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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2007/18/0614Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, in der Beschwerdesache des M S in W, geboren 1976, vertreten durch Dr. Helmut Adelsberger, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Oberhofer & Hibler Rechtsanwälte, 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Juni 2007, Zl. SD 994/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, über
1. den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den genannten Bescheid und
2. die Beschwerde gegen diesen Bescheid,
den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Juni 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Mit dem gegenständlichen, am 21. August 2007 zur Post gegebenen Schriftsatz stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den genannten Bescheid die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Gleichzeitig brachte er die Beschwerde ein, in der er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Beschwerdeführer begründet seinen Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen damit, dass Anfang Juli 2007 von Seiten des Beschwerdevertreters Dr. Adelsberger bei Dr. W., einem juristischen Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei Oberhofer & Hibler, angefragt worden sei, ob diese Kanzlei zur Vorbereitung einer Höchstgerichtsbeschwerde für den Beschwerdevertreter bereit wäre, wobei die Beschwerde (zunächst) von der Kanzlei Dr. Adelsberger selbst hätte eingebracht werden sollen. Im späteren Verlauf des Juli 2007 sei Dr. W. von der Kanzlei Dr. Adelsberger nochmals telefonisch kontaktiert und die Kanzlei Oberhofer & Hibler beauftragt worden, die Beschwerde (offensichtlich gemeint: gegen den vorgenannten Bescheid) einzubringen, weil er (der Beschwerdevertreter Dr. Adelsberger) urlaubsbedingt für einige Wochen abwesend wäre. Dr. W. habe telefonisch verbindlich zugesagt, diesen Auftrag zu erledigen. Zum Zeitpunkt dieses Telefongespräches habe die Rechtssache in der Rechtsanwaltskanzlei Oberhofer & Hibler mangels Vorliegens des betreffenden Verwaltungsaktes und des zu bekämpfenden Bescheides kalendarisch noch nicht vermerkt werden können. Am 7. August 2007 sei Dr. W. von einem Mitarbeiter des Hauptpostamtes Innsbruck telefonisch mitgeteilt worden, dass ein an ihn adressiertes Einschreiben vorläge, das an diesem Tag wegen Ablaufes der Hinterlegungsfrist (an den Absender) zurückgesendet werden sollte. Die Hinterlegung sei ohne jede Benachrichtigung der Kanzlei Oberhofer & Hibler erfolgt. Am 7. August 2007 habe Dr. W. das genannte Einschreiben übernommen. Dieses habe das am 13. Juli 2007 aufgegebene Schreiben der Kanzlei Dr. Adelsberger enthalten, mit dem der Auftrag erteilt worden sei, gegen den obgenannten Bescheid eine Höchstgerichtsbeschwerde abzufassen. Dem Auftragsschreiben sei der komplette Original-Handakt beigeschlossen gewesen. Das genannte Einsschreiben sei deshalb ohne weitergehende Benachrichtigung der Kanzlei Oberhofer & Hibler oder des Dr. W. beim Hauptpostamt Innsbruck hinterlegt worden, weil Dr. W. nicht am Kanzleischild aufscheine, das Einschreiben an Dr. W. adressiert worden sei und im relevanten Zeitraum eine Urlaubsvertretung des zuständigen Postzustellers tätig gewesen sei, der die Struktur der genannten Kanzlei nicht kenne. Erst mit der Übernahme des Original-Handaktes am 7. August 2007 sei die Möglichkeit geschaffen worden, den Bescheid der belangten Behörde zu bekämpfen. Dieser Sachverhalt begründe ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis, und es sei die Fristversäumnis nicht auf ein Verschulden des Beschwerdeführers oder eines in der Kanzlei seines Rechtsvertreters tätigen Juristen zurückzuführen.
II.
A. Zum Wiedereinsetzungsantrag:
1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der hg. Judikatur trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei und hat der Vertretene grundsätzlich für die Handlungen und Unterlassungen seines Vertreters einzustehen. Eine vom Vertreter verschuldete Fristversäumnis muss daher dem Vertretenen zum Verschulden angerechnet werden. So bildet die (bloße) Untätigkeit eines Vertreters im allgemeinen keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Machthaber wäre seinerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen, die Frist einzuhalten (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Juni 2007, Zl. 2007/18/0222).
Ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis stellt somit nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und dem Rechtsanwalt höchstens ein Versehen minderen Grades vorzuwerfen ist. Ein Verschulden, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen. (Vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom 15. November 2005, Zlen. 2005/18/0585, 0586, mwN.)
2. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge wurde seitens des Beschwerdevertreters Dr. Adelsberger, an den der angefochtene Bescheid am 20. Juni 2007 zugestellt worden sei, der juristische Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei Oberhofer & Hibler, Dr. W., im "späteren Verlauf des Juli 2007" telefonisch beauftragt, eine Höchstgerichtsbeschwerde in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit zu erheben. Im Hinblick darauf sei das Auftragsschreiben des Beschwerdevertreters samt dem Original-Handakt an Dr. W. adressiert und am 13. Juli 2007 als Einschreibesendung zur Post gegeben worden, welcher diese jedoch erst am 7. August 2007 erhalten habe.
In dem genannten, zur Bescheinigung des Antragsvorbringens in Kopie vorgelegten, mit 13. Juli 2007 datierten Auftragschreiben des Beschwerdevertreters Dr. Adelsberger an Dr. W. heißt es:
"Sehr geehrter Herr Kollege (Dr. W.(!
In der Anlage übermittle ich Ihnen die wesentlichen Bestandteile meines Handaktes und ersuche Sie, eine Beschwerde gegen den Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 19.6.2007 zu entwerfen, und zwar entweder eine Verfassungs- oder eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde - je nach Erfolgsaussicht.
(...(
Ich ersuche Sie, die Beschwerde mindestens 2 Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist an meine Email-Adresse office@raadelsberger.at zu übermitteln.
(...(
Für allfällige Rückfragen stehe ich telefonisch zur Verfügung.
(...("
Dass der Beschwerdevertreter Dr. Adelsberger, nachdem ihm zwei Tage vor Ablauf der Beschwerdefrist - wie von ihm in dem genannten Auftragsschreiben verlangt - von Dr. W. oder seitens der Kanzlei Oberhofer & Hibler noch keine Beschwerdeausfertigung an seine email-Adresse übermittelt worden war, mit Dr. W. oder einem anderen Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei Oberhofer & Hibler Kontakt aufgenommen habe oder dass er ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen sei, sich darüber zu vergewissern, dass die offene Beschwerdefrist gewahrt würde, ist dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen.
In Anbetracht dieses Versäumnisses wurde die Versäumnis der Beschwerdefrist durch ein nach den oben (II.1.) dargelegten Sorgfaltsanforderungen dem Beschwerdevertreter Dr. Adelsberger zurechenbares Fehlverhalten verursacht, das den Grad des minderen Versehens übersteigt.
3. Im Hinblick darauf war der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 4 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
B. Zur Beschwerde:
1. Da der angefochtene Bescheid laut dem Vorbringen des Beschwerdeführers am 20. Juni 2007 an dessen Rechtsvertreter zugestellt, die vorliegende Beschwerde jedoch erst am 21. August 2007 zur Post gegeben und der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen worden ist, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
2. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 25. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007180613.X00Im RIS seit
03.01.2008