorhalt aufgefordert habe, mitzuteilen und nachzuweisen, warum seine Ehefrau ihren Wohnsitz nicht nach Österreich verlegt habe und aus welchen wirtschaftlichen Gründen eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar sei. Da der Beschwerdeführer diesem Ansuchen nicht vollständig nachgekommen sei, lege das Finanzamt den Familienheimfahrten eine rein private Veranlassung zu Grunde.
In den darauf folgenden Vorlageanträgen führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, dass die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort in Österreich u. a. dann unzumutbar sei, wenn, wie im gegenständlichen Fall, am Familienwohnsitz neben der Ehefrau auch noch minderjährige Kinder lebten.
Weiters wäre es wirtschaftlich nicht zumutbar, den Familienwohnsitz zu verlegen, da die Lebenshaltungskosten in Bosnien-Herzegowina im Vergleich zu jenen in Österreich nur einen Bruchteil, je nach Statistik und Region ein Fünftel bis ein Zehntel betrügen. Dazu verwies der Beschwerdeführer auf ein im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung für das Jahr 2003, Nr. 181, wiedergegebenes Protokoll über die Lohnsteuertagung 2003 zu Ausführungen der Rz 345 und 354 der Lohnsteuerrichtlinien 2002. In diesem Protokoll wird der Fall eines Ehepartners erörtert, der einer Beschäftigung in einem Ballungszentrum nachgehe und eine Schlafstelle am Arbeitsort habe, während der andere Partner ganzjährig am Familienwohnsitz wohne, keine Einkünfte erziele und sich der Kindererziehung widme. In einem solchen Fall sei - so die Meinung des Bundesministeriums für Finanzen in jenem Protokoll - die Wohnsitzverlegung von strukturschwachen Regionen in ein Ballungszentrum mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden und daher nicht zumutbar.
Weiters sei dem Beschwerdeführer auf Grund der fremdenrechtlichen Bestimmungen die Aufgabe des Familienwohnsitzes in Bosnien-Herzegowina nicht zumutbar. Dabei verwies der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003, G 119/03, mit welchem dieser festgestellt hat, dass der Vollzug des Fremdengesetzes in Bezug auf die Erteilung von Niederlassungsbewilligungen zum Zweck der Familienzusammenführung verfassungswidrig sei, weil unvorhersehbar sei, wie lange die nachziehenden Familienmitglieder auf einen Familiennachzug warten müssten. Weiters hätte der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 5 Fremdengesetz 1997 für seine Familie eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich benötigt, wobei die Anmietung einer zumindest 80 m2 großen, für Inländer ortsüblichen Wohnung in Salzburg, verglichen mit den Kosten der Familienheimfahrten, mit erheblichen finanziellen Mehraufwendungen verbunden gewesen wäre.
Im angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2004 hinsichtlich der Kosten für Familienheimfahrten ab. Wie bereits das Finanzamt in den Berufungsvorentscheidungen versagte sie den für Familienheimfahrten geltend gemachten Kosten schon dem Grunde nach die Anerkennung.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer im Streitzeitraum 1999 bis 2004 Kosten für Familienheimfahrten in der Höhe von jeweils 2.100 EUR sowie Mietkosten für die doppelte Haushaltsführung in der Höhe von
2.400 EUR geltend gemacht habe. Der Beschwerdeführer sei seit 5. Februar 1981 verheiratet und sei am 30. Juni 1986 nach Österreich eingereist. Seit diesem Zeitpunkt verfüge er im Inland über einen Wohnsitz und gehe hier einer Beschäftigung nach. Er habe somit eine doppelte Haushaltsführung nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer angelegt. Die belangte Behörde erachte vor dem Hintergrund der Einkommenslage des Beschwerdeführers einen Zuzug seiner Familie bereits vor dem Streitzeitraum als wirtschaftlich zumutbar. Zusätzlich sei zu beachten, dass durch den Zuzug der Familie wesentliche Kosten - wie eben jene der doppelten Haushaltsführung oder der Familienheimfahrten - weggefallen wären. Weiters sei hinsichtlich der Anmietung einer Wohnung ein Ausweichen auf stadtnahe Gemeinden zumutbar. Außerdem sei private und nicht berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung anzunehmen, wenn der Beschwerdeführer den Familienwohnsitz deswegen beibehalte, weil seine Kinder am Familienwohnsitz die Schule besuchten. Weitere Gründe habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Aus der Aktenlage sei nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer Maßnahmen gesetzt habe, um für seine Ehefrau und seine Kinder eine Erstniederlassungsbewilligung zu erhalten.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer verweist u.a. darauf, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum stets nur über befristete Beschäftigungs- bzw. Arbeitsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz 1977 verfügt habe und es im gegenständlichen Zeitraum unbefristeten Arbeitsbewilligungen überhaupt nicht gegeben habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 16 Abs. 1 EStG 1988 definiert Werbungskosten als Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c leg. cit. angeführten Betrag übersteigen, nicht abgesetzt werden.
Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, so können Familienheimfahrten von der Wohnung am Beschäftigungsort zum Familienwohnsitz als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn die Aufgabe des bisherigen Familienwohnsitzes unzumutbar ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Die berufliche Veranlassung der mit Familienheimfahrten verbundenen Aufwendungen wird aber angenommen, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 2005, 2005/14/0039).
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer in den streitgegenständlichen Jahren für seine am Familienwohnsitz in Bosnien-Herzegowina mit ihm in einem Haushalt lebende Ehefrau und seine vier Kinder unterhaltspflichtig war.
Der Beschwerdeführer begründet die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung u.a. mit den (in den streitgegenständlichen Jahren geltenden) fremdenrechtlichen Bestimmungen, wonach ein Familiennachzug auf Grund der geringen Anzahl der jährlich zugewiesenen Quotenplätze unvorhersehbar und mit langen Wartezeiten verbunden gewesen sei. Zudem hätte der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 5 FrG nachweisen müssen, dass für seine Familie eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich zur Verfügung stehe, was für ihn wiederum wirtschaftlich nicht finanzierbar gewesen wäre.
Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist im gegenständlichen Fall auch auf das seinerzeit in Geltung gestandene Fremdengesetz 1997 (FrG, BGBl. I Nr. 75/1997) Bedacht zu nehmen.
Nach dem FrG waren die Einwanderung und der daran anschließende Aufenthalt an eine Bewilligung gebunden, die einheitlich als "Aufenthaltstitel" (§ 7 FrG) bezeichnet wurde.
Dabei unterschied das FrG zwischen der Aufenthaltserlaubnis einerseits, welche für Fremde erteilt wurde, die sich bloß für einen bestimmten Zeitraum in Österreich aufhielten, das Bundesgebiet jedoch danach wieder verließen, und der Niederlassungsbewilligung andererseits, welche für Fremde erteilt wurde, die sich auf unbestimmte Dauer in Österreich niederließen.
§ 7 Abs. 3 FrG lautete:
"Auf Dauer niedergelassene Drittstaatsangehörige, das sind jene, die
1. in Österreich einen Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben oder
2. in Österreich zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit an einem Wohnsitz niedergelassen sind,
brauchen ... eine Niederlassungsbewilligung".
Gemäß § 8 Abs. 2 FrG wurde zwischen Erstniederlassungsbewilligung und weiterer Niederlassungsbewilligung unterschieden.
Gemäß § 8 Abs. 1 FrG war die Erteilung der Aufenthaltstitel eine Ermessensentscheidung der Behörde, wobei Abs. 3 leg. cit. dieses Ermessen determinierte.
Gemäß § 8 Abs. 5 FrG bedurfte es für die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels des Nachweises eines Rechtsanspruches auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für den Fremden. Dieser Nachweis war auch für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels erforderlich. Der "Rechtsanspruch" musste in Form eines Mietverhältnisses (Haupt- oder Untermietvertrag) oder in einem Eigentumsrecht auf eine Immobilie nachgewiesen werden.
Die dauerhafte Einwanderung nach Österreich wurde durch ein Quotensystem gesteuert. Gemäß § 18 Abs. 1 FrG war mit Verordnung für jeweils ein Jahr die Anzahl der Niederlassungsbewilligungen festzulegen. Die Quotenpflicht bestand für die Erteilung von Niederlassungsbewilligungen. Zwischen 1998 und 2002 standen im Durchschnitt ca. 8.300 Niederlassungsbewilligungen pro Jahr für die Zuwanderung in das gesamte Bundesgebiet zur Verfügung (siehe Schumacher, Fremdenrecht, 2003, Seite 51).
Wenn die Bezugsperson, zu der Angehörige ziehen oder mit der Familienangehörige nach Österreich einwandern ("Ankerfremder"), für seinen Aufenthalt eine quotenpflichtige Niederlassungsbewilligung bedurfte, benötigten auch seine Familienangehörigen für die Einwanderung einen Quotenplatz. Der Familiennachzug war in den §§ 20 ff FrG geregelt.
Nach § 20 Abs. 1 FrG war Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen sind, auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund (§§ 10 bis 12) wirksam wird.
Grundsätzlich hatte die Behörde den nachziehenden Familienmitgliedern somit bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen die Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, allerdings nur, wenn das Kontingent für das jeweilige Bundesland noch nicht ausgeschöpft war. (§§ 20 Abs. 1, 22 Abs. 1 FrG). War das Kontingent bereits ausgeschöpft, so war der Antrag nicht abzuweisen, sondern gemäß § 22 FrG die Entscheidung so lange aufzuschieben, bis auf Grund des Inkrafttretens der nächsten Niederlassungsverordnung eine Bewilligungserteilung wieder in Betracht kam.
Aus Anlass von Beschwerden betreffend die angesprochene Quotenregelung im Zusammenhang mit dem Nachzug von Familienmitgliedern nach Österreich prüfte der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit der §§ 18 Abs. 1 Z. 3 und 22 FrG.
Mit Erkenntnis vom 8. Oktober 2003, G 119/03, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass § 22 FrG verfassungswidrig gewesen sei. Über einen Antrag auf Familiennachzug sei zwar durch Bescheid abzusprechen. § 22 FrG habe jedoch vorgesehen, dass die Behörden unter bloßer Berufung auf das Nichtvorhandensein eines Quotenplatzes und ohne Bezugnahme auf bestimmte Kriterien für die Reihung auf der durch § 22 leg. cit. vorgesehenen Warteliste die Bescheiderlassung zurückstellten und dies dem Antragsteller formlos mitteilten, wobei eine Pflicht für diese Mitteilung überhaupt erst durch die FrGNov 2002 eingeführt worden sei. Damit sei dem Antragsteller die Möglichkeit genommen worden, die Rechtmäßigkeit der Zurückstellung des Abspruches über seinen Antrag zu überprüfen und im Rechtsmittelweg zu bekämpfen. Diese Vorgehensweise habe nicht die Voraussetzungen eines dem Rechtsstaatsprinzip entsprechenden Verfahrens erfüllt. Zudem sei vom Gesetzgeber nicht im ausreichenden Maß geregelt worden, wie über zu vergebende Quotenplätze verfügt werden sollte, wie also die freien Quotenplätze auf die offenen Anträge zu verteilen seien.
Im hier angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde aus, dass dem Ehepartner und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die sich in Österreich auf Dauer rechtmäßig niedergelassen hätten, grundsätzlich ein Anspruch auf Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 20 Abs. 1 FrG zukomme.
Auch wenn im Beschwerdefall tatsächlich ein Anspruch auf Erstniederlassungsbewilligung für bestimmte Familienmitglieder des Beschwerdeführers bestanden haben sollte - dies zu beurteilen ist dem Verwaltungsgerichtshof mangels entsprechender Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid verwehrt -, setzte die tatsächliche Erteilung der Niederlassungsbewilligung das Vorhandensein und die Zuteilung entsprechender Quotenplätze voraus.
Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 19. Oktober 2006, 2005/14/0127, zum Ausdruck gebracht, dass die (in Bezug auf das Recht auf Familiennachzug restriktiven) fremdenrechtlichen Bestimmungen jedenfalls bis zum "Fremdenrechtspaket 2005" (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005) eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nach Österreich begründen.
Dass die ca. 15-jährige Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich der Beurteilung der Unzumutbarkeit nicht entgegensteht, ist im Ergebnis bereits dem hg. Erkenntnis vom 15. November 2005, 2005/14/0039, zu entnehmen. Jenes Erkenntnis betraf einen seit 1972 in Österreich tätigen Beschwerdeführer, der in den Jahren 1999 bis 2001 Familienheimfahrten als Werbungskosten abgesetzt wissen wollte.
Die belangte Behörde hat somit zu Unrecht die Verlegung des Wohnsitzes als zumutbar erachtet und als Folge dessen Kosten der Familienheimfahrten schon dem Grunde nach nicht als Werbungskosten anerkannt. Sie hat den angefochtenen Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Beschwerdeführer lediglich für das Jahr 2001 Mietkosten für eine Wohnung als Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend gemacht hat. Für die Jahre 1999 und 2000, in welchen ursprünglich Mietkosten geltend gemacht wurden, änderte der Beschwerdeführer seine Erklärungen durch nachfolgende Erklärungen ab. Die Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe für sämtliche Jahre Mietkosten geltend gemacht, findet daher im Verwaltungsakt keine Deckung.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. I Nr. 333/2003.
Wien, am 24. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007150044.X00Im RIS seit
01.11.2007Zuletzt aktualisiert am
28.10.2008