Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Gugerbauer & Partner, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. September 2006, GZ 5 R 116/06z-8, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 12. Mai 2006, GZ 17 Cg 19/06k-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind Fachverlage unter anderem auch für Steuerrecht. Die Beklagte vertreibt das in Buchform und auf CD erschienene Werk „F*****, Steuerrecht" mit der Behauptung, es gebe den Stand der Vorschriften zum 15. 2. 2006 wieder. Diese Behauptung ist insofern unrichtig, als die Verordnungen vom 3. 2. 2006, BGBl II 2006/44 (Änderung der VO § 109a EStG-Mitteilungen) und vom 8. 2. 2006, BGBl II 2006/51 (Änderung der DBA-Entlastungs-VO) nicht enthalten sind, obwohl sie vor dem 15. 2. 2006 wirksam wurden. Weiters fehlt ein Hinweis auf die Kundmachung der Aufhebung des § 12a NoVAG durch den Verfassungsgerichtshof; sein Erkenntnis wurde am 26. 1. 2006 durch BGBl I 2006/16 kundgemacht. Die CD-ROM sollte - ihrem Vorwort entsprechend - zusätzlich die elektronische Fassung der sogenannten Steuerrichtlinien des BMF enthalten. Tatsächlich fehlten die Wartungserlässe vom 2. 1. 2006 zu den EstR und KStR, zum VereinsR und zum StiftungsR.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Anspruchs auf Unterlassung irreführender Angaben beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Verlagsprodukten - etwa bei einer Gesetzessammlung - einen bestimmten Stand der Bearbeitung anzugeben, wenn nicht tatsächlich alle in diesem Verlagsprodukt enthaltenen Vorschriften mit dem angegebenen Stand wiedergegeben werden, insbesondere beim „Gesetzbuch Steuerrecht", 4. Auflage, als Stand wahrheitswidrig den 15. 2. 2006 anzugeben, obwohl nicht die an diesem Tag maßgebliche Rechtslage wiedergegeben wird. Die Beklagte fördere durch Vortäuschen eines unrichtigen Aktualitätsstands ihren eigenen Wettbewerb und verstoße gegen § 2 UWG.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Nur zehn Zeilen aus insgesamt 935 Seiten ihres Werks entsprächen nicht dem angegebenen Aktualitätsstand. Das Fehlen der beiden Verordnungen sei auf ein redaktionelles Versehen zurückzuführen. Die Aufhebung einiger Wortfolgen des NoVAG 1991 werde erst mit Ablauf des 31. 12. 2006 wirksam, insofern sei der Hinweis auf den Aktualitätsstand 15. 2. 2006 korrekt. Als „Gesetzbuch" Steuerrecht enthalte das Werk keine Erlässe somit auch nicht die Wartungserlässe des BMF. Im Übrigen liege die für einen Wettbewerbsverstoß voraussetzende spürbare Nachfrageverlagerung nicht vor, weil die Angabe des Aktualitätsstandes keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung habe. Die Beklagte habe nach Bekanntwerden ihres Fehlers auch umgehend reagiert und ein vom Herausgeber erstelltes Korrekturblatt jedem verkauften Exemplar beigelegt.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Als Voraussetzung eines Wettbewerbsverstoßes gegen § 2 UWG müsse das beanstandete Verhalten geeignet sein, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung hervorzurufen. Dies sei hier nicht der Fall. Wenngleich bei Werken des schnelllebigen Steuerrechts eine besondere Aktualität nachgefragt werde, so ließen die konkreten Umstände dennoch keine nennenswerte Nachfrageverschiebung erwarten. Die Klägerin habe auch nicht behauptet, dass etwa gleichzeitig mit dem Werk der Beklagten ein Konkurrenzprodukt auf dem Markt erschienen wäre, dessen Verkauf durch die beanstandete Ankündigung negativ beeinflusst worden wäre. Im Übrigen handle es sich bei der unstrittiger Weise unterbliebenen Berücksichtigung jüngster Bestimmungen nicht um umfangreiche oder bedeutende Änderung der Rechtslage, sodass auch die wahrheitsgetreue Anführung des tatsächlich um einige Wochen länger zurückliegenden Aktualitätsstandes keinen nennenswerten Einfluss auf die Kaufentscheidung erwarten lasse. Die von der Rechtsprechung verlangte Spürbarkeitsgrenze erfordere weit schwerwiegendere Irreführungshandlungen als sie der Beklagten vorzuwerfen seien.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Rechtsfragen erheblicher Bedeutung nicht zulässig sei. Ein Gesetzesverstoß begründe nur dann sittenwidriges Handeln iSd § 1 UWG wenn er subjektiv vorwerfbar und geeignet sei, den Verletzer einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Dies sei nur dann der Fall, wenn das gesetzwidrige Handeln geeignet sei, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung zu bewirken. Dieses - durch die bei Verstößen gegen § 2 UWG geforderte „wettbewerbliche Relevanz" teilweise vorweggenommene - Prinzip der „Spürbarkeit" habe die Rechtsprechung in Fällen der Wertreklame und auch bei Verstößen gegen § 1 UWG wegen sittenwidrigen Rechtsbruchs angewendet. Es entspreche auch den Wertungen der RL 2005/29/EG des europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern, nach deren Art 5 die Unlauterkeit eine „wesentliche" Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens eines Durchschnittsverbrauchers oder die Eignung zu einer derartigen Beeinflussung voraussetze. Eine irreführende Angabe verstoße gegen § 2 UWG, wenn sie geeignet sei, das Kaufinteresse eines nicht unbeträchtlichen Teils der umworbenen Verkehrskreise irgendwie zu beeinflussen. Dies sei hier der Fall. Das Angebot der Beklagten richte sich an den steuerrechtlich versierten Fachmann. Es sei notorisch, dass ein am Steuerrecht Interessierter eine besondere Aktualität nachfrage. Das den Aktualitätsstand betreffende Datum sei für ihn wesentlich. Er gehe davon aus, dass der Inhalt des Werks richtig sei und von ihm vorbehaltlos angewendet werden könne. Die insoweit unrichtige Angabe beeinflusse daher seine Entscheidung zugunsten des Angebots der Beklagten und führe zu einer erheblichen, die Spürbarkeitsgrenze überschreitenden Nachfrageverlagerung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zum Verhältnis zwischen der bei Verstößen gegen § 2 UWG geforderten „Relevanz" der Irreführung und der nach § 1 UWG erforderlichen „Spürbarkeit" wettbewerbswidrigen Verhaltens noch nicht Stellung genommen hat. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.
1. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf § 2 UWG. Danach kann derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zur Irreführung geeignete Angaben über geschäftliche Verhältnisse, insbesondere über die Beschaffenheit seiner Ware oder Leistung macht. Die Behauptung der Beklagten, das von ihr verlegte steuerrechtliche Werk gebe den Stand der Vorschriften zum 15. 2. 2006 wieder, ist eine „Angabe" im Sinn dieser Bestimmung.
2. Das Rekursgericht hat die wettbewerbliche Relevanz der Irreführung für den Kaufentschluss von Interessenten und eine die Spürbarkeitsgrenze übersteigende Nachfrageverlagerung bejaht.
Die Beklagte macht geltend, das Rekursgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, inwieweit die irreführende Angabe in dem Punkt und Umfang, in dem sie von den tatsächlichen Verhältnissen abweiche, das Kaufinteresse eines nicht unbeträchtlichen Teils der umworbenen Verkehrskreise beeinflussen könne. Ihr Einwand nimmt Bezug auf die Entscheidung des Senats 4 Ob 221/05m. Zu beurteilen war eine geringfügig fehlerhafte Deklaration von Inhaltsstoffen einer Blumenerde. Die tatsächliche Überschreitung der angegebenen Bandbreiten dieser Inhaltsstoffe war derart gering, dass der Oberste Gerichtshof ihre Eignung, das Kaufverhalten von Hobbygärtnern nennenswert zu beeinflussen, verneinte.
Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist mit dieser Vorentscheidung nicht vergleichbar. Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob die unrichtige Angabe des Aktualitätsstichtags eines steuerrechtliche Vorschriften umfassenden Werks geeignet ist, den Kaufentschluss eines nicht ganz unbeträchtlichen Teils der am Steuerrecht Interessierten zugunsten des Angebots der Beklagten irgendwie zu beeinflussen (stRspr. RIS-Justiz RS0078411 und RS0078396). Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage, weil zur Beurteilung die Erfahrung des täglichen Lebens ausreichen. Ob schon die wesentliche Beeinflussung auch nur eines Durchschnittsverbrauchers ausreicht - wie es die Auslegung der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern nahelegen könnte (vgl. Koppensteiner, Grundfragen des UWG im Lichte der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, wbl 2006, 553 ff) - kann hier offenbleiben. Es ist nämlich davon auszugehen, dass an Gesetzesausgaben Interessierte ganz generell der Aktualität einen besonderen Stellenwert beimessen und deshalb durch eine unrichtige Angabe in ihrem Kaufentschluss beeinträchtigt werden können.Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist mit dieser Vorentscheidung nicht vergleichbar. Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob die unrichtige Angabe des Aktualitätsstichtags eines steuerrechtliche Vorschriften umfassenden Werks geeignet ist, den Kaufentschluss eines nicht ganz unbeträchtlichen Teils der am Steuerrecht Interessierten zugunsten des Angebots der Beklagten irgendwie zu beeinflussen (stRspr. RIS-Justiz RS0078411 und RS0078396). Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage, weil zur Beurteilung die Erfahrung des täglichen Lebens ausreichen. Ob schon die wesentliche Beeinflussung auch nur eines Durchschnittsverbrauchers ausreicht - wie es die Auslegung der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern nahelegen könnte vergleiche Koppensteiner, Grundfragen des UWG im Lichte der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, wbl 2006, 553 ff) - kann hier offenbleiben. Es ist nämlich davon auszugehen, dass an Gesetzesausgaben Interessierte ganz generell der Aktualität einen besonderen Stellenwert beimessen und deshalb durch eine unrichtige Angabe in ihrem Kaufentschluss beeinträchtigt werden können.
Dass Neuheit im Sinn von Aktualität ein wichtiges, vom Publikum stets ernst genommenes Werbeargument ist und deshalb zutreffen muss, hat der Oberste Gerichtshof bereits im Zusammenhang mit Produkten erkannt, die einer technik- oder modellbedingten Alterung unterliegen (4 Ob 2124/96y = ÖBl 1996, 277 - Topaktuell; Duursma in M. Gumpoldsberger/Baumann, UWG § 2 Rz 64). Dies muss um so mehr für die Angabe des Aktualitätszeitpunkts einer Gesetzesausgabe gelten. Ihre Aktualität ist ein wesentliches Kriterium für die Auswahlentscheidung. Gerade im Bereich des schnelllebigen Steuerrechts will und muss sich der Fachmann darauf verlassen können, dass die Bestimmungen vollständig und in der zum Stichtag jeweils geltenden Fassung wiedergegeben sind und so von ihm angewendet werden können. Er stellt an die Aktualität des Werks besonders hohe Anforderungen, weil er die darin aufgenommenen Bestimmungen vorbehaltslos (und ohne weitere Überprüfung) anwenden möchte und wird daher in aller Regel jene Ausgabe wählen, die ihm die größtmögliche Aktualität verspricht. Daher ist auch die nur in Bezug auf einzelne Gesetze oder Verordnungen unrichtige Angabe geeignet, die Auswahlentscheidung und den Kaufentschluss der an steuerrechtlichen Vorschriften interessierten Verkehrsteilnehmer in relevanter Weise zu beeinflussen, ohne dass es darauf ankommt, ob die unrichtige Angabe eine größere oder kleinere Anzahl von Bestimmungen betrifft.
3. Die Beklagte wendet ein, die Klägerin habe nicht bescheinigt, dass die Angaben geeignet seien, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder sonstiger Markteilnehmer nicht unerheblich zu beeinträchtigen. Angesichts des geringen Ausmaßes der Abweichungen vom angegebenen Stichtag sei eine spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil von Markteilnehmern nicht anzunehmen.
3.1. Die Beurteilung der Eignung einer Angabe, den Wettbewerb nicht unerheblich zu beeinträchtigen, ist eine Rechtsfrage, wenn - wie hier - die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen.
Die Rechtsprechung hat das Prinzip der „Spürbarkeit" wettbewerbswidrigen Verhaltens bisher in Fällen der Wertreklame (4 Ob 290/99x = ÖBl 2000, 126 [Wiltschek] - Tipp des Tages III) und auf Verstöße gegen § 1 UWG wegen sittenwidrigen Rechtsbruchs (4 Ob 59/03h = ÖBl 2004/7 - Organisationsbeitrag II; 4 Ob 99/03t = SZ 2003/56) bzw wegen Rechtsbruchs durch Gesetzesverletzung (4 Ob 74/06w = WBl 2006, 199 - Einkaufszentrum „P"; 4 Ob 95/06h = ÖBl-LS 2006/160; RIS-Justiz RS0117605; Wiltschek, Die Spürbarkeitsgrenze im österreichischen Lauterkeitsrecht, in Aktuelle Fragen des Lauterkeitsrechts [2004], 263 ff) angewendet. Die Rechtsprechung verlangte auch im Bereich des § 2 UWG eine Art „Spürbarkeitsgrenze" als Voraussetzung wettbewerbswidrigen Verhaltens. Danach verstößt eine irreführende Angabe dann gegen § 2 UWG, wenn sie geeignet ist, den Entschluss eines nicht unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise, sich mit dem Angebot näher zu befassen, zugunsten dieses Angebots zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0078411, RS0078396).
3.2. Die Überlegungen der Rechtsprechung zum Erfordernis der Spürbarkeit im Sinn einer nicht unerheblichen Nachfrageverlagerung sind in der Literatur teils auf Zustimmung (Wiltschek aaO 268 f; Gamerith, ÖBl 2004/7 [Glosse]; Reitböck, ecolex 2003, 772 [Glosse]), teils auf Ablehnung (M. Auer, Was ist eine Wettbewerbshandlung?, WBl 2004, 163; Schumacher, WBl 2006/199 [Glosse]) gestoßen. M. Auer (aaO) und Schumacher (aaO) vertreten die Auffassung, das Erfordernis einer nicht unerheblichen Nachfrageverlagerung führe dazu, dass der gleichrangig mit dem Mitbewerberschutz zu beurteilende Verbraucherschutz hintangesetzt werde. Art 5 Abs 2 lit b der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbrauchern verlange nur eine gewisse Intensität der Beeinflussung des Durchschnittsverbrauchers als qualitativen Aspekt. Koppensteiner (Grundfragen des UWG im Lichte der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, WBl 2006, 556 f) vertrat jüngst die Auffassung, nach Wortlaut und Teleologie der Richtlinie RL 2005/29/EG komme es nicht auf das quantitative Gewicht einer spürbaren Beeinflussung der Marktverhältnisse an; es sei ausreichend, wenn auch nur ein einzelner Verbraucher wesentlich beeinflusst werde. Das Erfordernis einer nicht unerheblichen Nachfrageverlagerung müsse daher im Anwendungsbereich der Richtlinie aufgegeben werden.
3.3. Ob das Prinzip der „Spürbarkeit" wettbewerbswidrigen Verhaltens iS der von der Rechtsprechung bisher geforderten nicht unerheblichen Nachfrageverlagerung auch im Anwendungsbereich der Richtlinie RL 2005/29/EG (sie wurde in Österreich noch nicht umgesetzt) aufrechtzuerhalten ist, kann im vorliegenden Fall - wie bereits unter 2. erörtert - offenbleiben. Das beanstandete Verhalten erfüllt nämlich alle Voraussetzungen, die für die Relevanz des Irrtums, die wesentliche Beeinflussung des Verbrauchers im Sinn der RL 2005/29/EG und die von der Rechtsprechung verlangte „Spürbarkeit" erforderlich sind:
Unter 2. wurde erläutert, dass die durch Angabe eines unrichtigen Aktualitätsstandes des Gesetzeswerks hervorgerufene Irreführung geeignet ist, den Kaufentschluss eines nicht unbeträchtlichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise in relevanter Weise zu beeinflussen. Die unrichtige Angabe erfüllt aus den zur Relevanz angeführten Gründen aber auch die Voraussetzungen einer „wesentlichen" Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens eines durchschnittlichen Anwenders steuerrechtlicher Normen nach dem Begriff des Durchschnittsverbrauchers der RL 2005/29/EG.
Dass die Voraussetzung der „Spürbarkeit" bei Verstößen gegen § 2 UWG durch die Relevanz der Irreführung vorweggenommen wird (4 Ob 74/06w = WBl 2006/199 - Einkaufszentrum „P"), hat der Senat bereits ausgesprochen. Auch die deutsche Lehre hält eine gesonderte Erheblichkeitsprüfung im Zusammenhang mit irreführenden Angaben deshalb für entbehrlich (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht24 § 3 Rz 81; Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rz 2.169), weil die wettbewerbliche Erheblichkeit bei der irreführenden Werbung „in Gestalt der wettbewerblichen Relevanz Tatbestandsmerkmal ist".
Die voranstehenden Erwägungen sind somit folgendermaßen zusammenzufassen:
Die „Spürbarkeit" durch eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung als Voraussetzung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens nach § 1 UWG entspricht ihrem Wesen nach der für einen Verstoß gemäß § 2 UWG geforderten „Relevanz" der Irreführung infolge Beeinflussung eines nicht unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise bei der näheren Angebotsprüfung.
Ist daher - wie im vorliegenden Fall - anzunehmen, dass die unrichtige Angabe geeignet ist, das Kaufverhalten eines nicht unbeträchtlichen Teils der angesprochenen Anwender steuerrechtlicher Normen zugunsten des Werks der Beklagten zu beeinflussen, so muss das beanstandete Verhalten zwangsläufig auch als geeignet angesehen werden, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung zum Werk der Beklagten zu bewirken.
4. Das Rekursgericht hat einen Verstoß der Beklagten gegen § 2 UWG, wie aus den voranstehenden Ausführungen folgt, zutreffend bejaht. Dem unberechtigten Revisionsrekurs der Beklagten musste der Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO.
Textnummer
E83168European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0040OB00222.06K.0116.000Im RIS seit
15.02.2007Zuletzt aktualisiert am
28.10.2010