TE OGH 2006/12/19 10Ob63/06x

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Veröffentlicht am 19.12.2006
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth A*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Andreas Reiner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Gabriele P*****, Hausfrau, 2. mj Pascal P*****, vertreten durch die Mutter Gabriele P*****, und 3. Liu P*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Alexander Kragora, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Ungültigkeit einer letztwilligen Verfügung (EUR 72.672,83), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 11. Juli 2006, GZ 5 R 151/03w-108, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 15. Mai 2003, GZ 5 Cg 183/98w-79, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Klägerin und die Erstbeklagte sind leibliche Töchter des am 8. 1. 1998 verstorbenen Johann W*****. Die Zweit- und Drittbeklagten sind die Kinder der Erstbeklagten.

Soweit noch verfahrensrelevant, errichtete Johann W***** letztwillige Verfügungen mit nachstehenden wesentlichen Inhalten:

1. "Testament" vom 22. 6. 1993:

„I.)

Ich bin verwitwet und habe drei Kinder und zwar:

a) die eheliche Tochter Elisabeth A*****

b) die außereheliche Tochter Gabriele P*****

c) den außerehelichen Sohn Gottfried H*****.

II.)römisch II.)

Nach meinem Ableben hat die gesetzliche Erbfolge einzutreten.

Hinsichtlich meines Liegenschaftsvermögens bestimme ich nachstehende Teilungsanordnung:

a) Meine Liegenschaft in W*****, R*****, erhält je zur Hälfte Frau Elisabeth A***** und Frau Gabriele P*****

b) meine Liegenschaft L*****gasse erhält zur Hälfte mein Sohn Gottfried H*****

c) meine Liegenschaft in M*****, erhält je zur Hälfte Frau Elisabeth A***** und Frau Gabriele P*****

d) meinen Waldbesitz in N***** erhält zur Gänze meine Tochter Elisabeth A*****.

Meiner Lebensgefährtin Frau Helene H***** vermache ich eine Liegenschaftshälfte an der Liegenschaft in W*****, L*****gasse, als Legat. Sollte meine Lebensgefährtin Frau Helene H***** vor mir versterben, so erhält meine Tochter Frau Gabriele P***** diesen Liegenschaftsanteil.

Hinsichtlich der Liegenschaftsanteile, welche meine Tochter Frau Gabriele P***** erhalten soll, verfüge ich die fideikommissarische Substitution in der Art, dass die Liegenschaftsanteile an die Kinder der Frau Gabriele P***** übergehen bzw ist meine Tochter berechtigt, diese Liegenschaftsanteile zu Lebzeiten an diese Kinder oder an eines der Kinder nach ihrer Wahl, dies auch letztwillig, unter der Bedingung zu übergeben, dass die Übergeberin wohl bestehen kann. ...."

2. "Testament" vom 24. 8. 1994:

„I.)

Als Nachtrag zu meinem Testament vom 22. Juni 1993 halte ich fest, dass mein Sohn Gottfried H***** im 1. Quartal des Jahres 1994 von mir gebundene Wertpapierguthaben in der Höhe von S 950.000,-- bei der Volksbank M*****, reg GenmbH als Vorempfang erhalten hat.

Mein Sohn hat sich diesen Betrag in seinen gesetzlichen Erb- und Pflichtteil einrechnen zu lassen, ohne dass hiedurch die Aufteilung im Testament vom 22. Juni 1993 geändert wird.

..."

3. "Nachtrag zum Testament vom 22. 6. 1993 u. 24. 8. 1994":

„I.)

Mein Testament vom 22. 6. 1993 ändere ich dahingehend, dass der Punkt II.b) nunmehr zu lauten hat:Mein Testament vom 22. 6. 1993 ändere ich dahingehend, dass der Punkt römisch II.b) nunmehr zu lauten hat:

Mein Sohn Gottfried H***** erhält einen 1/3 Liegenschaftsanteil an der Liegenschaft W*****, L*****gasse.

Weiters wird der Punkt II.) des vorgenannten Testaments dahingehend geändert, dass meine Lebensgefährtin Frau Helene H***** 2/3 der Liegenschaft in W*****, L*****gasse, als Legat erhält. Die weiteren Verfügungen hinsichtlich dieses Legates bleiben vollinhaltlich aufrecht.

II.)römisch II.)

Der zweite Absatz des Punktes I.) des Nachtrages vom 24. 8. 1994 wird zur Gänze aufgehoben und hat nunmehr zu lauten:

Mein Sohn Gottfried H***** hat sich den Betrag von S 950.000,-- in seinen gesetzlichen Erb- und Pflichtteil einrechnen zu lassen.

Sämtlichen übrigen Bestimmungen der vorgenannten Testamente bleiben vollinhaltlich aufrecht.

..."

4. "Nachtrag zum Testament vom 22.6.1993" (vom 9. 8. 1996):

„I.)

Den Punkt II.) a.) hebe ich auf und hat dieser zu lauten wie folgt:

a) Meine Liegenschaft in W*****, R*****, erhält zur Gänze Frau Gabriele P*****

Die fideikommissarische Substitution im Sinne der letztwilligen Anordnung vom 22. 6. 1993 zu Gunsten der Kinder von Frau Gabriele P***** erstreckt sich nunmehr auf die gesamte Liegenschaft.

..."

In dem zu 1 A 301/02s des Bezirksgerichts M***** (früher A 11/98a des Bezirksgerichts K*****) anhängigen Verlassenschaftsverfahren gaben hierauf die erblasserische Tochter Elisabeth A***** und der erblasserische Sohn Mag. Gottfried H***** aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 22. 6. 1993 zu einem Drittel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung ab, die mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 12. 3. 1998 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. 3. 1998 zu Gericht angenommen wurden.

Die erblasserische Tochter Gabriele P***** gab aufgrund des Testaments vom 22. 6. 1993 die bedingte Erbserklärung ohne Angabe einer Quote ab, die vom Verlassenschaftsgericht ebenfalls mit dem Beschluss vom 20. 3. 1998 zu Gericht angenommen wurde.

Hinsichtlich der erblasserischen Liegenschaften in W*****, R***** (P*****gasse 31) und L*****gasse 11 (K*****gasse 13), wurde das Teilinventar mit einem Gesamtschätzwert von ATS 43,700.000,-- mit dem Beschluss des Bezirksgerichts J***** vom 6. 5. 1999 zu Gericht angenommen.

Die im Sprengel des Bezirksgerichts M***** gelegenen erblasserischen Liegenschaften (EZ *****, Grundbuch *****, diverse Waldparzellen und die Liegenschaft mit dem Haus M*****, W*****gasse 31) wurden ebenfalls geschätzt und erbrachten Werte von ATS 3,7 Mio, ATS 8,250.000,-- und ATS 94.000,--.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 10. Jänner 2006, 3 R 161/05s, wurde der Klägerin und ihrem Halbbruder Univ. Prof. Mag. Gottfried H***** in (analoger) Anwendung der §§ 125 ff AußStrG aF hinsichtlich der Streitfragen betreffend Gültigkeit und Wirksamkeit bzw Auslegung sämtlicher letztwilliger Verfügungen des Erblassers die Klägerrolle zugewiesen und ihnen aufgetragen, die Klage gegen ihre Halbschwester Gabriele P***** (= Erstbeklagte) einzubringen.Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 10. Jänner 2006, 3 R 161/05s, wurde der Klägerin und ihrem Halbbruder Univ. Prof. Mag. Gottfried H***** in (analoger) Anwendung der Paragraphen 125, ff AußStrG aF hinsichtlich der Streitfragen betreffend Gültigkeit und Wirksamkeit bzw Auslegung sämtlicher letztwilliger Verfügungen des Erblassers die Klägerrolle zugewiesen und ihnen aufgetragen, die Klage gegen ihre Halbschwester Gabriele P***** (= Erstbeklagte) einzubringen.

Die Klägerin begehrt die Feststellung gegenüber den beklagten Parteien, dass die von Johann W***** am 9. 8. 1996 errichtete letztwillige Verfügung ungültig sei, in eventu, dass mit Wirkung zwischen den Parteien diese letztwillige Verfügung aufgehoben werde. Sie begründete ihre Begehren im Wesentlichen damit, dass die letztwillige Verfügung vom 9. 8. 1996 von Johann W***** (wegen seiner Erkrankung an seniler Demenz) im Zustand der Testierunfähigkeit getroffen worden sei, dass diese nichtig sei, weil sie trotz der Sehschwäche und Leseunfähigkeit des Johann W***** nicht in der Testamentsform des § 581 ABGB errichtet worden sei und weil sie zwar vorgelesen, jedoch von Johann W***** aufgrund eines hochgradig herabgesetzten Hörvermögens nicht verstanden worden sei. Weiters sei die Teilungsanordnung unbeachtlich und die letztwillige Verfügung dann ungültig, wenn ein Miterbe, der aufgrund der Teilungsanordnung mehr erhalte als seiner Quote entspreche und den dadurch verkürzten Miterben eine Ausgleichszahlung zu leisten habe, dazu nicht bereit oder nicht in der Lage sei. Schließlich werde die letztwillige Verfügung vom 9. 8. 1996 auch wegen eines wesentlichen Irrtums des Johann W***** angefochten, weil dieser von der Erstbeklagten und deren Ehegatten mit der falschen Behauptung, dass der Ehegatte der Klägerin „schon so viel aus dem Wald herausgenommen" habe, in einen Irrtum geführt worden sei, der zu der angefochtenen letztwilligen Verfügung geführt habe. Überdies sei bei Johann W***** auch ein Irrtum hinsichtlich des Werts der Liegenschaften vorgelegen. Er habe jedem seiner Kinder ein Drittel des Vermögens zuwenden wollen. Hätte er gewusst, dass durch die nachträglichen Teilungsanordnungen vom 24. 8. 1994, 6. 9. 1994 und 9. 8. 1996 angesichts der Werte, um die es gehe, seine gewollte Drittelteilung nicht mehr erreicht werde, hätte er diese Verfügungen nicht getroffen.

Die beklagten Parteien wenden im Wesentlichen ein, dass Johann W***** zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung testierfähig gewesen sei und dass die angefochtene letztwillige Verfügung gültig sei.

Das Verfahren über die von Univ. Prof. Mag. Gottfried H***** gegen 1. Gabriele P*****, 2. Pascal P*****, 3. Liu P***** und 4. Helene H***** eingebrachte Klage (6 Cg 2/01t des Landesgerichtes Leoben) ist bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden, von Elisabeth A***** eingeleiteten Erbrechtsverfahrens (5 Cg 183/98w des Landesgerichtes Leoben) unterbrochen. Univ. Prof. Mag. Gottfried H***** ficht neben der (auch im vorliegenden Verfahren von Elisabeth A***** angefochtenen) letztwilligen Verfügung vom 9. 8. 1996 auch die letztwilligen Verfügungen vom 24. 8. 1994 und vom 6. 9. 1994 an.

Das Erstgericht wies das (auf die letztwillige Verfügung vom 9. 8. 1996 bezogene) Klagebegehren der Elisabeth A***** nach einem umfangreichen Beweisverfahren ab. Es traf zusammengefasst folgende Feststellungen:

Die letztwillige Anordnung vom 9. 8. 1996 (Nachtrag zum Testament vom 22. 6. 1993) wurde in den Räumlichkeiten des Notariats M***** in fremdhändiger Form errichtet, wobei als Testamentszeugen die Mitarbeiter des Notars fungierten. Die letztwillige Anordnung wurde in Maschinschrift festgehalten und sodann sowohl vom Erblasser Johann W***** als auch von den drei Testamentszeugen unterfertigt.

Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war Johann W***** in einem angegriffenen gesundheitlichen Zustand. Insbesondere litt er an einer Sehbehinderung in Form eines beiderseitigen Grauen Stars sowie an fortgeschrittenen Hörbeeinträchtigungen (Innenohrschwerhörigkeit). Eine Verständigung mit ihm war aber, wenn auch schwierig, so doch immerhin möglich. Er war auch noch immer des Lesens und des Schreibens mächtig.

Nicht festgestellt werden kann, dass sich Johann W***** zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 9. 8. 1996

a) in einem Irrtum befand, als ihm seitens der Familie der Beklagten mitgeteilt wurde, der Ehegatte der Klägerin habe Holz aus einem Johann W***** gehörigen Wald gestohlen, was ihn zur Errichtung des Testaments vom 9. 8. 1996 veranlasst haben könnte, und

b) in einem solchen psychischen Zustand befand, dass es ihm aus freiem Willen und mit ausreichender Besonnenheit nicht möglich war, die letztwillige Verfügung zu treffen und das Ausmaß dieser durch die Testamentsänderung bewirkten Vermögensverschiebungen und deren reellen Wert vollumfänglich zu erkennen.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass der Wille des Johann W***** im Testament vom 9. 8. 1996 zweifellos bestimmt erklärt worden sei. Das Vorliegen von Zwang und Betrug sei im Verfahren eigentlich nie behauptet und noch viel weniger nachgewiesen worden. Auch ein wesentlicher Irrtum, wie ihn § 565 ABGB anspreche, sei nicht erweislich. Weiters müssten der Zustand der vollen Besonnenheit und die Erklärungsabgabe mit Überlegung und Ernst bejaht werden, da der Beweis des Gegenteils nicht erbracht worden sei. Aufgrund des § 565 ABGB sei daher vorderhand von der vollen Rechtsgültigkeit der letztwilligen Verfügung vom 9. 8. 1996 auszugehen. Das Testament vom 9. 8. 1996 sei weder wegen eines wesentlichen Irrtums des Erblassers noch wegen seiner Testierunfähigkeit ungültig. Es halte auch jeglicher Anfechtung wegen seiner durch die Seh- und Hörschwäche des Testators begründeten angeblichen Formungültigkeit Stand.

Das Berufungsgericht gab der auf die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen und mangelhaften Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung (im Ergebnis) nicht Folge. Jedenfalls dann, wenn sich sämtliche auf den Rechtsweg verwiesene „gesetzliche Miterben" dazu entschlossen hätten, den Erbrechtstitel desselben Testamentserben zu bekämpfen, seien diese Miterben kraft Beschaffenheit des geltend gemachten Anspruchs als notwendige Streitgenossen zur gemeinsamen Klagsführung verpflichtet. Ziel des Erbrechtsstreits sei es, zumindest für die Zwecke des Verlassenschaftsverfahrens zu klären, wer Erbe sei und wem daher wie einzuantworten sei. Das Gesetz (§§ 125 ff AußStrG aF) gehe bei widersprechenden Erbserklärungen erkennbar davon aus, dass in einem einzigen Prozess geklärt werden soll, mit wem die Verlassenschaftsabhandlung fortgesetzt werde. Mit dieser Absicht stehe es in unlösbarem Widerspruch, dass zum Beispiel mehrere den Rechtsweg beschreitende gesetzliche Erben als Kläger je eigener Erbrechtsklagen gegen denselben Testamentserben auftreten dürften. Alle Kläger verfolgten dann zwar dasselbe Rechtsschutzziel (Beseitigung des Erbrechtstitels des Beklagten), doch wären unterschiedliche Verfahrensergebnisse möglich, sodass letztlich nicht feststünde, wer als (einziger) Sieger im Erbrechtsstreit weiterhin am Verlassenschaftsverfahren teilzunehmen berechtigt sei. Hätten sich daher mehrere aus demselben Berufungsgrund erbserklärte Erben entschlossen, gegen den-/dieselben Beklagten einen Erbrechtsstreit zu führen, bildeten sie eine notwendige Streitgenossenschaft. Diese vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 14/06x vertretene Auffassung sei auch auf die vorliegende Konstellation anzuwenden, wo es um die Anfechtung einer Teilungsanordnung gehe, weil ja auch das Erfordernis der Klägerrollenzuteilung in analoger Anwendung der §§ 125 ff AußStrG aF für diesen Fall bejaht worden sei. Im Hinblick auf die notwendige Streitgenossenschaft sei daher Elisabeth A***** in Bezug auf die angefochtene letztwillige Verfügung vom 9. 8. 1996 nicht (allein) aktiv legitimiert. Da die Beklagten Tatsachen vorgebracht hätten, aus denen sich in rechtlicher Hinsicht der Mangel der Sachlegitimation ergebe, habe das Berufungsgericht diese Rechtsfrage von Amts wegen im Berufungsverfahren aufgreifen dürfen. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung sei die Klage nicht zurück-, sondern abzuweisen, was bereits vor dem Erstgericht, wenn auch aus anderen Erwägungen, erfolgt sei. Da eine Verbesserung des Mangels ausgeschlossen erscheine und die Partei kein bisher nicht erstattetes Vorbringen nachtragen könnten, sei eine Erörterung der Thematik mit den Parteien nicht erforderlich.Das Berufungsgericht gab der auf die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen und mangelhaften Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung (im Ergebnis) nicht Folge. Jedenfalls dann, wenn sich sämtliche auf den Rechtsweg verwiesene „gesetzliche Miterben" dazu entschlossen hätten, den Erbrechtstitel desselben Testamentserben zu bekämpfen, seien diese Miterben kraft Beschaffenheit des geltend gemachten Anspruchs als notwendige Streitgenossen zur gemeinsamen Klagsführung verpflichtet. Ziel des Erbrechtsstreits sei es, zumindest für die Zwecke des Verlassenschaftsverfahrens zu klären, wer Erbe sei und wem daher wie einzuantworten sei. Das Gesetz (Paragraphen 125, ff AußStrG aF) gehe bei widersprechenden Erbserklärungen erkennbar davon aus, dass in einem einzigen Prozess geklärt werden soll, mit wem die Verlassenschaftsabhandlung fortgesetzt werde. Mit dieser Absicht stehe es in unlösbarem Widerspruch, dass zum Beispiel mehrere den Rechtsweg beschreitende gesetzliche Erben als Kläger je eigener Erbrechtsklagen gegen denselben Testamentserben auftreten dürften. Alle Kläger verfolgten dann zwar dasselbe Rechtsschutzziel (Beseitigung des Erbrechtstitels des Beklagten), doch wären unterschiedliche Verfahrensergebnisse möglich, sodass letztlich nicht feststünde, wer als (einziger) Sieger im Erbrechtsstreit weiterhin am Verlassenschaftsverfahren teilzunehmen berechtigt sei. Hätten sich daher mehrere aus demselben Berufungsgrund erbserklärte Erben entschlossen, gegen den-/dieselben Beklagten einen Erbrechtsstreit zu führen, bildeten sie eine notwendige Streitgenossenschaft. Diese vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 14/06x vertretene Auffassung sei auch auf die vorliegende Konstellation anzuwenden, wo es um die Anfechtung einer Teilungsanordnung gehe, weil ja auch das Erfordernis der Klägerrollenzuteilung in analoger Anwendung der Paragraphen 125, ff AußStrG aF für diesen Fall bejaht worden sei. Im Hinblick auf die notwendige Streitgenossenschaft sei daher Elisabeth A***** in Bezug auf die angefochtene letztwillige Verfügung vom 9. 8. 1996 nicht (allein) aktiv legitimiert. Da die Beklagten Tatsachen vorgebracht hätten, aus denen sich in rechtlicher Hinsicht der Mangel der Sachlegitimation ergebe, habe das Berufungsgericht diese Rechtsfrage von Amts wegen im Berufungsverfahren aufgreifen dürfen. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung sei die Klage nicht zurück-, sondern abzuweisen, was bereits vor dem Erstgericht, wenn auch aus anderen Erwägungen, erfolgt sei. Da eine Verbesserung des Mangels ausgeschlossen erscheine und die Partei kein bisher nicht erstattetes Vorbringen nachtragen könnten, sei eine Erörterung der Thematik mit den Parteien nicht erforderlich.

Die Bewertung mit über EUR 20.000,-- sei durch den Wert des Verlasses gerechtfertigt.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil ein sich mit Vorentscheidungen auseinandersetzendes, richtungsweisendes Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vorliege und die hier anzuwendenden Regeln des AußStrG aF über die Verteilung der Klägerrolle und die Erbrechtsklage nur mehr einen beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich hätten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig und auch im Sinne einer Aufhebung der Berufungsentscheidung berechtigt.

1. Zur Revision wegen Nichtigkeit:

Die Klägerin sieht eine Nichtigkeit des Berufungsurteils in dem Umstand, dass das Verlassenschaftsgericht mit seinem rechtskräftigen Beschluss vom 5. 5. 2006 mit dem Verlassenschaftsverfahren infolge der Erhebung der Erbrechtsklagen zu 5 Cg 183/98w des LG Leoben (Erbrechtsklage von Elisabeth A*****) und 6 Cg 2/01t des LG Leoben (Erbrechtsklage von Univ. Prof. Mag. Gottfried H*****) innegehalten habe, weil es die beiden Klagen als geeignet angesehen habe, eine Lösung des Erbrechtsstreits zwischen den Kindern des Erblassers herbeizuführen; demgegenüber sei das Berufungsgericht zum Schluss gekommen, dass die getrennt eingebrachten Klagen doch nicht ausreichend seien, womit es sich zu Unrecht über die Beurteilung des Verlassenschaftsgerichts hinweggesetzt habe.

Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor, weil es sich bei einem Innehaltungsbeschluss nicht um eine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung handelt, wird doch damit nicht sachlich über ein Rechtsschutzbegehren abgesprochen (vgl RIS-Justiz RS0041557). Der Beschluss kann daher auch keine Bindungswirkung auf die Entscheidung im Erbrechtsstreit entfalten.Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor, weil es sich bei einem Innehaltungsbeschluss nicht um eine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung handelt, wird doch damit nicht sachlich über ein Rechtsschutzbegehren abgesprochen vergleiche RIS-Justiz RS0041557). Der Beschluss kann daher auch keine Bindungswirkung auf die Entscheidung im Erbrechtsstreit entfalten.

2. Zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

2.1. Die Revisionswerberin wendet sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass sie und ihr Halbbruder Univ. Prof. Mag. H***** hinsichtlich der Anfechtung der letztwilligen Verfügungen des Erblassers eine einheitliche Streitpartei bilden würden. Vielmehr würden die beiden Erbrechtsklagen unterschiedliche Rechtsschutzziele verfolgen. Von Univ. Prof. Mag. H***** werde beispielsweise nicht nur die letztwillige Verfügung vom 9. 8. 1996 angefochten, sondern es seien auch die Verfügungen vom 24. 8. 1994 und vom 6. 9. 1994 von der Erbrechtsklage erfasst. Außerdem richte sich die Klage von Univ. Prof. Mag. H***** gegen eine weitere Beklagte, nämlich Helene H*****. Schließlich seien die möglichen Prozessergebnisse in den Erbrechtsstreiten miteinander vereinbar; die Entscheidungen in den beiden Verfahren würden nicht voneinander abhängen.

2.2. Eine einheitliche Streitpartei bzw gebundene Streitgenossenschaft liegt dann vor, wenn das Urteil über den geltend gemachten Anspruch für oder gegen alle Streitgenossen gleich lauten muss (§ 14 ZPO). Einen Unterfall der einheitlichen Streitpartei bildet die notwendige (anspruchsgebundene) Streitgenossenschaft, bei der der geltend gemachte Anspruch so gestaltet ist, dass er nur durch oder gegen alle Streitgenossen gemeinsam durchgesetzt werden kann. Gründe hiefür können die völlige Identität und Untrennbarkeit des Streitgegenstands (zB Ehenichtigkeitsklage des Staatsanwalts gegen beide Ehegatten), die gemeinsame Verfügungsbefugnis über den Anspruch (zB aktive Gesamthandprozesse) oder die Gemeinschaftlichkeit des Rechtsverhältnisses sein, das naturnotwendig nur für oder gegen alle einheitlich festgestellt werden kann (zB mehrere Miteigentümer als Bestandgeber bei Streitigkeiten über das Bestehen eines Bestandvertrags). Klagen aus oder wegen derartiger Rechte oder Rechtsverhältnisse können nur dann Erfolg haben, wenn alle gemeinsam Berechtigten oder Verpflichteten entweder auf Kläger- oder Beklagtenseite vertreten sind; andernfalls ist die Klage mangels Sachlegitimation abzuweisen (Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht6 Rz 201; Schubert in Fasching/Konecny2 II/1 §14 ZPO Rz 1 f mwN).

2.3. Nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0035504) bilden sämtliche Miterben im Rahmen einer auf demselben Berufungsgrund beruhenden Erbengemeinschaft im Erbrechtsstreit eine einheitliche Streitpartei, mag es sich um eine Erbengruppe auf der Klägerseite (8 Ob 579/89 = NZ 1990, 258) oder auf der Beklagtenseite handeln (4 Ob 553/91 = EvBl 1992/6); für sie ebenso wie gegen sie kann die Unwirksamkeit des gemeinsamen Berufungsgrundes nämlich nur einheitlich festgestellt werden.

In der Entscheidung 4 Ob 14/06x (Zak 2006, 278) wurde zuletzt offen gelassen, ob immer alle aus demselben Berufungsgrund erbserklärten Miterben, denen die Klägerrolle für den Erbrechtsstreit gegen einen Konkurrenten zugewiesen wurde, dort eine notwendige Streitgenossenschaft bilden. Zumindest jene, die sich entschlossen haben, nicht untätig zu bleiben und den Erbrechtsstreit zu führen, sind aber notwendige Streitgenossen und können deshalb nur gemeinsam klagen; Einzelklagen sind abzuweisen.

2.4. Das Berufungsgericht hat diese Rechtsansicht auch auf den vorliegenden Fall übertragen: Jedenfalls dann, wenn sich sämtliche auf den Rechtsweg verwiesene „gesetzliche Miterben" dazu entschlossen hätten, den Erbrechtstitel desselben Testamentserben zu bekämpfen, seien diese Miterben als notwendige Streitgenossen zur gemeinsamen Klagsführung verpflichtet.

2.5. Dabei werden vom Berufungsgericht jedoch entscheidende Punkte außer Acht gelassen:

2.5.1. Johann W***** hat ein Testament vom 22. 6. 1993 errichtet, das alle an den beiden Erbrechtsverfahren Beteiligten (die Lebensgefährtin, die drei Kinder und zwei Enkelkinder) begünstigt. Die Nachträge ändern (nur) bestimmte einzelne „Zuteilungen"; davon sind jeweils nur einzelne Erben betroffen. Schon die unterschiedliche Betroffenheit spricht dagegen, dass alle Erben in einen Erbrechtsprozess integriert werden müssten, der alle vier relevanten Verfügungen umfasst, also auch solche, von denen einzelne Verfahrensbeteiligte gar nicht betroffen sind. Der Wunsch nach Entscheidungsharmonie allein vermag nicht zu rechtfertigen, dass alle diese Personen zwingend (bei sonstiger Klagsabweisung) wegen der Gültigkeit, des Inhalts etc aller Verfügungen prozessieren müssen.

Das „Hineinzwingen" aller Beteiligten in eine notwendige Streitgenossenschaft soll die Ausnahme bilden, nämlich für den Fall, dass ansonsten die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen zu besorgen wäre (Schubert in Fasching/Konecny2 II/1 § 14 ZPO Rz 2 mwN). Besteht trotz Gemeinsamkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts keine rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Fall einheitlichen Entscheidung, liegt keine einheitliche Streitpartei vor (1 Ob 3/79 = SZ 52/35; 7 Ob 20/06a). Zu beachten ist, dass auch keine gesetzliche Anordnung besteht, dass Erbrechtsklagen gesetzlicher Erben gegen Testamentserben notwendig gegen sämtliche Testamentserben geltend zu machen wären (4 Ob 14/06x = Zak 2006, 278).

2.5.2. Einen „unlösbaren Widerspruch" sieht die Entscheidung 4 Ob 14/06x dann, wenn man es zuließe, dass mehrere den Rechtsweg beschreitende gesetzliche Erben als Kläger je eigener Erbrechtsklagen gegen denselben Testamentserben (der sich auf einen bestimmten Titel beruft) auftreten.

Eine solche Konstellation ist aber im vorliegenden Fall nicht gegeben, weshalb sich eine lineare Übertragung der dort geäußerten Gedanken verbietet.

2.5.3. Trotz Überschneidungen sind in den beiden von Univ. Prof. Mag. H***** und Elisabeth A***** angestrengten Erbrechtsprozessen nicht dieselben Personen geklagt. Diese Personenverschiedenheit auf Beklagtenseite hängt (auch) damit zusammen, dass es um die Auslegung und Gültigkeit des Testaments vom 22. 6. 1993 unter Einbeziehung dreier Nachträge, also inhaltlich verschiedener letztwilliger Verfügungen geht. Auch wenn der Berufungsgrund immer „Testament" lautet, sind damit verschiedene letztwillige Verfügungen gemeint.

2.5.4. Vergleicht man die Begehren der beiden Klagen, geht das Begehren des Klägers Mag. H***** konsequenterweise über das der Klägerin Elisabeth A***** hinaus. Nur die einander überschneidenden Teile könnten durch eine beide Kläger betreffende einheitliche Entscheidung erledigt werden. Hinsichtlich des Mehrbegehrens des Univ. Prof. Mag. H*****, das keine Auswirkungen auf die Rechtssituation von Elisabeth A***** hat, bedürfte es jedenfalls einer darüber hinausgehenden (Teil-)Entscheidung, weshalb im vorliegenden Fall über die Erbrechtsansprüche der Testamentserben zwangsläufig verschiedene Entscheidungen ergehen müssen. Werden die Verfahren parallel geführt, können im überschneidenden Bereich zweifellos „unlösbare Verwicklungen" auftreten; dem steht aber entgegen, dass es - wie schon erwähnt - für einen Erben keinen Zwang gibt, sich an einem Erbrechtsverfahren zu beteiligen, durch das die eigene Rechtsstellung gar nicht berührt wird (hier: Frage der Gültigkeit eines Testamentsnachtrags, von dem ein Erbe nicht betroffen ist). Daraus folgt, dass die beiden Erbrechtskläger im vorliegenden Fall keine einheitliche Streitpartei bilden.

2.6. Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht hat das Berufungsgericht zu Unrecht die inhaltliche Behandlung der Berufung unterlassen; dies ist im fortgesetzten Verfahren nachzuholen.

In diesem Sinn ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E82740

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2006:0100OB00063.06X.1219.000

Im RIS seit

18.01.2007

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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