Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerald R*****, vertreten durch Dr. Andreas Wippel, Rechtsanwalt in Neunkirchen, gegen die beklagten Parteien 1. minderjährige Sarah H*****, vertreten durch ihre Mutter Natascha M*****, 2. minderjährige Miriam G*****, vertreten durch ihre Mutter Deva U*****, beide Beklagte vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtsanwalt in Gloggnitz, wegen EUR
9.900 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 10.900), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 30. Mai 2006, GZ 18 R 46/06b-49, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 12. Jänner 2006, GZ 3 C 791/04p-44, infolge Berufung der Beklagten abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit EUR 755,56 (darin enthalten EUR 125,92 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.Gemäß Paragraph 510, Absatz 3, letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (Paragraph 502, Absatz eins, ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig erklärt, höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Einbeziehung über 14 Jahre alter Schädiger in den Anwendungsbereich der §§ 1308 ff ABGB existiere nur für den (Normal-)Fall, dass sich diese in Pflege und Erziehung der Eltern befänden. Die (bejahte) Frage der Anwendung der von der Judikatur entwickelten Grundsätze auch auf Bewohnerinnen eines Jugendheims „besitze die in § 502 Abs 1 ZPO angesprochene Qualität".Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig erklärt, höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Einbeziehung über 14 Jahre alter Schädiger in den Anwendungsbereich der Paragraphen 1308, ff ABGB existiere nur für den (Normal-)Fall, dass sich diese in Pflege und Erziehung der Eltern befänden. Die (bejahte) Frage der Anwendung der von der Judikatur entwickelten Grundsätze auch auf Bewohnerinnen eines Jugendheims „besitze die in Paragraph 502, Absatz eins, ZPO angesprochene Qualität".
Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die vom Kläger gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die vom Kläger gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zulässig:
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt judiziert, dass die elterliche Aufsichtspflicht (die Haftpflicht der Eltern nach § 1309 ABGB) nicht zwingend mit der Erreichung des 14. Lebensjahrs endet, sondern so lange andauert, als die Erziehungsbedürftigkeit besteht (EvBl 1994/124; SZ 44/8; 1 Ob 275/01z; RIS-Justiz RS0009681; Harrer in Schwimann, ABGB3 VI, § 1309 Rz 5; Karner in KBB, § 1309 Rz 6) und noch keine Volljährigkeit gegeben ist (Reischauer in Rummel2 § 1309 Rz 12; Harrer aaO). Dass bei die Aufsichtspflicht für (auch mündige) Minderjährige und deren Aufsichtsbedürftigkeit betreffenden Fragen grundsätzlich keine Differenzierung danach vorzunehmen sein kann, ob die Aufsichtspflicht die Eltern oder andere Personen trifft, denen die Pflege des Minderjährigen obliegt, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. Die Notwendigkeit einer diesbezüglichen Gleichbehandlung von Minderjährigen, die von ihren Eltern betreut werden, einerseits und etwa von Bewohnern eines Jugendheims (wie die Beklagten) andererseits liegt völlig auf der Hand. Eine unterschiedliche Behandlung (und damit Benachteiligung) von Jugendheimbewohnern gegenüber Kindern, die von den Eltern betreut werden, wäre sachlich nicht zu rechtfertigen und daher aus verfassungsrechtlichen Gründen (Gleichheitsgrundsatz) und aus der Sicht der Menschenrechte inakzeptabel. Die Begründung des Zulassungsausspruches zeigt daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dass die für Minderjährige, die sich in Pflege und Erziehung ihrer demnach aufsichtspflichtigen Eltern befinden, entwickelten Grundsätze gleichermaßen auf Bewohner eines Jugendheims anzuwenden sind, wird auch vom Revisionswerber in keiner Weise in Frage gestellt. Dieser macht vielmehr allein geltend, dass eine Aufsichtspflichtverletzung der Erzieher, in deren Begleitung sich die Beklagten befanden, nicht in Betracht komme.Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt judiziert, dass die elterliche Aufsichtspflicht (die Haftpflicht der Eltern nach Paragraph 1309, ABGB) nicht zwingend mit der Erreichung des 14. Lebensjahrs endet, sondern so lange andauert, als die Erziehungsbedürftigkeit besteht (EvBl 1994/124; SZ 44/8; 1 Ob 275/01z; RIS-Justiz RS0009681; Harrer in Schwimann, ABGB3 römisch VI, Paragraph 1309, Rz 5; Karner in KBB, Paragraph 1309, Rz 6) und noch keine Volljährigkeit gegeben ist (Reischauer in Rummel2 Paragraph 1309, Rz 12; Harrer aaO). Dass bei die Aufsichtspflicht für (auch mündige) Minderjährige und deren Aufsichtsbedürftigkeit betreffenden Fragen grundsätzlich keine Differenzierung danach vorzunehmen sein kann, ob die Aufsichtspflicht die Eltern oder andere Personen trifft, denen die Pflege des Minderjährigen obliegt, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. Die Notwendigkeit einer diesbezüglichen Gleichbehandlung von Minderjährigen, die von ihren Eltern betreut werden, einerseits und etwa von Bewohnern eines Jugendheims (wie die Beklagten) andererseits liegt völlig auf der Hand. Eine unterschiedliche Behandlung (und damit Benachteiligung) von Jugendheimbewohnern gegenüber Kindern, die von den Eltern betreut werden, wäre sachlich nicht zu rechtfertigen und daher aus verfassungsrechtlichen Gründen (Gleichheitsgrundsatz) und aus der Sicht der Menschenrechte inakzeptabel. Die Begründung des Zulassungsausspruches zeigt daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dass die für Minderjährige, die sich in Pflege und Erziehung ihrer demnach aufsichtspflichtigen Eltern befinden, entwickelten Grundsätze gleichermaßen auf Bewohner eines Jugendheims anzuwenden sind, wird auch vom Revisionswerber in keiner Weise in Frage gestellt. Dieser macht vielmehr allein geltend, dass eine Aufsichtspflichtverletzung der Erzieher, in deren Begleitung sich die Beklagten befanden, nicht in Betracht komme.
Das Ausmaß der nötigen Obsorge richtet sich nach herrschender Meinung nach dem, was angesichts des Alters, der Eigenschaften und der Entwicklung des Aufsichtsbedürftigen und der (auch wirtschaftlichen) Lebensverhältisse der Aufsichtsführenden von diesen vernünftigerweise erwartet werden darf (SZ 34/137; ZVR 1984/324; 2 Ob 227/96, ZVR 1997/35), wobei die Gefährlichkeit der Situation (EvBl 1978/52; ZVR 1982/109) und ein allfälliges wiederholtes früheres Fehlverhalten (ZVR 1997/35) zu berücksichtigen sind (Karner aaO Rz 5). Die Erfüllung der Aufsichtspflicht soll nicht nur Dritte vor Schäden bewahren, sie dient vielmehr gleichzeitig auch dem Wohl des (mündigen) Minderjährigen, soll dieser doch auch gegen allfällige Schadenersatzansprüche Dritter infolge eines durch die Erfüllung der Aufsichtspflicht vermeidbaren Verhaltens geschützt werden (1 Ob 275/01z, EFSlg 97.016). Bestimmte Eigenschaften des Pflegebefohlenen können höhere Anforderungen rechtfertigen (Harrer aaO Rz 9 mwN). Bei verhaltensgestörten oder geistig retardierten Kindern sind unter Umständen weitergehende Maßnahmen erforderlich (Harrer aaO Rz 6 unter Hinweis auf BGH NJW 1995, 3385s). Demnach hängt die Frage, ob eine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, stets von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar. Anders wäre dies nur dann, wenn das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hätte und seine Entscheidung daher aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste.
Davon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Der Revisionswerber räumt selbst ausdrücklich ein, dass sich die damals knapp über 14 Jahre alte Zweitbeklagte und die knapp unter 14 Jahre alte Erstbeklagte, die beide aufgrund ihrer schwierigen Erziehungs- und Familiensituation im Jugendwohnheim der V***** W***** betreut wurden und sich am Unfallstag (10. 1. 2004) in Begleitung von zwei Erziehern befanden, sich auf den Erzieher, der ihnen das Zeichen zum Losfahren mit ihrem Rodelgerät („Plastikschüssel") gab, verlassen hätten dürfen. Dem Erzieher sei aber kein Vorwurf zu machen, da er nicht damit habe rechnen müssen, dass die Beklagten „praktisch im Blindflug" fahren würden. Im Widerspruch zu dieser Auffassung steht allerdings der vom Revisionswerber selbst betonte Umstand, dass es sich bei der von den Beklagten mit Wissen und Willen der Erzieher benützten „Rodelschüssel" um ein „kaum brems- und lenkbares Plastikgerät" handelte. In dieser Situation erscheinen die Zweifel des Berufungsgerichts daran, dass die (den Anweisungen der Erzieher folgenden) Beklagten die Gefährlichkeit ihres Verhaltens einzusehen vermochten, jedenfalls vertretbar. Die Frage der Einsichtsfähigkeit des (auch mündigen) Minderjährigen muss nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden (vgl RIS-Justiz RS0027020) und wäre daher auch diese Frage nur im Falle einer erheblichen Fehlbeurteilung revisibel.Davon kann im vorliegenden Fall aber keine Rede sein. Der Revisionswerber räumt selbst ausdrücklich ein, dass sich die damals knapp über 14 Jahre alte Zweitbeklagte und die knapp unter 14 Jahre alte Erstbeklagte, die beide aufgrund ihrer schwierigen Erziehungs- und Familiensituation im Jugendwohnheim der V***** W***** betreut wurden und sich am Unfallstag (10. 1. 2004) in Begleitung von zwei Erziehern befanden, sich auf den Erzieher, der ihnen das Zeichen zum Losfahren mit ihrem Rodelgerät („Plastikschüssel") gab, verlassen hätten dürfen. Dem Erzieher sei aber kein Vorwurf zu machen, da er nicht damit habe rechnen müssen, dass die Beklagten „praktisch im Blindflug" fahren würden. Im Widerspruch zu dieser Auffassung steht allerdings der vom Revisionswerber selbst betonte Umstand, dass es sich bei der von den Beklagten mit Wissen und Willen der Erzieher benützten „Rodelschüssel" um ein „kaum brems- und lenkbares Plastikgerät" handelte. In dieser Situation erscheinen die Zweifel des Berufungsgerichts daran, dass die (den Anweisungen der Erzieher folgenden) Beklagten die Gefährlichkeit ihres Verhaltens einzusehen vermochten, jedenfalls vertretbar. Die Frage der Einsichtsfähigkeit des (auch mündigen) Minderjährigen muss nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden vergleiche RIS-Justiz RS0027020) und wäre daher auch diese Frage nur im Falle einer erheblichen Fehlbeurteilung revisibel.
Nach den festgestellten Umständen ist daher in der Rechtsansicht, eine im Hinblick auf eine mögliche Haftung nach § 1309 ABGB nur subsidiäre Haftung der Beklagten nach § 1310 ABGB (RIS-Justiz RS0027379) sei zu verneinen, keine Fehlbeurteilung zu erkennen. Da vom Revisionswerber demnach insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird und daher ein tauglicher Grund, sein Rechtsmittel zuzulassen, nicht vorliegt, ist spruchgemäß zu entscheiden.Nach den festgestellten Umständen ist daher in der Rechtsansicht, eine im Hinblick auf eine mögliche Haftung nach Paragraph 1309, ABGB nur subsidiäre Haftung der Beklagten nach Paragraph 1310, ABGB (RIS-Justiz RS0027379) sei zu verneinen, keine Fehlbeurteilung zu erkennen. Da vom Revisionswerber demnach insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO aufgezeigt wird und daher ein tauglicher Grund, sein Rechtsmittel zuzulassen, nicht vorliegt, ist spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners ausdrücklich hingewiesen.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41 und 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners ausdrücklich hingewiesen.
Anmerkung
E827837Ob251.06xSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inFamZ 2007/35 S 73 - FamZ 2007,73 = EF-Z 2007/60 S 96 - EF-Z 2007,96 =ÖA 2007,290 K74 - ÖA 2007 K74 = EFSlg 114.100 = EFSlg 114.101XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0070OB00251.06X.1129.000Zuletzt aktualisiert am
24.06.2009