TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/25 2006/18/0197

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Veröffentlicht am 25.09.2007
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StGB §129;
StGB §130;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des I L in L, geboren 1982, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Februar 2006, Zl. St 235/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Februar 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Trinidad und Tobago, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 63 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Oktober 1990 nach Österreich eingereist und seither hier niedergelassen.

Am 29. Jänner 2001 sei der Beschwerdeführer wegen §§ 127, 129 Z. 1 und Z. 2, 130, 15, 125, 126 Abs. 1 Z. 5 und Z. 7 und 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer zwischen September 1997 und Sommer 1998 in insgesamt neun Fällen gewerbsmäßig Diebstähle, vorwiegend durch Einbruch, begangen bzw. versucht habe. Am 17. und 18. Februar 1998 habe er gemeinsam mit anderen mehrere Wandschränke mit den Füßen eingetreten und den Inhalt mehrerer Feuerlöscher in Betriebsräumlichkeiten eines Unternehmens versprüht. Dadurch habe er fremde Sachen, nämlich Wandschränke, Feuerlöscher, den Fußboden und umliegende Gegenstände vorsätzlich beschädigt, wodurch ein Schaden von insgesamt S 26.000,-- entstanden sei. Am 30. Juni 1999 habe er eine Person durch Versetzen eines Kopfstoßes, am 23. Oktober 1999 zwei Personen durch Versetzen von Faustschlägen und am 29. September 2000 eine Person durch Versetzen eines Stoßes gegen den Brustkorb und Faustschläge gegen Gesicht und Nase sowie Fußtritte gegen den Körper vorsätzlich am Körper verletzt.

Am 2. Juni 2004 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer eine Person durch einen Kopfstoß und eine andere Person durch einen Faustschlag ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt habe.

Am 11. August 2004 sei der Beschwerdeführer wegen §§ 15 und 269 StGB unter Bedachtnahme auf das vorgenannte Urteil zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 6. Februar 2004 einen Sicherheitswachebeamten mit Gewalt an der Festnahme zu hindern versucht habe, indem er mit Händen und Füßen heftig herumgeschlagen habe.

Am 6. April 2005 sei der Beschwerdeführer wegen §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 und Abs. 2 sowie 272 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 27. Juni 2004 in verabredeter Verbindung mit unbekannten Mittätern einer anderen Person einen Schlag gegen den Rücken versetzt habe, wodurch diese zu Sturz gekommen sei. In der Folge seien dem Opfer zahlreiche Schläge sowie Fußtritte gegen den Körper versetzt worden, wodurch Schürfwunden, eine starke Prellung und Druckschmerzen im Bereich der linken Schläfe verursacht worden seien. Am selben Tag habe er gemeinsam mit Mittätern einer anderen Person einen Tritt gegen den Rücken versetzt, wodurch diese kopfüber in eine Hecke gefallen sei. In der Folge seien dem Opfer zahlreiche Faustschläge und Fußtritte gegen Kopf, Oberkörper und Beine versetzt worden. Dadurch seien schwere Verletzungen, nämlich ein Kammbeinbruch der linken Hand, eine Schädelprellung, eine Prellung der Nase, Abschürfungen im Bereich der Stirn sowie ein Bluterguss im Bereich des Schlüsselbeins eingetreten.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, seine Handlungen zutiefst zu bereuen. Er würde sich nunmehr in einer Alkohol- und Aggressionstherapie befinden. Weiters wäre er bemüht, den Opfern Schmerzensgeld zu bezahlen. Er würde einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen und dabei etwa EUR 1.200,-- je Monat verdienen. Er hätte sein Leben nunmehr komplett umgestellt und würde mit seiner Mutter und seinen Geschwistern zusammen leben. Weiters würde er durch den Verein "ISI" unterstützt. Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer die Einvernahme seines Betreuers beantragt.

Auf Grund der viermaligen Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei im Grund des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten, weil sich der Beschwerdeführer während seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet über einen mehrjährigen Zeitraum strafbar gemacht habe. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass eine gerichtliche Verurteilung nicht ausgereicht habe, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Besonders schwer zu gewichten sei, dass der Beschwerdeführer auch einen Widerstand gegen die Staatsgewalt begangen habe. Zusammenfassend müsse ausgeführt werden, dass sich der Beschwerdeführer im Zeitraum von September 1997 bis in das Jahr 2004 ständig strafbar gemacht habe.

Aus den angeführten Gründen sei auch von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG Gebrauch zu machen gewesen, weil eine Abstandnahme (von der Erlassung des Aufenthaltsverbots) die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigen würde.

Dem Beschwerdeführer sei eine der Dauer seines Aufenthalts entsprechende Integration zuzubilligen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer berufstätig sei und mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Österreich lebe. Unter Abwägung aller angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt zu erstellende negative Verhaltensprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Grund des § 66 Abs. 2 FPG zulässig.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Hinblick auf die unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers ist die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG sei erfüllt, unbedenklich.

2. Der Beschwerdeführer hat zunächst zwischen September 1997 und Sommer 1998 nicht weniger als neun Diebstähle, vorwiegend durch Einbruch begangen oder zu begehen versucht. Dabei ging er gewerbsmäßig vor, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (siehe § 70 StGB). Im Februar 1998 hat er durch Eintreten von Wandschränken und Verspritzen des Inhalts von Feuerlöschern in einem Firmengebäude vorsätzlich einen großen Schaden herbeigeführt. Am 30. Juni 1999, 23. Oktober 1999 und 29. September 2000 hat er andere Personen durch Kopfstöße, Faustschläge und Fußtritte vorsätzlich am Körper verletzt. Aus der beim Akt erliegenden Ausfertigung des diesbezüglichen Strafurteils ergibt sich, dass die verletzten Personen dem Beschwerdeführer jeweils völlig unbekannt waren und der Beschwerdeführer ohne jeden Anlass gegen diese Personen vorgegangen ist.

Trotz der deswegen am 29. Jänner 2001 erfolgten rechtskräftigen Verurteilung ist der Beschwerdeführer weiterhin mehrfach in ähnlicher Weise straffällig geworden. Am 1. Februar 2004 hat er neuerlich zwei Personen durch einen Kopfstoß bzw. einen Faustschlag ins Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt. Am 6. Februar 2004 hat er einen Sicherheitswachebeamten durch Herumschlagen mit Händen und Füßen an der Durchführung einer Amtshandlung zu hindern versucht. Auf Grund dieser Straftaten erfolgten am 2. Juni 2004 und am 11. August 2004 weitere rechtskräftige Verurteilungen des Beschwerdeführers. Schon wenige Tage nach der Verurteilung vom 2. Juni 2004 ist der Beschwerdeführer massiv rückfällig geworden und hat neuerlich Personen vorsätzlich am Körper verletzt. Dabei hat er sein strafbares Verhalten insofern gesteigert, als die Opfer zunächst durch einen Schlag bzw. einen Tritt gegen den Rücken zu Fall gebracht und ihnen dann Schläge und Fußtritte versetzt worden sind, wobei einem Opfer sogar eine schwere Verletzung zugefügt worden ist.

Aus diesem gesamten Fehlverhalten ergibt sich deutlich, dass vom Beschwerdeführer eine gravierende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentums- und insbesondere der Gewaltkriminalität ausgeht. Im Hinblick auf die über einen längeren Zeitraum verteilten und trotz rechtskräftiger Verurteilungen wiederholten Straftaten ist der seit der letzten Straftat vergangene Zeitraum von etwas weniger als zwei Jahren auch unter Berücksichtigung der nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers durchgeführten Alkohol- und Gewalttherapie zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen schließen zu können. Dafür spricht auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer nach der Straftat vom 29. September 2000 zunächst etwa drei Jahre und vier Monate wohlverhalten hat, um dann massiv rückfällig zu werden.

Im Hinblick darauf macht der Beschwerdeführer mit der Rüge, die belangte Behörde hätte sich mit seinem Vorbringen betreffend die erfolgreiche Alkohol- und Gewalttherapie auseinander setzen und den dazu beantragten Zeugen einvernehmen müssen, keinen relevanten Verfahrensmangel geltend. Soweit der Beschwerdeführer die Unterlassung der von ihm beantragten Berufungsverhandlung rügt, tut er nicht dar, welche konkreten Umstände bei Durchführung einer Verhandlung hervorgekommen wären.

Soweit der Beschwerdeführer die vom Gericht gewährte bedingte Strafnachsicht ins Treffen führt, ist ihm zu entgegnen, dass die Fremdenpolizeibehörde die Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbots unabhängig von den die bedingte Nachsicht der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichts und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenpolizeirechts zu beurteilen hat, wobei sich schon aus § 60 Abs. 2 Z. 1 dritter Fall FPG ergibt, dass auch eine bedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0376).

Aus all diesen Gründen ist die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers den mehr als 15-jährigen inländischen Aufenthalt seit dem neunten Lebensjahr des Beschwerdeführers, den inländischen Aufenthalt der Mutter und der Geschwister sowie die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt. Die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration wird in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die häufigen Straftaten des Beschwerdeführers erheblich gemindert. Beim Vorbringen, der Beschwerdeführer arbeite seit etwa eineinhalb Jahren ehrenamtlich als Betreuer in einem Jugendzentrum, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Den dennoch sehr gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die von den Straftaten des Beschwerdeführers ausgehende massive Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig erkannt werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des vorgebrachten Umstandes, dass der Beschwerdeführer keine Bezugspunkte in seinem Heimatland habe. Im Übrigen wird mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht darüber abgesprochen, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0476).

4. Die Verurteilung des Beschwerdeführers vom 29. Jänner 2001 erfolgte u.a. wegen der Verbrechen des Einbruchsdiebstahls gemäß § 129 StGB und des gewerbsmäßigen Diebstahls gemäß § 130 leg. cit. Da sohin eine Verurteilung im Sinn von § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG vorliegt, würde eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des der Behörde gemäß § 60 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen (vgl. etwa das - zur Erlassung eines Rückkehrverbots ergangene, aber auch hier maßgebliche - hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0241). Das einen Ermessensfehler der belangten Behörde geltend machende Vorbringen geht daher ins Leere.

5. Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180197.X00

Im RIS seit

29.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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