TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/25 2003/06/0029

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Veröffentlicht am 25.09.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §41 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §41 Abs2;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §42;
AVG §8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des E L in T, vertreten durch Dr. Maria Th. Unterlercher, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Schmiedgasse 7, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. Dezember 2002, Zl. Ve1-550-3132/1-1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. M G in T, vertreten durch Dr. Reinhold Wolf, Mag. Gerhard Mader, Dr. Christian Tschiderer, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 6600 Reutte, Claudiastraße 8, 2. Gemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der am 2. September 2002 bei der Behörde eingelangten Eingabe hat der Erstmitbeteiligte um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Neubau eines Wohnhauses mit landwirtschaftlichem Wirtschaftsgebäude angesucht. Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Verhandlung für den 16. September 2002 anberaumt, zu der auch der Beschwerdeführer als Anrainer geladen wurde. In dieser Ladung vom 3. September 2002 heißt es u.a.: "Gemäß § 42 AVG. finden Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung und werden die Beteiligten dem Parteienantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, als zustimmend angesehen werden. Nachbarn und sonstige Beteiligte, die etwas vorzubringen haben, werden eingeladen, bei der Verhandlung zu erscheinen."

Der Verhandlungsschrift zufolge brachte der Beschwerdeführer während der Verhandlung vor, dass der allgemeine Bebauungsplan und der ergänzende Bebauungsplan geändert worden seien und kein Bescheid der Landesregierung vorliege. Die Höhenlage des Gebäudes im Grenzbereich zur BB 548 sei im Lageplan zu überprüfen und einzutragen.

Mit Eingabe vom 16. September 2002, eingelangt bei der Behörde am selben Tag, führte der Beschwerdeführer aus, es seien vom Bausachverständigen nicht alle seine Einwendungen aufgenommen worden. Zum Teil seien diese als unbegründet einfach abgewiesen worden. Er erhob in der Folge eine Reihe von Einwendungen, u. a. dass das geplante Gebäude zu hoch sei, im Abstandsbereich unzulässige Fenster und Öffnungen vorhanden seien, im Abstandsbereich Räumlichkeiten, die der Tierhaltung, Tierzucht und Fütterung dienten, nicht zulässig seien und der Brandschutz nicht gewährleistet sei.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2002 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Bewilligung unter Vorschreibung von Nebenstimmungen erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen die Einwendungen, die er mit Schreiben vom 16. September 2002 erhoben hatte, wiederholte.

Mit Bescheid vom 15. November 2002, ohne Zahl, hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorbringen, das der Beschwerdeführer während der mündlichen Verhandlung erstattet habe, nämlich dass der allgemeine und ergänzende Bebauungsplan geändert worden seien und kein Bescheid der Landesregierung vorliege sowie dass die Höhenlage des Gebäudes im Lageplan zu überprüfen und einzutragen sei, stelle in keinerlei Hinsicht die Behauptung einer Rechtwidrigkeit dar. Es sei daher davon auszugehen, dass Präklusion im Sinne des § 42 AVG eingetreten sei.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde im Wesentlichen ausgeführt, die mündliche Bauverhandlung am 16. September 2002 sei gemäß den Vorschriften der §§ 40 bis 44 AVG 1991 durchgeführt worden. Insbesondere sei der Beschwerdeführer nachweislich rechtzeitig zu dieser Bauverhandlung geladen und in der Anberaumung dieser Verhandlung sei auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG 1991 hingewiesen worden. Die Verhandlungsschrift sei dem Beschwerdeführer nach Beendigung der Bauverhandlung vorgelegt worden und dieser habe die Niederschrift durch Beisetzung seiner eigenhändigen Unterschrift bestätigt. Somit liefere die Verhandlungsschrift den vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der Bauverhandlung. Der Beschwerdeführer hätte, als ihm die Verhandlungsschrift zur Unterfertigung vorgelegt wurde, deren Unvollständigkeit bzw. Unrichtigkeit behaupten müssen. Die Baubehörden seien daher zu Recht davon ausgegangen, dass sie nur über jene Einwendungen abzusprechen hatten, die der Beschwerdeführer während der Bauverhandlung am 16. September 2002 vorbrachte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg.Nr. 10.317/A uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 insoweit die Parteistellung behalten hat.

In der Ladung zur Verhandlung vom 16. September 2002 wurde nicht auf die Folgen des Verlustes der Parteistellung nach § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 hingewiesen. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt, (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. November 2002, Zl. 2000/05/0247) ausgesprochen hat, kann ein Verlust der Parteistellung nach § 42 AVG nF dann nicht eintreten, wenn in der Verständigung (Ladung, Kundmachung über die Anberaumung der Verhandlung) - entgegen § 41 Abs. 2 zweiter Satz AVG - nicht auf diese im § 42 AVG (nF) vorgesehenen Rechtsfolgen verwiesen wird. Da dies im Beschwerdefall nicht erfolgte, sondern die in der Ladung enthaltene Belehrung jener der früheren Fassung des AVG entspricht, hat der Beschwerdeführer seine Parteistellung im Bauverfahren nicht verloren. Die von den Baubehörden und der belangten Behörde angenommene Präklusion ist daher nicht eingetreten. Eine - von der Parteistellung losgelöste - Präklusion im Sinne der früheren Fassung des § 42 ist nämlich im § 42 AVG (nF) nicht vorgesehen, sie konnte daher auch nicht durch den - nicht der maßgeblichen Rechtslage entsprechenden - Hinweis in der Ladung vom 3. September 2002 für die Verhandlung am 16. September 2002 herbeigeführt werden.

Entgegen der Annahme der belangte Behörde hat die Berufungsbehörde die Berufung des Beschwerdeführers nicht abgewiesen, sondern als unzulässig zurückgewiesen, da ihrer Ansicht nach keine Einwendung im Rechtssinn vorlag und das Vorbringen im Schriftsatz vom 16. September 2002, der offensichtlich nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei der Behörde eingelangt ist, nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht mehr zu berücksichtigen war. Die Berufungsbehörde hat sich daher zu Unrecht mit den nach der Bauverhandlung noch im erstinstanzlichen Verfahren und auch in der Berufung wiederholten Einwendungen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2006, Zl. 2003/06/0203).

Da die belangte Behörde verkannt hatte, dass die Berufungsbehörde zu Unrecht vom Verlust der Parteistellung des Beschwerdeführers bzw. Präklusion ausgegangen war, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. September 2007

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Verfahrensrecht AVGAllgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003060029.X00

Im RIS seit

23.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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