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41/01 Sicherheitsrecht;Norm
SPG 1991 §31 Abs2 Z8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. Februar 2005, Zl. UVS- 02/11/5670/2004/29, betreffend Richtlinienbeschwerde (mitbeteiligte Partei: K G in W, vertreten durch Dr. Herbert Grün, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde "in Angelegenheit der Richtlinienbeschwerde" der Mitbeteiligten gemäß § 89 Abs. 1 und 4 SPG "im Zusammenhang mit der am 3.6.2004 erfolgten Verweigerung der Anwesenheit eines Rechtsbeistandes während der Einvernahme anlässlich der Vollziehung eines richterlichen Haftbefehles, zur Zl. 284 Ur 12/03d, LG für Strafsachen Wien," folgendermaßen ab:
"Gemäß § 67c Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 89 Abs. 1 und 4 SPG wird der bekämpfte Verwaltungsakt, nämlich die Verweigerung der Anwesenheit eines Rechtsbeistandes während der im Auftrag des Landesgerichts für Strafsachen Wien vorgenommenen Festnahme und Vernehmung, für rechtswidrig erklärt.
Gemäß § 79a Abs. 1, 2 und 4 AVG im Zusammenhalt mit der UVS-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 334/2003 daraus § 1 Z 1 und Z 2 werden der Beschwerdeführerin z.Hd. ihrer ausgewiesenen Vertretung die Pauschalbeträge von EUR 1.486,80 für Schriftsatz und Verhandlungsaufwand zugesprochen."
Begründend führte die belangte Behörde aus, mit der Richtlinienbeschwerde, die ursprünglich als "Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde" bezeichnet worden sei, letztlich aber auf "Bekämpfung der Richtlinienverordnung" eingeschränkt worden sei, werde die Wegweisung und Verweigerung der Anwesenheit des Rechtsbeistandes während der im Auftrag des Landesgerichts für Strafsachen Wien vorgenommenen niederschriftlichen Einvernahme bekämpft.
Diese bekämpfte Wegweisung bzw. Verweigerung der Anwesenheit des Rechtsbeistandes "nach § 8 Abs. 1 der Richtlinienverordnung" erweise sich als rechtswidrig. Ausgehend von § 8 der Richtlinienverordnung und Art. 6 Abs. 3 EMRK führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, über die Informationspflicht des § 8 Abs. 1 der Richtlinienverordnung hinaus sei die (Verpflichtung zur) Beiziehung eines Rechtsbeistandes aus Art. 6 Abs. 3 lit. b und lit. c EMRK, aus § 40 Abs. 1 VStG und aus § 38 Abs. 3 bzw. § 39 Abs. 1 StPO abzuleiten. Die gegenständliche Festnahme (der Mitbeteiligten) sei im Gerichtsauftrag erfolgt und von Organen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vollzogen worden. Trotz dieses Gerichtsauftrages hätten die Organe der genannten Sicherheitsdirektion sich an die unzuständige Staatsanwaltschaft Wien gewandt und von dieser eine Verfügung bzw. Weisung in Bezug auf die Vernehmung der Mitbeteiligten eingeholt. Die (dafür) zuständige Richterin sei nicht kontaktiert worden. Da die "belangte Behörde" (damit gemeint ist die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich) "diesen Grundsatz" verletzt habe, belaste sie die "bekämpfte Maßnahme mit Rechtswidrigkeit".
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Amtsbeschwerde, zu der die Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde, die auf Erstattung einer Gegenschrift verzichtete, erwogen:
Nach § 31 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) hat der Bundesminister für Inneres zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen.
Nach Abs. 2 leg. cit. ist in diesen Richtlinien zur näheren Ausführung gesetzlicher Anordnungen insbesondere vorzusehen, dass
1. ...
...
8. der Betroffene in bestimmten Fällen auf sein Recht auf Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes hinzuweisen ist und dass er deren Verständigung verlangen kann.
§ 8 der Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung; RLV), BGBl. Nr. 266/1993, lautet:
"Informationspflichten
§ 8. (1) Sofern das Gesetz einem Menschen ein Recht auf Verständigung oder Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes einräumt, haben ihn die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von diesem Recht in Kenntnis zu setzen
1. bei Festnahmen, Hausdurchsuchungen und Durchsuchungen nach § 40 Abs. 4 SPG;
2. sobald abzusehen ist, dass die Amtshandlung länger als eine Stunde dauern wird.
(2) Ist der Betroffene nicht in der Lage, selbst eine Verständigung der Vertrauensperson oder des Rechtsbeistandes zu veranlassen, so ist er auch davon in Kenntnis zu setzen, dass er die Verständigung durch die Behörde verlangen kann.
(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben einen Angehaltenen, der von einem von der Behörde beauftragten Arzt untersucht werden soll, davon in Kenntnis zu setzen, dass es ihm freisteht, zu dieser Untersuchung auf seine Kosten einen Arzt seiner Wahl beizuziehen, sofern dies ohne wesentliche Verzögerungen der Untersuchung bewirkt werden kann."
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde gemäß § 89 Abs. 1 und 4 SPG über eine "Richtlinienbeschwerde" der Mitbeteiligten dahingehend ab, dass ein näher bezeichneter "bekämpfter Verwaltungsakt" für rechtswidrig erklärt wurde. Die belangte Behörde verkennt, dass bei einer Richtlinienbeschwerde nach § 89 SPG das sicherheitsbehördliche Verhalten am Maßstab von Richtlinien im Sinne des § 31 SPG zu messen ist.
§ 8 RLV normiert unzweifelhaft Belehrungspflichten. Diese Bestimmung umfasst ferner auch die logisch vorausgesetzte Verpflichtung der Behörde, allenfalls auf Verlangen des Betroffenen, wenn er hiezu selbst nicht in der Lage ist, eine derartige Verständigung vorzunehmen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 7. September 2000, Zl. 99/01/0429, und vom 17. September 2002, Zl. 2000/01/0325). Dass Organe der belangten Sicherheitsdirektion Belehrungspflichten in diesem Sinne verletzt hätten, oder einem Begehren der Mitbeteiligten auf Vornahme einer Verständigung des Rechtsbeistandes nicht entsprochen hätten, wurde im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 25. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005010112.X00Im RIS seit
23.10.2007