TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/26 2004/21/0150

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Veröffentlicht am 26.09.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §66 Abs5 idF 2002/I/126;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des H, vertreten durch Dr. Manfred Fuchsbichler, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Traungasse 14/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 24. April 2004, Zl. VwSen-400685/4/Gf/Jo, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. April 2004 ordnete die Bundespolizeidirektion Linz gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 61 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG iVm § 57 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung bzw. Zurückschiebung an. Der Beschwerdeführer wurde am selben Tag festgenommen. Bei seiner Vernehmung am nächsten Tag wurde mündlich die Ausweisung gemäß § 33 Abs. 1 FrG verfügt; der Beschwerdeführer wurde in der Folge nach Stellung eines Asylantrages am 26. April 2004 enthaftet.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. April 2004, der dem Beschwerdeführervertreter am 28. April 2004 zugestellt wurde, wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde vom 22. April 2004 als unbegründet ab. Begründend führte sie nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, dass ein Fremder, der sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, dann in Schubhaft genommen werden könne, wenn es für die Behörde plausibel erscheine, dass dieser im nunmehrigen Wissen um die zu erwartenden fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen versuchen könnte, sich dem weiteren Verfahren zu entziehen oder dieses zumindest zu erschweren und darüber hinaus die Voraussetzungen des § 66 FrG (gelindere Mittel) nicht vorlägen. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass er auf Grund der Adoptionsvereinbarung mit seinem Onkel als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen wäre. Er übersehe dabei jedoch, dass eine Adoptionsvereinbarung erst mit dem entsprechenden gerichtlichen Bewilligungsbeschluss wirksam werde. Er sei daher nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen, sodass er weder Niederlassungsnoch Sichtvermerksfreiheit genieße. Er halte sich sohin derzeit rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Auf Grund dieser Umstände sei aber die Prognose der Bundespolizeidirektion Linz, dass sich der Beschwerdeführer im nunmehrigen Wissen um die in Vollstreckung der Ausweisung drohende Abschiebung dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren zu entziehen versuche oder dieses zumindest erschweren könnte, "jedenfalls nicht unvertretbar". Wenn sich im Übrigen ergebe, dass der Beschwerdeführer zuletzt stets bei seiner Cousine polizeilich gemeldet gewesen sei und sich auch tatsächlich dort aufgehalten habe, so vermöge dies dennoch keinen Anspruch auf Anwendung gelinderer Mittel zu begründen, weil insbesondere auch durch eine mit einer zweitägigen behördlichen Meldung verbundenen Verpflichtung zur Unterkunftnahme nicht sichergestellt wäre, dass er gerade zum Zeitpunkt der kostenintensiven zwangsweisen Durchsetzung der Abschiebung per Flugzeug für die Exekutivorgane auch tatsächlich greifbar sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

§ 61 Abs. 1 FrG ermöglicht die Festnahme und Anhaltung (Schubhaft) von Fremden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Der durch die FrG-Novelle 2002 (BGBl. I Nr. 126) mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2003 dem bisherigen § 66 FrG neu angefügte Absatz 5 schließlich ordnet an, dass die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung, der Zurückschiebung oder Durchbeförderung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegensteht. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann dem Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 24 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0301), dass die fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen könne und das Sicherungserfordernis des § 61 Abs. 1 FrG in weiteren Umständen begründet sein müsse, wofür etwa mangelnde berufliche oder soziale Verankerung im Inland in Betracht käme. Nur bei einer derartigen - oder vergleichbaren - Konstellation könne die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig angesehen werden.

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer an seiner Wohnanschrift angetroffen und er hat bei seiner Vernehmung am 22. April 2004 vorgebracht, dass ihm eine Aufenthaltserlaubnis bis 8. Februar 2004 erteilt worden sei, er vorerst bei seinem Schwager und seiner Schwester gewohnt und die drei Kinder beaufsichtigt habe und dann zu seinem Onkel gezogen sei, der ihn adoptieren werde. Diese Umstände stellt die belangte Behörde nicht in Abrede. Davon ausgehend ist jedoch kein Verhalten des Beschwerdeführers zu erkennen, das den von der belangten Behörde getroffenen Schluss zuließe, es bestehe die Gefahr, dass der Beschwerdeführer untertauchen werde.

Die Relevanz der integrationsbegründenden Umstände verneinte die belangte Behörde - wie sich aus der zitierten Bescheidbegründung ergibt - mit einem Hinweis auf die Notwendigkeit, auf den Beschwerdeführer im Rahmen der Abschiebung auch tatsächlich greifen zu können.

Zum einen widerspricht sie mit diesem Argument der von ihr zuvor dargelegten Erwägung, maßgeblich sei die hier zu bejahende Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers. Zum anderen wird nicht verkannt, dass die erfolgreiche Durchführung einer Abschiebung regelmäßig Vorbereitungshandlungen erfordert, die zuletzt auch in Maßnahmen gegenüber dem abzuschiebenden Fremden münden müssen. Dass die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen schon präventiv die Verhängung von Schubhaft rechtfertige, lässt sich allerdings am Boden des § 66 Abs. 5 FrG nicht vertreten, geht diese Bestimmung doch gerade davon aus, dass die Verhängung von Schubhaft ungeachtet der zur Durchsetzung einer Abschiebung letztlich notwendigen Maßnahmen von Befehls- und Zwangsgewalt unterblieben ist (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Zl. 2005/21/0301).

Die belangte Behörde hat somit insgesamt mit ihrer Beurteilung, dass die Anordnung (und Aufrechterhaltung) der Schubhaft gerechtfertigt sei, die Rechtslage verkannt. Demnach war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 26. September 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Auslegung Diverses VwRallg3/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004210150.X00

Im RIS seit

06.11.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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