TE OGH 2007/1/16 4Ob207/06d

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Veröffentlicht am 16.01.2007
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Oberste Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei V***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch e/n/w/c Eiselsberg Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Gerold R*****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, wegen Unterlassung (Streitwert 34.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 28. August 2006, GZ 2 R 156/06t-12, womit der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 10. Juli 2006, GZ 9 Cg 135/06x-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung

Dem Gegner der gefährdeten Partei wird bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits über das Unterlassungsbegehren aufgetragen, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Haushaltsgeräte, insbesondere das Modell 'Vorwerk Lux 135', zu bewerben, wenn die beklagte Partei die beworbenen Haushaltsgeräte tatsächlich nicht liefern kann, und/oder anstelle eines bestellten Haushaltsgeräts, insbesondere eines Staubsaugers 'Vorwerk Lux 135', andere Geräte, wie insbesondere einen Staubsauger 'Vorwerk Kobold 135', zu liefern."

Die gefährdete Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens einstweilen, der Gegner der gefährdeten Partei hat sie endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin und gefährdete Partei (im Folgenden nur: Klägerin) ist die österreichische Landesgesellschaft einer deutschen Unternehmensgruppe, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb hochwertiger Haushalts-Elektrogeräte befasst. Sie vertreibt diese Geräte nicht über den stationären Handel, sondern ausschließlich im Wege des Direktvertriebs.

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden nur: Beklagter) ist nicht in die Vertriebsstruktur der Klägerin eingebunden und steht mit ihr in keiner vertraglichen Beziehung. Er betreibt einen Handel mit Elektrogeräten und bietet diese auch über seine Internet-Website an. Auf dieser ist ein Online-Shop eingerichtet.

Auf der Website des Beklagten werden Geräte verschiedener Hersteller angeboten, auch aus der Unternehmensgruppe der Klägerin. Die Streitteile stehen einander zumindest auf Teilmärkten als Wettbewerber gegenüber.

Die vom Beklagten auf seiner Website angebotenen Geräte der von der Klägerin vertriebenen Marke sind - wie die Geräte anderer Hersteller - in einer eigenen Liste zusammengefasst. Der Kunde kann in dieser Liste eine kleine Abbildung des jeweiligen Geräts besichtigen und eine kurze technische Beschreibung lesen. Artikel-Nummer der Geräte und der Preis sind auch angegeben. Ein Kunde, der bestellen will, kann das Gerät durch Anklicken eines Feldes in einen Warenkorb legen und in weiterer Folge durch Angabe seines Namens und der Lieferadresse sowie durch Festlegen der Zahlungsmodalitäten bestellen/kaufen.

In der längeren Liste der von der Klägerin vertriebenen Geräte findet sich auch das Sondermodell „Vorwerk Lux 135". Dieses wurde nur in geringer Stückzahl produziert und war für den arabischen Raum bestimmt. Es wurde ausschließlich nach Brunei zu einem Händler und nach Singapur zur asiatischen Schwestergesellschaft der Klägerin geliefert. Das Sondermodell unterscheidet sich vom technisch vergleichbaren Standardmodell „Vorwerk Kobold 135" durch das Logo „Lux" und eine andere Farbgebung, nämlich eine helle Oberfläche der Motorkopf-Oberschale.

Der Beklagte verfügt über keine Lagerbestände und keine Bezugsmöglichkeit für das Sondermodell „Vorwerk Lux 135", er kann es daher nicht liefern. Nicht festgestellt werden kann, weshalb der Beklagte das technisch oder optisch gegenüber dem Standardmodell nicht höherwertige Sondermodell auf seiner Website überhaupt erwähnt.

Im Unterschied zu anderen angebotenen Staubsaugern enthält die Darstellung des Modells „Vorwerk Lux 135" auf der Website des Beklagten weder eine Produktbeschreibung noch wird eine vollständige Abbildung des Geräts gezeigt. Sichtbar ist lediglich ein Detail mit dem Logo „Lux". Im Gegensatz zu anderen Geräten wird auch kein Kaufpreis genannt. Auch wenn der potenzielle Kunde versucht, das betreffende Gerät in den „Warenkorb" zu übernehmen, wird kein Kaufpreis ausgewiesen und die Bestellung des Geräts durch den Kunden von der Software der Website des Beklagten nicht angenommen, weil Bestellungen im Online-Shop erst ab einem gewissen Betrag möglich sind. Es ist daher nicht möglich, das Modell „Vorwerk Lux 135" auf der Website des Beklagten über den Online-Shop zu bestellen.

„Zwischenzeitlich" hat der Beklagte seine Website dahin geändert, dass beim Modell „Vorwerk Lux 135" der Hinweis sichtbar ist „nur für bestimmte Märkte - in Europa nicht lieferbar".

Über Auftrag der Klägerin bestellte eine Kundin beim Beklagten (per e-mail) ein Staubsaugermodell „Vorwerk Lux 135". Der Beklagte lieferte ihr stattdessen das Standardmodell „Vorwerk Kobold 135". Die Kundin beanstandete die Lieferung und schickte das erhaltene Standardmodell zurück.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehren beantragte die Klägerin, dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung aufzutragen, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Haushaltsgeräte, insbesondere das Modell „Vorwerk Lux 135", zu bewerben, wenn der Beklagte die beworbenen Haushaltsgeräte tatsächlich nicht liefern könne, und/oder anstelle eines bestellten Haushaltsgeräts, insbesondere eines Staubsaugers „Vorwerk Lux 135", andere Geräte, wie insbesondere einen Staubsauger „Vorwerk Kobold 135", zu liefern. Der Beklagte erwecke durch das Bewerben und Anbieten des Modells „Vorwerk Lux 135" samt Artikel-Nummer und Online-Bestellmöglichkeit bei den Kunden den unrichtigen Eindruck, er könne liefern. Damit verstoße er gegen § 2 UWG. Er habe die Werbung mit dem nicht lieferbaren „Vorwerk Lux 135" offenbar lediglich dazu benützt, ein anderes Produkt, nämlich den „Vorwerk Kobold 135", an die Kundin zu liefern, die er zuvor über das Lockmittel „Vorwerk Lux 135" zu gewinnen versucht habe. Dies sei auch sittenwidrig nach § 1 UWG.

Der Beklagte wendete ein, dem Produkt „Vorwerk Lux 135" weder eine Produktbeschreibung beigefügt noch hiefür einen Kaufpreis genannt zu haben. Für Kunden sei es auch technisch nicht möglich, das Produkt über den Online-Shop des Beklagten zu erwerben. Selbst bei Anklicken des Symbols „Warenkorb" erscheine kein Kaufpreis. Das System unterbinde Bestellungen. Das Gerät „Vorwerk Lux 135" sei nur zu Zwecken der Information von Kunden genannt worden. Der Beklagte habe den „agent provocateur" der Klägerin zu keinem Zeitpunkt im Unklaren darüber gelassen, dass er angenommen habe, dieser wolle das tatsächlich lieferbare Standardmodell kaufen.

Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab. Die Aufnahme des nicht lieferbaren Geräts habe keine Lockvogelfunktion gehabt. Es sei nicht besonders günstig angeboten worden, Preisangabe und nähere technische Beschreibung hätten gefehlt. Außerdem habe es gar nicht online bestellt werden können. Mit der unvollständigen Präsentation habe der Beklagte nicht darauf hoffen können, zusätzliche Kunden für sein Geschäft zu gewinnen. Der Beklagte habe gar kein vollständiges Angebot für den „Vorwerk Lux 135" im Internet gemacht. Die von der Klägerin beanstandete Nennung des nicht lieferbaren Geräts sei nicht geeignet, den Kaufentschluss von Kunden zugunsten anderer angepriesener Geräte zu beeinflussen.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil das Rekursgericht der einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt sei. Eine Lockvogelwerbung liege nicht vor, weil für den Staubsauger „Vorwerk Lux 135" kein Preis genannt worden sei. Da das Produkt ausschließlich nach Asien geliefert werde, sei auch nicht anzunehmen, dass ein Interessent ausschließlich aus Interesse an diesem Produkt die Website des Beklagten aufsuchen und sich sodann mangels Verfügbarkeit dieses Produkt zur Bestellung eines anderen Produkts verleiten lassen werde. Ebenso wenig sei anzunehmen, dass ein Kunde den Beklagten wegen der Anführung ausschließlich dieses einen Modells ohne Preisangabe für einen besonders kompetenten Händler halten könnte. Ein Kunde suche zuerst die Website auf und befasse sich erst dann mit einzelnen Modellen. Ein ins Gewicht fallender Anlockeffekt, der von der Anführung des Staubsaugers „Vorwerk Lux 135" ohne Preisangabe und ohne Beschreibung ausgehen könnte, existiere nicht. Die beanstandete Nennung des nicht lieferbaren Geräts sei nicht geeignet, den Kaufentschluss von Kunden zugunsten anderer angepriesener Geräte zu beeinflussen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine irreführende Angabe nur dann gegen § 2 UWG verstößt, wenn sie geeignet ist, den Entschluss des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebots zu beeinflussen. Es muss zwischen dem Entschluss, sich mit dem Angebot näher zu befassen, und dem Umstand, dass die durch die Wettbewerbshandlung bei dem Angesprochenen hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, ein innerer Zusammenhang bestehen (4 Ob 38/00d = ÖBl 2001, 72 - Bodyguard uva; zuletzt 4 Ob 221/05m; RIS-Justiz RS0078296). Die Angabe muss gerade in dem Punkt und in dem Umfang, in welchem sie von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, das Kaufinteresse eines nicht unbeträchtlichen Teils der umworbenen Verkehrskreise irgendwie beeinflussen (RIS-Justiz RS0078202; zuletzt 4 Ob 221/05m).

Wird - wie hier - auch ein tatsächlich nicht verfügbares Produkt in das Webangebot aufgenommen, so ist die darin liegende Irreführung geeignet, eine nicht zu vernachlässigende Anzahl der Adressaten des Angebots zu veranlassen, sich damit näher zu befassen, selbst wenn für das nicht lieferbare Produkt eine online-Bestellung nicht möglich ist, eine Preisauszeichnung fehlt und keine nähere Produktbeschreibung elektronisch abrufbar ist.

Die von einem Gewerbetreibenden angepriesenen Waren müssen - von zufälligen Lieferschwierigkeiten oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen im Einzelfall abgesehen - in genügender Menge auch tatsächlich vorhanden und zu haben sein. Wird nämlich im Einzelhandel der Verkauf bestimmter Waren werbemäßig angekündigt, dann erwartet der Kunde, dass sie für eine gewisse Zeitdauer in einer ausreichenden Menge vorhanden sind und die Nachfrage gedeckt ist; andernfalls wird er irregeführt. Er kann durch eine solche Irreführung über die aus der Angebotsvielfalt ablesbare besondere Leistungsfähigkeit des Unternehmers letztlich dazu verleitet werden, eine andere - vorrätige - Ware zu kaufen (4 Ob 35/94; siehe ferner RIS-Justiz RS0078584). Manche Interessenten für ein angepriesenes, in Wahrheit aber jedenfalls nicht lieferbares Produkt werden demnach über eine nach dem objektiven Verständnis eines Webangebots bloß unvollständig beschriebene Ware - etwa telefonisch - weitere Erkundigungen einziehen und dem Anbieter im Zuge dessen eine wesentlich bessere Chance eröffnen, sie zum Kauf eines technisch gleichwertigen vorrätigen Produkts zu bewegen.

Diese Erwägungen sind wie folgt zusammenzufassen:

Nimmt ein Gewerbetreibender als Verkäufer von Waren in sein Webangebot auch Produkte auf, die - gemessen am sonstigen Inhalt der Website - unvollständig beschrieben und jedenfalls nicht lieferbar sind, und täuscht er damit eine aus der Angebotsvielfalt abzulesende besondere Leistungsfähigkeit vor, so ist dieses Verhalten geeignet einen nicht unbeträchtlichen Teil der im Wettbewerb umworbenen Verkehrskreise zu weiteren Erkundigungen über die unvollständig beschriebenen Angebote und letztlich zum Kauf technischer gleichwertiger vorrätiger Produkte zu veranlassen. Solche Angebote verstoßen gegen § 2 Abs 1 UWG.

Vor dem Hintergrund der voranstehend erläuterten Rechtslage ist das Angebot eines bestimmten Staubsaugermodells auf der Website des Beklagten ohne einen nach dem Anklicken des Modells auf dem Bildschirm lesbaren Hinweis über dessen mangelnde Lieferbarkeit geeignet, das Kaufinteresse eines nicht unbeträchtlichen Teils der umworbenen Verkehrskreise durch ein iSd § 2 Abs 1 UWG irreführendes Angebot irgendwie zugunsten des Beklagten zu beeinflussen. Dem erhobenen Sicherungsbegehren kommt somit Berechtigung zu.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO.

Textnummer

E83166

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0040OB00207.06D.0116.000

Im RIS seit

15.02.2007

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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