TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/25 2004/18/0237

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Veröffentlicht am 25.09.2007
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §39 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des AT in S, geboren 1949, vertreten durch Dr. Josef Lechner, Dr. Ewald Wirleitner und Mag. C. Oberlindober, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Grünmarkt 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 4. Juni 2004, Zl. St 93/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 4. Juni 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 sowie den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei (erstmals) im Jahr 1976 in das Bundesgebiet eingereist und sei auf Grund eines gegen ihn erlassenen, mit zehn Jahren befristeten, Aufenthaltsverbots im Jahr 1995 in sein Heimatland abgeschoben worden. Das Aufenthaltsverbot sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 20. September 2000 aufgehoben worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 7. Februar 2003 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten Vermittlung von Scheinehen nach § 106 Abs. 1 FrG und des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens der Schlepperei nach § 104 Abs. 1 und Abs. 3 FrG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden. Er habe in der Zeit von September 2001 bis Oktober 2002 in Steyr und anderen Orten gewerbsmäßig Ehen zwischen Österreichern und Fremden teils vermittelt oder angebahnt, teils zu vermitteln oder anzubahnen versucht, obwohl er gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass sich die Betroffenen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, jedoch kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen wollten. Dafür habe der Beschwerdeführer Geldbeträge von bis zu EUR 12.000,-- bekommen. Konkret habe er in einer Vielzahl von Fällen die besagten Ehen vermittelt bzw. angebahnt. Ferner habe er in einer Vielzahl von Fällen die rechtswidrige Einreise von Fremden in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs gefördert oder zu fördern versucht. Diesbezüglich werde auf das genannte rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes Steyr verwiesen. Der Beschwerdeführer sei als "Kopf dieser kriminellen Vereinigung" anzusehen.

In der Berufungsschrift vom 27. März 2004 habe der Beschwerdeführer gebeten, dass ihm "noch ein drittes Mal" (nach einer Ermahnung und nach der erwähnten Aufhebung des Aufenthaltsverbots aus dem Jahre 1995) eine Chance gegeben werden möge. Er hätte für sein Verbrechen "zwei Jahre abgesessen und daraus sehr viel gelernt". Das Gefängnis wäre eine Schule für ihn gewesen. Wenn ihm jetzt noch einmal eine Chance gegeben würde, nach Österreich einreisen zu dürfen, so würde er "alles anders machen". Man hätte ihn "benutzt und reingelegt". In der Türkei hätte er weder "ein Hotel noch ein Haus und auch keine Familie". Seine Frau hätte sehr hohe Schulden und auch keine Kraft mehr, dies ganz allein durchzustehen. Sie wäre auch "gesundheitlich angeschlagen".

In Anbetracht der Tatsache - so die belangte Behörde weiter - , dass sich der Beschwerdeführer von 1976 bis 1995 bzw. ab 2001 im Bundesgebiet aufgehalten und hier mit seiner Familie gelebt habe, werde durch das Aufenthaltsverbot in gravierender Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Es werde ihm eine der Dauer dieses Aufenthalts entsprechende Integration zugebilligt. Allerdings habe sich der Beschwerdeführer von 1995 bis 2001, sohin sechs Jahre, in seinem Heimatstaat bzw. in Rumänien aufgehalten.

Dem sei gegenüber zu stellen, dass über den Beschwerdeführer bereits einmal ein Aufenthaltsverbot verhängt worden sei. Obwohl dieses Aufenthaltsverbot im Jahre 2000 aufgehoben worden sei, habe er die sich daraus ergebende Chance nicht genutzt und sich in noch schwerwiegenderer Form strafbar gemacht. Er habe sein Fehlverhalten gravierend gesteigert, indem er über einen sehr langen Zeitraum Verbrechen und Vergehen nach dem Fremdengesetz begangen habe.

Die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, das Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Zudem sei sein "Gesamtfehlverhalten doch schwerwiegenderer Art, weshalb nicht mehr nur mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen gefunden werden konnte, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden musste". Da ihn auch das bereits früher erlassene Aufenthaltsverbot nicht habe davon abhalten können, noch schwerwiegendere Straftaten zu begehen, sei von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch zu machen. Das Vergehen der Schlepperei gehöre zu den schwerwiegendsten Verwaltungsübertretungen bzw. gerichtlich strafbaren Handlungen, zumal diese Art der organisierten Kriminalität bereits Formen angenommen habe, die ein rigoroses Vorgehen dringend erforderlich machen würden. Auch habe die mit der Schlepperei einhergehende Begleitkriminalität bereits enorme Ausmaße angenommen, weshalb es aus sicherheitspolitischer Sicht unerlässlich sei, entsprechend gegenzusteuern. Es würde geradezu einer Förderung des Schlepperunwesens gleichkommen, würde man dem Beschwerdeführer den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet gestatten. Im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Daran könne der Hinweis auf die familiäre Situation des Beschwerdeführers bzw. den Gesundheitszustand seiner Ehefrau nichts ändern, zumal sein Verbrechen "einfach" zu schwer zu gewichten sei. Auch die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer im Jahr 1976 bis 1995 im Bundesgebiet aufgehalten habe, sei insofern zu relativieren, als er sich von 1995 bis 2001, also sechs Jahre, im Ausland aufgehalten habe. Er habe also zwangsläufig im Jahr 1995 seine Niederlassung aufgegeben, weshalb auch § 38 Abs. 1 Z. 3 bzw. § 35 Abs. 3 FrG auf ihn nicht anzuwenden sei.

Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, weil erst nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer in der Zeit von September 2001 bis Oktober 2002 gegen Entgelt von bis zu EUR 12.000,-- Scheinehen vermittelt und in einer Vielzahl von Fällen die rechtswidrige Einreise von Fremden in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einen Nachbarstaat Österreichs gefördert oder zu fördern versucht. Dabei ist er nach dem im Akt erliegenden Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 7. Februar 2003 gewerbsmäßig, also in der Absicht vorgegangen, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Es handelt sich bei diesen Vergehen bzw. Verbrechen um ein die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer beeinträchtigendes Fehlverhalten. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kann nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im Grund des § 37 FrG. Sowohl die Ehefrau des Beschwerdeführers als auch seine Töchter seien im Bundesgebiet aufhältig. Den "zur Zeit stark beeinträchtigten Gesundheitszustand meiner Ehefrau habe ich bereits in der Berufung eindringlich dargelegt". Der Beschwerdeführer verfüge in der Türkei über keinerlei vergleichbare familiäre Bindungen mehr. Das Aufenthaltsverbot würde ihn persönlich schwer treffen und seiner Existenz die finanzielle und soziale Grundlage berauben. Die belangte Behörde habe bei der Abwägung nach § 37 FrG seinem Fehlverhalten ein zu großes Gewicht beigemessen.

3.2. Angesichts der Dauer der bisherigen inländischen Aufenthalte des Beschwerdeführers von 1976 bis 1995 bzw. ab 2001 und seiner daraus ableitbaren Integration sowie seiner familiären Bindungen zu seiner Ehegattin und seinen (drei) Kindern aus erster Ehe ist mit dem Aufenthaltsverbot ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich werden aber in ihrem Gewicht dadurch deutlich gemindert, dass seine Kinder bereits volljährig sind, er mit diesen nicht im gemeinsamen Haushalt lebt und dass er die Straftaten, weswegen er verurteilt wurde, teilweise gemeinsam mit seiner nunmehrigen Gattin begangen hat, die dafür dem genannten Urteil des Landesgerichtes Steyr zufolge ebenfalls (und zwar zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten) verurteilt wurde. Die Integration des Beschwerdeführers ist in der für sie wesentlichen sozialen Komponente darüber hinaus durch den Umstand deutlich beeinträchtigt, dass er bereits während seines ersten Aufenthalts im Bundesgebiet von 1976 bis 1995 in gravierender Weise strafbar wurde (weshalb ein erstes Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren gegen ihn verhängt worden war) und dass er nur ein Jahr nach der Aufhebung dieses Aufenthaltsverbots wiederum massiv straffällig geworden ist.

Den insgesamt dennoch gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinen Straftaten resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Der Beschwerdeführer hat gewerbsmäßig in einer Vielzahl von Fällen Scheinehen vermittelt und Schleppungen durchgeführt. Ihm liegt somit im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Schlepperkriminalität und des Eingehens von Scheinehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/18/0076, und vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0477) verwerfliches Fehlverhalten zur Last. Bei Abwägung der genannten gegenläufigen Interessen kann die Auffassung der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zum Schutz der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), nicht als rechtswidrig angesehen werden.

4. Die Beschwerde bekämpft auch die festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots. Gemäß § 39 Abs. 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 FrG unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG für die Dauer von höchstens fünf Jahren, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach der hg. Judikatur ist ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0231, mwN). In Anbetracht des bisherigen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne.

5. Auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren würde eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung eines (nach den sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 36 bis 38 FrG) zulässigen Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen (vgl. grundlegend den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).

6. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Zuspruch von Aufwandersatz - beruht im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. September 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004180237.X00

Im RIS seit

07.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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