Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien
1. Dipl. Ing. Klaus D*****, 2. Mag. Renate D*****, beide *****, vertreten durch Dr. Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Renate J*****, vertreten durch Dr. Günther Sulan, Rechtsanwalt in Wien, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 6. Juli 2006, GZ 21 R 220/06w-23, womit das Endurteil des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 25. April 2006, GZ 6 C 39/05v-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 330, 11 EUR (darin 55,02 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Kläger sind zur Hälfte Eigentümer einer an die Liegenschaft der Beklagten angrenzenden Liegenschaft. Im August 1997 errichtete der Ehemann der Beklagten gemeinsam mit ihrem Vater eine Grenzmauer zum Grundstück der Kläger. Die Kläger wussten über die Errichtung der Mauer Bescheid. Alle Beteiligten gingen davon aus, dass die Grenze auf einer Linie zwischen dem Grenzpunkt 7.027 und der Mitte eines straßenseitig gelegenen Elektrobocks verläuft. Diesen Elektrobock hatte der Vater der Beklagten Jahre zuvor gemeinsam mit dem Erstkläger errichtet. Beide hatten Wert darauf gelegt, dass sich die Mitte dieses Elektrobocks exakt an der Grenze zwischen ihren Grundstücken befindet. Tatsächlich gelang der Bau nicht so exakt, sodass die Mitte des Elektrobocks etwas in Richtung auf das Grundstück der Kläger versetzt lag. Dies war keinem der Beteiligten bewusst. Vor Errichtung der Mauer im Jahr 1997 spannte der Vater der Beklagten eine Schnur vom Vermessungspunkt 7.027 zur Mitte des Elektrobocks und zeigte dies dem Erstkläger. Dieser war mit der Errichtung der Mauer entlang dieser Schnur einverstanden, weil er annahm, dies entspreche der Grundstücksgrenze. Der tatsächliche Grenzverlauf stellte sich erst anlässlich einer Vermessung im Jahr 2003 heraus, die der Überführung der Grundstücke in den Grenzkataster diente. Danach befindet sich der Grenzpunkt straßenseitig nicht exakt in der Mitte des Elektrobocks, sondern in Richtung auf das Grundstück der Beklagten versetzt. Die 1997 errichtete Mauer steht demnach teilweise auf dem Grundstück der Kläger.
Die Kläger begehren zuletzt noch die Feststellung, dass sich ein Teil der Einfriedungsmauer zu Unrecht auf ihrem Grundstück befindet, Beseitigung des auf ihrem Grundstück befindlichen Mauerteils und Unterlassung der Errichtung von Einfriedungsmauern oder ähnlichen Einrichtungen auf ihrem Grundstück. Die Beklagte greife widerrechtlich in ihr Eigentumsrecht ein. Sie hätten weder dem Verlauf der Mauer noch ihrer Beibehaltung zugestimmt. Die Beklagte anerkannte ein weiteres, auf Feststellung des Grenzverlaufs gerichtetes Begehren, wie auch das Unterlassungsbegehren. Im Übrigen bestritt sie und wendete ein, die damaligen Liegenschaftseigentümer hätten die Lage des an der Straßenfront errichteten Elektrobocks einvernehmlich festgelegt und der späteren Errichtung der Mauer wie auch ihrer Beibehaltung zugestimmt.
Mit Teilurteil vom 2. 2. 2006 wurde der (richtige) Grenzverlauf rechtskräftig festgestellt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf weitere Feststellung (dass sich ein Teil der Einfriedungsmauer zu Unrecht auf dem Grundstück der Kläger befindet), dem Beseitigungsbegehren und dem Unterlassungsbegehren statt. Der auf dem Grundstück der Kläger befindliche Mauerteil greife in deren Eigentumsrecht ein. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die Kläger vor Bekanntwerden des tatsächlichen Grenzverlaufs keine Einwände gegen die Mauer erhoben hätten. Zu einer Zustimmung anlässlich der Grenzverhandlung sei es nicht gekommen.
Das Unterlassungsgebot wurde rechtskräftig.
Das Berufungsgericht wies das Begehren auf Feststellung wie auch das Beseitigungsbegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen eine „Gestattung" im Sinn der zu MietSlg 33.036 veröffentlichten Entscheidung vorliege, und zwar insbesondere für dem Grenzkataster unterliegende Anwendungsfälle. Nur ein vom Eigentümer nicht gestatteter Eingriff in sein Eigentumsrecht sei widerrechtlich und eigenmächtig. Dem Verhalten der Streitteile vor Errichtung der Mauer komme ein derartiger „Gestattungscharakter" zu. Die Kläger hätten über die Errichtung der Mauer Bescheid gewusst. Noch vor Errichtung der Mauer habe der Vater der Beklagten dem Erstkläger die zwischen dem Vermessungspunkt und der Mitte des Elektrobocks gespannte Schnur gezeigt, worauf der Erstkläger (mit der Errichtung der Mauer entlang dieser Linie) einverstanden gewesen sei. Es müsse daher von einer Willensübereinstimmung der Beteiligten in Bezug auf die Errichtung der Mauer innerhalb der durch die gespannte Schnur visualisierten Grenzlinie ausgegangen werden. Auch die Zweitklägerin habe 1997 über die Errichtung der Mauer Bescheid gewusst und sie bis zur Vermessung im Jahr 2003 gebilligt. Der Irrtum der Beteiligten über die wahren Eigentumsgrenzen könne nur im Wege einer - hier bereits verfristeten - Irrtumsanfechtung wahrgenommen werden.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Kläger nicht zulässig:
1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Eigentümer einen Eingriff in sein Eigentumsrecht im Sinn der zu MietSlg 33.036 veröffentlichten Entscheidung 7 Ob 643/81 „gestattet", ist hier nicht entscheidend. Anders als in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurde - mangels Kenntnis des Eingriffssachverhalts - nämlich nicht der Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger durch Bau der Mauer auf ihrem Grund gestattet. Die Streitteile haben vielmehr 1997 eine Vereinbarung über den Verlauf der entlang der Grundstücksgrenze zu errichtenden Grenzmauer getroffen. Sie sind dabei - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - einem gemeinsamen Irrtum unterlegen, weil sie angenommen haben, dass die Grundstücksgrenze auf der beschriebenen Linie bis zur Mitte des Elektrobocks verläuft. Der Erstkläger hat der Errichtung der Grenzmauer auf dieser angenommenen Grundgrenze ausdrücklich zugestimmt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass auch die Zweitklägerin dieser Mauererrichtung zugestimmt hat, ist nicht zu beanstanden, zumal die jahrelange Duldung der Grenzmauer in Kenntnis ihrer Errichtung nur so gedeutet werden kann, dass auch die Zweitklägerin mit der Errichtung auf die beschriebene und vom Erstkläger ausdrücklich genehmigte Weise einverstanden war.
2. Dass der 1997 getroffenen Vereinbarung ein gemeinsamer Geschäftsirrtum über den tatsächlichen Verlauf der Grundstücksgrenze zugrundelag, hindert ihre Wirksamkeit nicht, weil die dreijährige Anfechtungsfrist ab Vertragsabschluss (unabhängig davon, wann der Irrtum aufgeklärt wurde, § 1487 ABGB, 1 Ob 34/98a = RdW 1998, 664; 6 Ob 334/00m) läuft und damit im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufen war.2. Dass der 1997 getroffenen Vereinbarung ein gemeinsamer Geschäftsirrtum über den tatsächlichen Verlauf der Grundstücksgrenze zugrundelag, hindert ihre Wirksamkeit nicht, weil die dreijährige Anfechtungsfrist ab Vertragsabschluss (unabhängig davon, wann der Irrtum aufgeklärt wurde, Paragraph 1487, ABGB, 1 Ob 34/98a = RdW 1998, 664; 6 Ob 334/00m) läuft und damit im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufen war.
3. Die Vereinbarung über die Errichtung der Mauer lässt das Eigentumsrecht der Kläger an den betroffenen Grundstücksteilen unberührt, hat somit keinen Einfluss auf die Eintragungen im Grenzkataster. Die Beklagte hat den aufgrund der Vermessung im Jahr 2003 festgestellten und im Grenzkataster erfassten Grenzverlauf im Übrigen ohnehin anerkannt.
Mangels erheblicher Rechtsfragen war das Rechtsmittel der Kläger zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass ihre Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 41 und 50 Absatz eins, ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass ihre Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.
Anmerkung
E82886 4Ob211.06tEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2006:0040OB00211.06T.1219.000Dokumentnummer
JJT_20061219_OGH0002_0040OB00211_06T0000_000