TE OGH 2007/1/18 2Ob114/06p

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Veröffentlicht am 18.01.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Novotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Ekkehard G*****, vertreten durch Dr. Herbert Gschöpf und Dr. Marvin Gschöpf, Rechtsanwälte in Velden, gegen die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen EUR 10.186,90 s.A. und Feststellung (Streitwert EUR 2.000), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 6.186,90) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 28. Februar 2006, GZ 3 R 164/05z-43, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 21. Juli 2005, GZ 5 Cg 142/03s-37, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger wurde am 1. 3. 2002 bei einem Sturz vom Sessel eines von der Beklagten betriebenen Doppelsesselliftes schwer verletzt. Der Unfall ereignete sich im Bereich der Einstiegsstelle in der Mittelstation des ohne Verminderung der Geschwindigkeit bergwärts fahrenden Doppelsesselliftes. Der Kläger war in Begleitung seiner Gattin. Beide waren als erfahrene Schifahrer im Umgang mit Doppelsesselliftanlagen vertraut. Der Zugang zur Einstiegsstelle erfolgte in einem Winkel von ca 45 Grad über ein Schneeband in einer Breite von ca 1,5 m; am Boden waren seitlich Führungen aus Holz angebracht. Der unmittelbare Einstiegsbereich in Fahrtrichtung der Liftanlage war innerhalb der Bodenführungen 1,2 m breit, die Sesselbreite betrug insgesamt 1 m. Damit war der Einstiegsbereich entgegen den seilbahntechnischen Vorschriften auf beiden Seiten um jeweils 5 cm zu schmal. Im Anschluss an den horizontalen Einstiegsbereich folgte eine abgesenkte, rund 4,5 m lange Auffangmulde, um das Mitschleifen eines Fahrgastes durch einen Sessellift zu verhindern. Im Bereich der Mulde überstieg der Abstand zwischen Sessel und Boden die nach den seilbahntechnischen Vorschriften gebotene Höhe von 1,5 m um ca. 30 cm.

Der Kläger stieg auf der linken Seite in den Doppelsessellift ein. Beim Einsteigen des Ehepaares hielt der Liftbedienstete den Doppelsessel und führte ihn. Die Gattin des Klägers setzte sich jedoch aus Unaufmerksamkeit auf die Lehne des Doppelsessels anstatt auf die Sitzfläche. Sie kippte auf die Seite des Klägers und kam in der Folge auf der Einstiegsfläche zu Sturz. Dadurch verfingen sich ihre Schier mit jenen des Klägers, wodurch dieser aus dem in Bewegung befindlichen Sessellift heraus in die Auffangmulde stürzte. Bereits beim ersten Erkennen der Einstiegsprobleme hatte ein zweiter Liftbediensteter mittels Notschalter die Liftanlage gestoppt. Auch bei einem rechtzeitigen Abschalten fährt der Doppelsessel jedenfalls noch in den Bereich der Auffangmulde. Ein Verlangsamen der Liftanlage ausschließlich im Bereich der Einstiegsfläche war aufgrund der Konstruktion der Liftanlage nicht möglich; dies entsprach sowohl den seilbahntechnischen Vorschriften als auch dem Stand der Technik. Die Höhe des Sturzes erhöhte die Verletzungswahrscheinlichkeit. Das Erstgericht verneinte die Voraussetzungen einer Verschuldens- und einer Gefährdungshaftung.

Hingegen ging das Berufungsgericht von einer Haftung der beklagten Partei nach EKHG aus. Der Beklagten sei der Entlastungsbeweis im Sinn des § 9 EKHG wegen der zu großen Tiefe der Auffangmulde und der risikominimierenden, aber unterlassenen Herabsetzung der Geschwindigkeit beim Einsteigevorgang nicht gelungen. Vergleichbar dem Hineinrutschen eines anderen Schleppliftbenutzers in die Schleppspur habe der Sturz der Ehegattin eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ausgelöst, für welche die Beklagte zu haften habe. Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision änderte das Berufungsgericht über Antrag der Beklagten ab und begründete dies mit fehlender höchstgerichtlicher Judikatur zu der Frage, ob ein derartiger, durch das ungeschickte Verhalten eines anderen Liftbenützers ausgelöste Sturz aus dem fahrenden Doppelsessellift eine außergewöhnliche Betriebsgefahr verwirkliche.Hingegen ging das Berufungsgericht von einer Haftung der beklagten Partei nach EKHG aus. Der Beklagten sei der Entlastungsbeweis im Sinn des Paragraph 9, EKHG wegen der zu großen Tiefe der Auffangmulde und der risikominimierenden, aber unterlassenen Herabsetzung der Geschwindigkeit beim Einsteigevorgang nicht gelungen. Vergleichbar dem Hineinrutschen eines anderen Schleppliftbenutzers in die Schleppspur habe der Sturz der Ehegattin eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ausgelöst, für welche die Beklagte zu haften habe. Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision änderte das Berufungsgericht über Antrag der Beklagten ab und begründete dies mit fehlender höchstgerichtlicher Judikatur zu der Frage, ob ein derartiger, durch das ungeschickte Verhalten eines anderen Liftbenützers ausgelöste Sturz aus dem fahrenden Doppelsessellift eine außergewöhnliche Betriebsgefahr verwirkliche.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem nicht bindenden (RIS-Justiz RS0042392) Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

1. Unabwendbarkeit des Ereignisses scheidet unter anderem dann aus, wenn eine durch einen nicht beim Betrieb tätigen Dritten ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr unmittelbare Ursache des Unfalles ist (§ 9 Abs 2 EKHG). Die Gattin des Klägers war als Liftbenutzerin nicht beim Betrieb tätig (2 Ob 2/84 = SZ 57/27 = ZVR 1984/297; 2 Ob 2433/96z OLG Innsbruck ZVR 2004/7; Apathy EKHG § 9 Rz 12; Edlbacher,1. Unabwendbarkeit des Ereignisses scheidet unter anderem dann aus, wenn eine durch einen nicht beim Betrieb tätigen Dritten ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr unmittelbare Ursache des Unfalles ist (Paragraph 9, Absatz 2, EKHG). Die Gattin des Klägers war als Liftbenutzerin nicht beim Betrieb tätig (2 Ob 2/84 = SZ 57/27 = ZVR 1984/297; 2 Ob 2433/96z OLG Innsbruck ZVR 2004/7; Apathy EKHG Paragraph 9, Rz 12; Edlbacher,

Die „außergewöhnliche Betriebsgefahr" im Spiegel von Lehre und Rechtsprechung, ZVR 1989, 193; vgl RIS-Justiz RS0058094). Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ist bei einer besonderen Gefahrensituation anzunehmen, die nicht bereits regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb verbunden ist, sondern durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon im normalen Betrieb liegender Umstände vergrößert wurde (RIS-Justiz RS0058461; Apathy aaO Rz 29; Schauer in Schwimann ABGB3 VII § 9 EKHG Rz 42).Die „außergewöhnliche Betriebsgefahr" im Spiegel von Lehre und Rechtsprechung, ZVR 1989, 193; vergleiche RIS-Justiz RS0058094). Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ist bei einer besonderen Gefahrensituation anzunehmen, die nicht bereits regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb verbunden ist, sondern durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon im normalen Betrieb liegender Umstände vergrößert wurde (RIS-Justiz RS0058461; Apathy aaO Rz 29; Schauer in Schwimann ABGB3 römisch VII Paragraph 9, EKHG Rz 42).

Ob in diesem Sinn eine außergewöhnliche Betriebsgefahr unmittelbare Unfallursache war, kann immer nur an Hand der Umstände des einzelnen Falles beurteilt werden (RIS-Justiz RS0058444). Eine krasse, vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor, hat doch der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 19/86

= RZ 1987/65 = RIS-Justiz RS0059189 T 1) abweichend von seiner

früheren, in 2 Ob 2/84 = SZ 57/27 = ZVR 1984/297 vertretenen, von der Lehre kritisierten (Pichler, Die außergewöhnliche Betriebsgefahr des § 9 Abs 2 EKHG und der Schleppliftbetrieb, ZVR 1984, 289) Auffassung eine außergewöhnliche Betriebsgefahr bejaht, wenn durch das Hineinrutschen eines anderen Schifahrers in die Schleppspur diese blockiert wurde. Dabei hat der Oberste Gerichtshof insbesondere darauf verwiesen, dass die Liftbenützer weitgehend an die Schleppspur gebunden sind, nur in einem sehr beschränkten Maß ausweichen können und auch bei Auftreten einer Gefahr keinerlei Möglichkeit haben, den Lift zum Stillstand zu bringen und im Allgemeinen, insbesondere an steilen Stellen, nicht gefahrlos aussteigen können. Das Argument einer weitgehenden Unmöglichkeit, der Gefahr auszuweichen, lässt sich für die Situation des Klägers verwerten, zumal dessen Mobilität im Liftsessel noch weitreichender eingeschränkt war als jene eines Schleppliftbenützers.früheren, in 2 Ob 2/84 = SZ 57/27 = ZVR 1984/297 vertretenen, von der Lehre kritisierten (Pichler, Die außergewöhnliche Betriebsgefahr des Paragraph 9, Absatz 2, EKHG und der Schleppliftbetrieb, ZVR 1984, 289) Auffassung eine außergewöhnliche Betriebsgefahr bejaht, wenn durch das Hineinrutschen eines anderen Schifahrers in die Schleppspur diese blockiert wurde. Dabei hat der Oberste Gerichtshof insbesondere darauf verwiesen, dass die Liftbenützer weitgehend an die Schleppspur gebunden sind, nur in einem sehr beschränkten Maß ausweichen können und auch bei Auftreten einer Gefahr keinerlei Möglichkeit haben, den Lift zum Stillstand zu bringen und im Allgemeinen, insbesondere an steilen Stellen, nicht gefahrlos aussteigen können. Das Argument einer weitgehenden Unmöglichkeit, der Gefahr auszuweichen, lässt sich für die Situation des Klägers verwerten, zumal dessen Mobilität im Liftsessel noch weitreichender eingeschränkt war als jene eines Schleppliftbenützers.

Der in der Revision enthaltene Hinweis, der zu 2 Ob 19/86 entschiedene Schleppliftunfall betreffe einen Beförderungsvorgang, während hier ein Einsteigevorgang zu behandeln sei, überzeugt nicht:

Der Kläger hatte bereits im Liftsessel Platz genommen und war einige Meter transportiert worden, als er infolge der Verhakung der Schier nach vorne aus dem Liftsessel gerissen wurde. Das Fehlverhalten der Mitbenützerin des Doppelsesselliftes war geeignet, die Betriebsgefahr auch hinsichtlich des Klägers beträchtlich zu erhöhen (vgl Pichler aaO, 290/5e). Die Wertung des Berufungsgerichtes, in dieser Situation eine außergewöhnliche Betriebsgefahr anzunehmen, begründet daher keine auffallende Fehlbeurteilung. Das Fehlen einer Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt begründete für sich allein keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, weil andernfalls die ordentliche Revision im Zulassungsbereich nahezu immer zulässig wäre (RIS-Justiz RS0102181; RS0110702).Der Kläger hatte bereits im Liftsessel Platz genommen und war einige Meter transportiert worden, als er infolge der Verhakung der Schier nach vorne aus dem Liftsessel gerissen wurde. Das Fehlverhalten der Mitbenützerin des Doppelsesselliftes war geeignet, die Betriebsgefahr auch hinsichtlich des Klägers beträchtlich zu erhöhen vergleiche Pichler aaO, 290/5e). Die Wertung des Berufungsgerichtes, in dieser Situation eine außergewöhnliche Betriebsgefahr anzunehmen, begründet daher keine auffallende Fehlbeurteilung. Das Fehlen einer Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt begründete für sich allein keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO, weil andernfalls die ordentliche Revision im Zulassungsbereich nahezu immer zulässig wäre (RIS-Justiz RS0102181; RS0110702).

2. Auch die ebenfalls einzelfallbezogene (RIS-Justiz RS0111708) Frage, ob die beklagte Betriebsunternehmerin trotz der festgestellten Verstöße gegen seilbahntechnische Vorschriften die äußerst mögliche Sorgfalt des § 9 Abs 2 EKHG (RIS-Justiz RS0058317; Apathy aaO Rz 16; Schauer aaO Rz 21; vgl Danzl EKHG7 § 9 E 62) eingehalten hat, wurde vom Berufungsgericht in vertretbarer Weise beanwortet. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.2. Auch die ebenfalls einzelfallbezogene (RIS-Justiz RS0111708) Frage, ob die beklagte Betriebsunternehmerin trotz der festgestellten Verstöße gegen seilbahntechnische Vorschriften die äußerst mögliche Sorgfalt des Paragraph 9, Absatz 2, EKHG (RIS-Justiz RS0058317; Apathy aaO Rz 16; Schauer aaO Rz 21; vergleiche Danzl EKHG7 Paragraph 9, E 62) eingehalten hat, wurde vom Berufungsgericht in vertretbarer Weise beanwortet. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Anmerkung

E83089 2Ob114.06p

Schlagworte

Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in Zak 2007/205 S 118 - Zak 2007,118 = SpuRt 2008,24 (Gschöpf) XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0020OB00114.06P.0118.000

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2008
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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