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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §33 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der K I in L, geboren 1961, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traungasse 14/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Juli 2003, Zl. St 73/03, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 29. Juli 2003 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß §§ 31, 33 und 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Laut den von der Bundespolizeidirektion Linz (im erstinstanzlichen Bescheid vom 19. März 2003) getroffenen Feststellungen seien die Beschwerdeführerin und ihre Kinder am 27. Jänner 2000 mit einem von der österreichischen Botschaft (richtig wohl: Generalkonsulat) in Istanbul am 26. Jänner 2000 ausgestellten, von 27. Jänner 2000 bis 27. April 2000 gültigen Visum D legal in Österreich eingereist.
In ihrer (im erstinstanzlichen Verfahren abgegeben) Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vorgebracht, dass sie am 27. Jänner 2000 legal nach Österreich eingereist wäre, weil ihre Familie durch das Erdbeben in der Türkei schwer in Mitleidenschaft gezogen worden wäre. Mit Schriftsatz vom 1. Jänner 2001 wäre die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG beim Bundesminister für Inneres angeregt worden. Ihr Ehegatte lebte seit dem Jahr 1989 im Bundesgebiet und wäre beim Unternehmen P. beschäftigt, wo er ca. EUR 1.500,-- verdiente, womit der Familienunterhalt gesichert wäre. Er hätte um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht, und es wäre damit zu rechnen, dass ihm diese in nächster Zeit verliehen würde. Die Familie wäre in Österreich bereits integriert, und es befände sich der gesamte Freundeskreis hier. In der Türkei würde sie weder eine Unterkunft, noch eine Möglichkeit für das weitere finanzielle Fortkommen haben.
Eine Anfrage beim Amt der O.Ö. Landesregierung habe ergeben, dass die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Ehegatten der Beschwerdeführerin noch ca. ein Jahr dauern würde.
Vom Bundesminister für Inneres sei mitgeteilt worden, dass von der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis an die Familie der Beschwerdeführerin Abstand genommen würde, weil sie sich anlässlich der Erteilung des Visums beim österreichischen Generalkonsulat Istanbul verpflichtet hätte, das österreichische Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums zu verlassen.
Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des wesentlichen Berufungsvorbringens der Beschwerdeführerin und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen weiter aus, dass sich die Beschwerdeführerin seit Mai 2000 insofern rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, als ihr seither weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Anhaltspunkte dafür, dass ihr ein Aufenthaltsrecht entsprechend einer anderen gesetzlichen Bestimmung zukäme, fänden sich weder im Verwaltungsakt, noch seien solche von ihr behauptet worden.
In Anbetracht des Aufenthaltes ihres Ehegatten und der übrigen Familienmitglieder in Österreich werde durch die Ausweisung in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin eingegriffen. Dieser Eingriff sei jedoch insofern zu relativieren, als sie im Jahr 2000 anlässlich der Erteilung des Einreisetitels auf Grund des Erdbebens in der Türkei nicht damit habe rechnen dürfen, über die Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Einreisetitels hinaus weiterhin im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen. Bis auf ihren Ehegatten müssten auch alle weiteren Familienmitglieder das Bundesgebiet verlassen bzw. seien bereits Ausweisungsverfahren eingeleitet worden. Die Beschwerdeführerin halte sich seit Mai 2000, also seit ca. drei Jahren, illegal in Österreich auf, und es gefährde bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt die öffentliche Ordnung in hohem Maß, weshalb gemäß § 37 Abs. 1 FPG die Ausweisung zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begäben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen, ebenso, wenn sie nach Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte.
Vor diesem Hintergrund habe von der Ermessensbestimmung des § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden müssen.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das ihren Ehegatten betreffende Staatsbürgerschaftsverfahren sei insofern zu relativieren, als sie selbst ausgeführt habe, dass dieses Verfahren noch ca. ein Jahr in Anspruch nehmen würde. Es handle sich diesbezüglich um ein ungewisses Ereignis, zumal selbst im Fall eines Zusicherungsbescheides der oö. Landesregierung noch das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband nachgewiesen werden müsste.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 25. November 2003, B 1318/03).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführerin nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Visums D im Jahr 2000 weder ein Einreisetitel noch ein Aufenthaltstitel oder eine sonstige Aufenthaltsberechtigung erteilt worden sei, begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sodass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt ist, keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerde bringt vor, dass bei Erlassung des angefochtenen Bescheides absehbar gewesen sei, dass dem seit dem Jahr 1989 dauernd im Bundesgebiet niedergelassenen Ehegatten der Beschwerdeführerin in nächster Zeit die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen würde. Die Verleihung sei ihm zu diesem Zeitpunkt bereits zugesichert gewesen, und er habe auch bereits im April 2003 den entsprechenden Antrag zwecks Ausscheidung aus dem türkischen Staatsverband gestellt. Die Beschwerdeführerin sei mit den ehelichen Kindern nunmehr seit bereits über drei Jahren im Bundesgebiet aufhältig, und es bestünden seit der Einreise kaum mehr Kontakte in der Türkei, wo es auch unwahrscheinlich wäre, dass ihr Ehegatte bei einer Rückkehr dorthin einen Arbeitsplatz erlangen könnte. Insoweit wäre damit bei einer Rückkehr auch das weitere Fortkommen der Familie gefährdet. Die Begründung und Führung eines gemeinsamen Familienlebens in einem anderen Land (als Österreich) seien daher nicht zumutbar. Überdies bemühe sich die Beschwerdeführerin seit dem Jahr 1994 um einen Aufenthaltstitel im Rahmen der Familienzusammenführung, welcher Antrag zunächst mangels gesicherten Lebensunterhaltes und in der Folge auf Grund fehlender Quotenplätze hintangestellt worden sei. Bei objektiver Betrachtung sei der Vorwurf, dass sie sich, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben habe, um die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen, nicht gerechtfertigt, weil gemäß Art. 8 EMRK ein Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung im Aufnahmeland bestehe. Die Berufung auf die Quotenregelung im Zusammenhang mit der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels sei EMRK-widrig.
Ferner besitze der Ehegatte der Beschwerdeführerin nunmehr die österreichische Staatsbürgerschaft, sodass die Bestimmung des § 47 Abs. 2 FrG maßgebend sei und die Beschwerdeführerin Niederlassungsfreiheit genieße, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Nach der Richtlinie 68/360/EWG des Rates vom 15. Oktober 1968, der Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 und der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 sei klargestellt, dass dem legal in das Inland eingereisten ausländischen Ehegatten eines Gemeinschaftsbürgers die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich nicht zu versagen sei.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Da der angefochtene Bescheid nach der Sach- und Rechtslage bei dessen Erlassung zu überprüfen ist und dem Beschwerdeführer jedenfalls, wie die Beschwerde selbst vorbringt, im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verliehen war, gehen das vorgenannte Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführerin nunmehr als einer begünstigten Drittstaatsangehörigen die Rechtsposition gemäß § 47 Abs. 2 FrG zukomme, und der Beschwerdehinweis auf die genannten Richtlinien des Rates ins Leere (vgl. in diesem Zusammenhang § 41 Abs. 1 VwGG).
Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin seit dem 27. Jänner 2000 sowie ihre Bindungen zu ihrem seit dem Jahr 1989 hier niedergelassenen Ehegatten und ihren mit ihr eingereisten und ebenso hier aufhältigen Kindern berücksichtigt. Einer allfälligen Integration der Beschwerdeführerin auf Grund der Dauer ihres bisherigen inländischen Aufenthaltes kommt jedoch nur eingeschränkte Bedeutung zu, weil ihr Aufenthalt jedenfalls seit dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Visums D im Jahr 2000 zur Gänze unrechtmäßig ist. Weiters fallen ihre Bindungen zu ihren mit ihr eingereisten und hier aufhältigen Kindern nicht entscheidend ins Gewicht, weil auch diese, was die Beschwerde nicht in Abrede stellt, ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sind, weshalb auch ihnen gegenüber ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde.
Weiters bewirkt der von der Beschwerde vorgebrachte Umstand, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin bei Erlassung des angefochtenen Bescheides mit der baldigen Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft habe rechnen können, keine Stärkung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin, weil die Fremdenpolizeibehörde - worauf die belangte Behörde zu Recht hingewiesen hat - nicht verpflichtet ist, von fremdenpolizeilichen Maßnahmen Abstand zu nehmen und damit den unrechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden zu dulden, bis der Fremde durch die - vor Abschluss des diesbezüglichen Verfahrens jedenfalls immer noch ungewisse - Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Angehörigen eine begünstigte Stellung erwirbt (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 17. Februar 2005, Zl. 2005/18/0007, mwN).
Den solcherart nicht sehr ausgeprägten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sie sich jedenfalls seit Mai 2000, sohin (bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) für einen Zeitraum von rund drei Jahren und vier Monaten, unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat. Dieses Verhalten stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, dar. Dem im Hinblick auf das Gebot der Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG verankerten Ausweisungshindernis kann hiebei nicht die Bedeutung zugemessen werden, es wäre zulässig, dass sich ein Fremder durch die Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften und die derart bewirkten privaten und familiären Bindungen im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht verschaffe. Auch kann aus Art. 8 EMRK ein allgemeines Recht des Fremden auf Familienzusammenführung in einem bestimmten Staat bzw. eine allgemeine Verpflichtung des Staates, eine Familienzusammenführung auf seinem Gebiet zuzulassen, nicht abgeleitet werden (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis).
Die Ansicht der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 FrG der Ausweisung der Beschwerdeführerin nicht entgegenstehe, begegnet daher keinem Einwand.
3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung ein Ermessensfehler unterlaufen wäre, ergeben sich doch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid oder dem übrigen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten besondere Umstände, die eine Ausübung des der belangten Behörde gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu Gunsten der Beschwerdeführerin geboten hätten.
4. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004180001.X00Im RIS seit
23.10.2007