TE OGH 2007/1/23 1Ob127/06t

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Veröffentlicht am 23.01.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Maria Ö*****, und 2. Herbert Ö*****, beide *****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Oliver R*****, wegen Übernahme eines Bestandgegenstands, infolge Antrags der Antragsteller auf Berichtigung des den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 23. Februar 2006, GZ 1 R 202/05v-6, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Waidhofen an der Thaya vom 14. April 2005, GZ 2 C 227/05a-2, bestätigt wurde, zurückweisenden Beschlusses vom 12. September 2006, GZ 1 Ob 127/06t-10, den Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 12. September 2006, 1 Ob 127/06t (= ON 10), wird aufgehoben.

2. Der Revisionsrekurs der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragsteller begehrten die Erlassung eines Auftrags zur Übernahme eines näher bezeichneten Bestandobjekts zum 30. September 2005. Sie brachten vor, das Bestandverhältnis ende am 30. September 2005, weswegen sie sicherstellen wollten, dass der Antragsgegner das Bestandobjekt an diesem Tag übernehme.

Das Erstgericht wies den Antrag a limine zurück. Aus einem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren sei amtsbekannt, dass die Antragsteller infolge qualifizierten Mietzinsrückstands schuldig erkannt worden seien, das Bestandobjekt geräumt zu übergeben, sodass kein Bestandverhältnis mehr bestehe. Ein Exekutionsverfahren sei bereits anhängig. Voraussetzung für die Erlassung eines Auftrags gemäß § 567 Abs 1 ZPO sei aber ein aufrechtes Bestandverhältnis, das hier nicht vorliege.Das Erstgericht wies den Antrag a limine zurück. Aus einem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren sei amtsbekannt, dass die Antragsteller infolge qualifizierten Mietzinsrückstands schuldig erkannt worden seien, das Bestandobjekt geräumt zu übergeben, sodass kein Bestandverhältnis mehr bestehe. Ein Exekutionsverfahren sei bereits anhängig. Voraussetzung für die Erlassung eines Auftrags gemäß Paragraph 567, Absatz eins, ZPO sei aber ein aufrechtes Bestandverhältnis, das hier nicht vorliege.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Voraussetzung für die Erlassung eines Übernahmsauftrags gemäß § 567 ZPO sei das Vorliegen eines Bestandvertrags von bestimmter Dauer sowie dessen Erlöschen durch bloßen Zeitablauf. Im vorliegenden Fall sei das Bestandverhältnis bereits aufgelöst. Ein nach Auflösen des Bestandvertrags gestellter Übernahmsantrag sei ebenso unzulässig wie ein nach Ablauf der Vertragsdauer gestellter.Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Voraussetzung für die Erlassung eines Übernahmsauftrags gemäß Paragraph 567, ZPO sei das Vorliegen eines Bestandvertrags von bestimmter Dauer sowie dessen Erlöschen durch bloßen Zeitablauf. Im vorliegenden Fall sei das Bestandverhältnis bereits aufgelöst. Ein nach Auflösen des Bestandvertrags gestellter Übernahmsantrag sei ebenso unzulässig wie ein nach Ablauf der Vertragsdauer gestellter.

Aus Anlass des gegen diese Entscheidung gerichteten Revisionsrekurses der Antragsteller hob der Oberste Gerichtshof die Rekursentscheidung mit Beschluss vom 12. 9. 2006 (ON 10) als nichtig auf und wies den Rekurs der Antragsteller gegen die Entscheidung des Erstgerichts als verspätet zurück. Dabei ging er auf Grund des vom Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya angefertigten Vermerks über das Datum der Postaufgabe davon aus, dass der Rekurs am 27. Mai 2005 zur Post gegeben worden sei. Die vierzehntägige Rekursfrist endete aber bereits am 25. Mai 2005.

In ihrer Eingabe vom 30. Oktober 2006 führten die Antragsteller unter Anschluss des Originals des Postaufgabescheins vom 25. Mai 2005 nunmehr aus, den Rekurs bereits an diesem Tag, also dem 25. Mai 2005, zur Post gegeben zu haben. Sie beantragten daher die Berichtigung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 12. September 2006 dahin, dass die Aufhebung des Beschlusses des Rekursgerichts als nichtig und die Zurückweisung des Rekurses der Antragsteller als verspätet behoben werde; über den Revisionsrekurs habe eine Sachentscheidung zu ergehen.

Rechtliche Beurteilung

Da die Angaben der Antragsteller durch die vorgelegte Urkunde belegt sind, steht fest, dass der Rekurs rechtzeitig zur Post gegeben wurde. Daher ist der Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 12. September 2006 aufzuheben und über den Revisionsrekurs sachlich zu entscheiden (RIS-Justiz RS0041446; SZ 60/192 ua).

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

1. Der Übernahmsauftrag nach § 567 Abs 1 ZPO dient dazu, vorweg die Übergabe bzw Übernahme des Bestandgegenstands zum Zeitpunkt des vereinbarten Vertragsendes zu fordern und durchzusetzen (Iby in Fasching/Konecny2 IV/I ,§ 567 Rz 1; Frauenberger in Rechberger, ZPO 3, § 567 Rz 1). Ist das Bestandverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgelöst, besteht dieser Zweck denknotwendigerweise nicht mehr. Die Anwendung des § 567 Abs 1 ZPO setzt somit das Bestehen eines Bestandvertrags (von bestimmter Dauer) voraus (RIS-Justiz RS0044885). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 567 Abs 1 ZPO („ ... kann jede Partei noch vor Ablauf der Bestandzeit eine gerichtliche Verfügung beantragen ..."), was von der Lehre nicht in Frage gestellt wird (Iby aaO , Rz 5 und 8; Frauenberger aaO, Rz 2).1. Der Übernahmsauftrag nach Paragraph 567, Absatz eins, ZPO dient dazu, vorweg die Übergabe bzw Übernahme des Bestandgegenstands zum Zeitpunkt des vereinbarten Vertragsendes zu fordern und durchzusetzen (Iby in Fasching/Konecny2 IV/I ,§ 567 Rz 1; Frauenberger in Rechberger, ZPO 3, Paragraph 567, Rz 1). Ist das Bestandverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgelöst, besteht dieser Zweck denknotwendigerweise nicht mehr. Die Anwendung des Paragraph 567, Absatz eins, ZPO setzt somit das Bestehen eines Bestandvertrags (von bestimmter Dauer) voraus (RIS-Justiz RS0044885). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Paragraph 567, Absatz eins, ZPO („ ... kann jede Partei noch vor Ablauf der Bestandzeit eine gerichtliche Verfügung beantragen ..."), was von der Lehre nicht in Frage gestellt wird (Iby aaO , Rz 5 und 8; Frauenberger aaO, Rz 2).

3. So ist ja auch eine Aufkündigung - die die gleiche Funktion wie der Übergabeauftrag erfüllt (RIS-Justiz RS0044915) - für rechtsunwirksam zu erklären, wenn eine dasselbe Bestandverhältnis betreffende, zu einem früheren Kündigungstermin eingebrachte Aufkündigung bereits für rechtswirksam erklärt worden ist (RIS-Justiz RS0020941). Zur Frage, ob die Anwendung des § 567 Abs 1 ZPO das Bestehen eines Bestandverhältnisses voraussetzt, trifft auch die Entscheidung MietSlg 16.682 keine Aussage. Diese Entscheidung besagt lediglich, der Bestandgeber könne - liegen die Voraussetzungen des § 567 ZPO vor - vor Ablauf der Bestandzeit nicht nur einen Übergabsauftrag beantragen, sondern - statt eines solchen - eine Räumungsklage oder eine Aufkündigung einbringen.3. So ist ja auch eine Aufkündigung - die die gleiche Funktion wie der Übergabeauftrag erfüllt (RIS-Justiz RS0044915) - für rechtsunwirksam zu erklären, wenn eine dasselbe Bestandverhältnis betreffende, zu einem früheren Kündigungstermin eingebrachte Aufkündigung bereits für rechtswirksam erklärt worden ist (RIS-Justiz RS0020941). Zur Frage, ob die Anwendung des Paragraph 567, Absatz eins, ZPO das Bestehen eines Bestandverhältnisses voraussetzt, trifft auch die Entscheidung MietSlg 16.682 keine Aussage. Diese Entscheidung besagt lediglich, der Bestandgeber könne - liegen die Voraussetzungen des Paragraph 567, ZPO vor - vor Ablauf der Bestandzeit nicht nur einen Übergabsauftrag beantragen, sondern - statt eines solchen - eine Räumungsklage oder eine Aufkündigung einbringen.

2. Wenngleich die Antragsteller in ihrem Antrag auf Erlassung eines Übernahmsauftrags das Bestehen eines Bestandverhältnisses behaupteten, war dem Erstrichter aus seiner amtlichen Wahrnehmung als gerichtskundige Tatsache bekannt, dass der Bestandvertrag zufolge einer im Vorverfahren über die Räumungsklage des Verpächters ergangenen rechtskräftigen Entscheidung bereits aufgelöst war. Dies ist unstrittig. Ist dem Gericht in seiner amtlichen Eigenschaft die Unrichtigkeit einer Behauptung bekannt, kann es seiner Entscheidung die amtsbekannt richtigen Tatsachen zu Grunde legen (Rechberger in Fasching/Konecny2 III, § 269 ZPO Rz 7 ff). Weiters war amtsbekannt, dass die Pächter (hier Antragsteller) ihrer Verpflichtung, den Bestandgegenstand geräumt zu übergeben, nicht nachgekommen waren und der Verpächter einen Exekutionsantrag gestellt hatte, woraus dessen Wille ersichtlich ist, den Bestandvertrag nicht fortsetzen zu wollen. Infolge Auflösung des Bestandvertrags war § 567 ZPO nicht anwendbar, sodass der Antrag auf Erlassung eines Übernahmsauftrags a limine als unzulässig zurückzuweisen war.2. Wenngleich die Antragsteller in ihrem Antrag auf Erlassung eines Übernahmsauftrags das Bestehen eines Bestandverhältnisses behaupteten, war dem Erstrichter aus seiner amtlichen Wahrnehmung als gerichtskundige Tatsache bekannt, dass der Bestandvertrag zufolge einer im Vorverfahren über die Räumungsklage des Verpächters ergangenen rechtskräftigen Entscheidung bereits aufgelöst war. Dies ist unstrittig. Ist dem Gericht in seiner amtlichen Eigenschaft die Unrichtigkeit einer Behauptung bekannt, kann es seiner Entscheidung die amtsbekannt richtigen Tatsachen zu Grunde legen (Rechberger in Fasching/Konecny2 römisch III, Paragraph 269, ZPO Rz 7 ff). Weiters war amtsbekannt, dass die Pächter (hier Antragsteller) ihrer Verpflichtung, den Bestandgegenstand geräumt zu übergeben, nicht nachgekommen waren und der Verpächter einen Exekutionsantrag gestellt hatte, woraus dessen Wille ersichtlich ist, den Bestandvertrag nicht fortsetzen zu wollen. Infolge Auflösung des Bestandvertrags war Paragraph 567, ZPO nicht anwendbar, sodass der Antrag auf Erlassung eines Übernahmsauftrags a limine als unzulässig zurückzuweisen war.

3. Nicht zu folgen ist dem Revisionsrekursvorbringen, der Antrag auf Erlassung eines Übernahmsauftrags wäre dennoch zuzustellen gewesen, um - sofern der Verpächter die Erhebung von Einwendungen verabsäumte - einen Übergabe- bzw Räumungstitel zum Termin 30. 9. 2005 zu schaffen; dieser hätte jenen im Räumungsverfahren bereits erwirkten (auf sofortige Räumung lautenden) Titel „verdrängt". Dabei übersehen die Revisionsrekurswerber, dass der Anwendbarkeit des § 567 ZPO die Gerichtskundigkeit der Auflösung des Bestandverhältnisses sowie die Tatsache der Exekutionsführung durch den Bestandgeber entgegenstand, sodass gerade nicht davon auszugehen war, dieser wolle trotz erwirktem Räumungstitel den Vertrag fortsetzen bzw neu begründen. Davon, dass die Zurückweisung des Antrags auf Erlassung eines Übernahmsauftrags einen unzulässigen Eingriff in einen sich aus der Dispositionsmaxime ergebenden, den Parteien offen stehenden „Gestaltungsspielraum" darstelle, kann keine Rede sein. Das im § 567 ZPO vorgesehene Instrumentarium dient gewiss nicht dazu, dem Bestandnehmer die Möglichkeit zu eröffnen, eine privatrechtliche Vereinbarung im Sinne eines (missbräuchlichen) Hinausschiebens eines bereits erwirkten Räumungstermins herbeizuführen.3. Nicht zu folgen ist dem Revisionsrekursvorbringen, der Antrag auf Erlassung eines Übernahmsauftrags wäre dennoch zuzustellen gewesen, um - sofern der Verpächter die Erhebung von Einwendungen verabsäumte - einen Übergabe- bzw Räumungstitel zum Termin 30. 9. 2005 zu schaffen; dieser hätte jenen im Räumungsverfahren bereits erwirkten (auf sofortige Räumung lautenden) Titel „verdrängt". Dabei übersehen die Revisionsrekurswerber, dass der Anwendbarkeit des Paragraph 567, ZPO die Gerichtskundigkeit der Auflösung des Bestandverhältnisses sowie die Tatsache der Exekutionsführung durch den Bestandgeber entgegenstand, sodass gerade nicht davon auszugehen war, dieser wolle trotz erwirktem Räumungstitel den Vertrag fortsetzen bzw neu begründen. Davon, dass die Zurückweisung des Antrags auf Erlassung eines Übernahmsauftrags einen unzulässigen Eingriff in einen sich aus der Dispositionsmaxime ergebenden, den Parteien offen stehenden „Gestaltungsspielraum" darstelle, kann keine Rede sein. Das im Paragraph 567, ZPO vorgesehene Instrumentarium dient gewiss nicht dazu, dem Bestandnehmer die Möglichkeit zu eröffnen, eine privatrechtliche Vereinbarung im Sinne eines (missbräuchlichen) Hinausschiebens eines bereits erwirkten Räumungstermins herbeizuführen.

Ein erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO liegt nicht vor. An den gegenteiligen Ausspruch des Rekursgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.Ein erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 528, Absatz eins, ZPO liegt nicht vor. An den gegenteiligen Ausspruch des Rekursgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E83277 1Ob127.06t-2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0010OB00127.06T.0123.000

Dokumentnummer

JJT_20070123_OGH0002_0010OB00127_06T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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