TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/25 2007/18/0491

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Veröffentlicht am 25.09.2007
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §73 Abs2;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2 Z1;
NAG 2005 §74;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des J T, (geboren 1977), in W, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Mai 2007, Zl. 147.520/2- III/4/07, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 22. Mai 2007 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, vom 18. November 2004 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 21 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe nach der Aktenlage am 4. Februar 1995 die Volljährigkeit erreicht. Er sei am 30. Mai 2001 unrechtmäßig nach Österreich eingereist und sei seit diesem Zeitpunkt ohne Unterbrechung an Hauptwohnsitzen in Wien gemeldet. Am 31. August 2001 habe er die Gewährung von Asyl beantragt. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien habe am 4. Juni 2004 (rechtskräftig seit 12. Oktober 2004) die Annahme an Kindes statt des Beschwerdeführers durch zwei österreichische Staatsbürger genehmigt. Der Beschwerdeführer sei seit dem 18. Oktober 2004 in Österreich erwerbstätig. Sein Asylantrag sei (rechtskräftig mit 18. November 2004) gemäß §§ 7 und 8 des Asylgesetzes 1997 in erster Instanz abgewiesen worden. Am 18. November 2004 habe der Beschwerdeführer persönlich den in Rede stehenden Antrag gestellt. Dieser Antrag sei gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 Z. 9 und § 47 Abs. 3 Z 3 NAG als Erstantrag auf quotenfreie Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" zu werten gewesen. Da der Beschwerdeführer niemals zuvor über einen Aufenthaltstitel verfügt habe, liege unbestritten ein Erstantrag vor.

Gemäß § 21 NAG seien Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Es stehe aber fest, dass der vorliegende Antrag vom Beschwerdeführer persönlich im Inland eingebracht worden sei. Es ergebe sich aus der Aktenlage auch kein Anhaltspunkt, dass sich der Beschwerdeführer seit der Antragstellung im Ausland aufhalten würde. Vielmehr erscheine es (auch weil es unstrittig sei) als gesichert, dass der Beschwerdeführer sich vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten habe, was sich zusätzlich aus den bisherigen Meldungen des Hauptwohnsitzes des Beschwerdeführers in Wien sowie seiner inländischen Erwerbstätigkeit ergebe.

Gemäß § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG seien nur Familienangehörige von Österreichern, die in Österreich dauerhaft wohnhaft seien und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukomme, überdies nur nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts zur Antragstellung im Inland berechtigt. Da der Beschwerdeführer nicht Familienangehöriger seiner Wahleltern iSd § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG und nicht rechtmäßig eingereist sei, er sich zudem seit zumindest 18. November 2004 (Abschluss seines Asylverfahrens und Ende des vorläufigen Aufenthaltsrechts gemäß § 19 des Asylgesetzes 1997) und insbesondere seit dem Inkrafttreten des NAG am 1. Jänner 2006 und somit auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, stehe § 21 Abs. 1 NAG der Bewilligung des vorliegenden Antrags entgegen.

Ein längerer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertige die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Durch seinen bereits über einen längeren Zeitraum andauernden illegalen Aufenthalt zeige der Beschwerdeführer, dass er nicht gewillt sei, sich an die in Österreich geltende Rechtsordnung zu halten und stelle dies eine negative Beispielswirkung für andere Fremde dar. Angesichts der Heranziehung des § 21 NAG erübrige sich (aber) ein weiteres Eingehen auf diesen Umstand im Hinblick auf den Versagungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG.

Die Erwachsenenadoption durch seine österreichischen Wahleltern allein begründe noch kein Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers nach dem NAG.

Der Beschwerdeführer habe besonders berücksichtigungswürdige Gründe iSd § 72 Abs. 1 NAG während des gesamten Verfahrens nicht releviert. Vielmehr sei seine bislang gewählte Vorgangsweise als Umgehung gesetzlicher, besonders der Einwanderungsbestimmungen zu sehen. Ein derartiges Verhalten sei verwaltungsnotorisch und einfach durchschaubar. Der Beschwerdeführer sei unrechtmäßig nach Österreich eingereist und habe zunächst die Gewährung von Asyl beantragt, um das mit dem Asylverfahren einhergehende vorläufige Aufenthaltsrecht zu nutzen und um seinen Lebensstandard zu erhöhen. Dass er nicht Asyl, den Schutz vor Verfolgung, gesucht habe, sondern lediglich nach einer Möglichkeit, sich in Österreich festzusetzen, ohne zuvor die hiefür geforderten Voraussetzungen erfüllen zu müssen, zeige besonders deutlich das zeitliche Naheverhältnis zwischen Rechtskraft seiner Annahme an Kindes statt (per 12. Oktober 2004), der Berufungszurückziehung im Asylverfahren (18. November 2004), der verfahrensgegenständlichen Antragstellung (18. November 2004) und seiner Arbeitsaufnahme (15. Dezember 2004). Durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nach dem Ende des vorläufigen Aufenthaltsrechts auf Grund des Asylverfahrens habe der Beschwerdeführer jedenfalls seinen Aufenthalt über das erlaubte Ausmaß hinaus prolongiert. Die Annahme an Kindes statt habe ihm als mehr als 21-jährigem Wahlkind gemäß § 47 Abs. 3 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 auch mangels Unterhaltsleistung durch seine Wahleltern noch kein Aufenthaltsrecht verschafft. Der Beschwerdeführer habe sich dadurch jedoch vorderhand vermeintlich Zugang zum Arbeitsmarkt sowie den Anschein der vermeintlichen Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts und vermeintlich fortgeschrittener Integration verschafft. Diese Annahme an Kindes Statt solle ihm nunmehr auch rechtlich quotenfrei einen Aufenthaltstitel mit Zugangsberechtigung zum Arbeitsmarkt und Aufenthaltsverfestigung verschaffen. Aus all dem seien ausschließlich wirtschaftliche Motive ersichtlich, die iSd § 72 Abs. 1 NAG nicht besonders berücksichtigungswürdig sein könnten.

Eine Inlandsantragstellung bzw. die daraus resultierende Entgegennahme des Aufenthaltstitels im Inland werde daher gemäß § 74 NAG von Amts wegen nicht zugelassen. Die Entscheidung der belangten Behörde gründe sich in formeller Hinsicht auf § 75 NAG.

Der Gesetzgeber habe bereits bei Erlassung des § 21 NAG auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen und die Regelung eines geordneten Zuwanderungswesens über die persönlichen Verhältnisse gestellt. Damit sei ein weiteres Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers, auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK, entbehrlich.

Der Antrag des Beschwerdeführers sei somit abzuweisen, weil die Sicherung des Prinzips der persönlichen Erstantragstellung im Ausland bei der österreichischen Berufsvertretungsbehörde und des Abwartens des Verfahrensausgangs im Ausland, sowie die Wahrung der öffentlichen Ordnung, insbesondere der migrations- und arbeitsmarktrechtlichen Bestimmungen, im NAG jeweils wichtige Grundvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels darstellten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, diesen aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 21 Abs. 1 und 2 Z. 1 NAG lautet:

"§ 21. (1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

(2) Abweichend von Abs. 1 sind zur Antragstellung im Inland berechtigt:

1. Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts;"

2. Der Beschwerdeführer bringt nicht vor, dass er schon einmal im Besitz eines Aufenthaltstitels für das Bundesgebiet gewesen sei und zieht nicht in Zweifel, dass es sich beim vorliegenden Antrag um einen Erstantrag handelt, auf den § 21 Abs. 1 NAG anzuwenden ist. Ferner bestreitet er nicht, dass er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung und danach in Österreich aufgehalten hat.

Soweit die Beschwerde meint, dass die Voraussetzungen des § 72 (Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen einschließlich des geltend gemachten Rechts auf Familiennachzug) vorliegen würden und eine Inlandsantragstellung gemäß § 74 NAG zuzulassen gewesen wäre, ist sie darauf zu verweisen, dass § 74 NAG dem Fremden kein durchsetzbares - vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend zu machendes - Recht auf Inlandsantragstellung einräumt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0153).

§ 21 Abs. 2 Z. 1  leg. cit. kommt für den Beschwerdeführer schon deshalb nicht zum Tragen, weil er auf dem Boden der insoweit unstrittigen Feststellungen nicht rechtmäßig nach Österreich einreiste.

Vor diesem Hintergrund hätte der vorliegende Antrag nur bei amtswegiger Zulassung vom Inland aus gestellt werden dürfen. Da eine solche Zulassung nicht erfolgte, steht der Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung der Grundsatz der Auslandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 1 NAG entgegen. Dabei war - entgegen der Beschwerde - eine Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einer Niederlassung im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht erforderlich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0310, mwH).

Auf dem Boden des Gesagten erweist sich die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte den Bescheid nicht hinreichend begründet, als nicht zielführend. Fehl geht ferner die Rüge, die belangte Behörde hätte es dem Beschwerdeführer vorenthalten, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat es nämlich unterlassen, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels darzutun, hat er doch nicht aufgezeigt, welches für ihn im gegebenen Zusammenhang günstige Ergebnis seine Stellungnahme erbracht hätte.

3. Dem Vorbringen, den Beschwerdeführer treffe kein Verschulden an der Verschleppung des Verwaltungsverfahrens, und er hätte bereits im Mai 2005 auf dem Boden des § 73 Abs. 1 AVG Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung seines Antrags durch die Erstbehörde gehabt, ist entgegenzuhalten, dass es ihm offen gestanden wäre, bei dieser behaupteten Sachlage einen Devolutionsantrag iSd § 73 Abs. 2 AVG bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde einzubringen, damit die Zuständigkeit auf diese übergehe. Dass der Beschwerdeführer einen solchen Antrag gestellt hätte, wird in der Beschwerde nicht behauptet.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007180491.X00

Im RIS seit

26.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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