TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/26 2004/21/0146

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Veröffentlicht am 26.09.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs1 lita;
FrG 1993 §69 Abs2;
FrG 1997 §10 Abs2 Z2;
FrG 1997 §10 Abs2 Z5;
FrG 1997 §93 Abs1;
FrG 1997 §93 Abs2;
FrG 1997 §93;
MRK Art8 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der N, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid des Österreichischen Generalkonsulats Istanbul vom 28. April 2004, betreffend Visum, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 244,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten Bescheid wies das Österreichische Generalkonsulat Istanbul (die belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, vom 9. März 2004 auf Erteilung eines Visums in der Dauer von 90 Tagen mit dem Hinweis zurück, dass der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11. März 2004 die Möglichkeit zur Abgabe einer abschließenden Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen gegeben worden sei, das Generalkonsulat nunmehr definitiv entscheide und den Antrag gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 und 5 Fremdengesetz 1997 zurückweise.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der das Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden regelnde § 93 des Fremdengesetzes 1997 - FrG lautet:

"Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden

§ 93. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes zweckdienlichen Urkunden und sonstige Beweismittel selbst vorzulegen; die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Über schriftlichen oder niederschriftlichen Antrag der Partei ist die Entscheidung gemäß Abs. 1 auch schriftlich auszufertigen; hiebei sind außer der getroffenen Entscheidung die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen anzuführen; einer weiteren Begründung bedarf es nicht.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Behörde oder auf postalischem Wege zu erfolgen.

(4) Ergeht die Entscheidung in der Sache nicht binnen sechs Monaten nach Einbringung des Antrages, in den Fällen des Abs. 2 die schriftliche Ausfertigung nicht binnen zwei Monaten nach Einbringung des Antrages gemäß Abs. 2, so geht die Zuständigkeit zur Entscheidung oder Ausfertigung auf schriftlichen Antrag auf den Bundesminister für Inneres über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei ihm einzubringen. Er hat für die Entscheidung oder Ausfertigung die Abs. 1 bis 3 und 5 anzuwenden. Der Antrag ist jedoch abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Vertretungsbehörde zurückzuführen ist.

(5) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde, in den Fällen des Abs. 4 der Bundesminister für Inneres ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Sichtvermerksversagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein."

In der Beschwerde wird die Ansicht vertreten, dass es sich bei der angefochtenen Erledigung zwar um einen (bekämpfbaren) Bescheid handle, die Anführung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen allein jedoch nicht sicher stelle, dass sich die Entscheidung auf eine haltbare oder nachvollziehbare Begründung stütze. Demnach müssten verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 93 Abs. 2 FrG angemeldet werden. Im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit liege ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die "Verfassungssphäre" eingreife. Werde hingegen im Devolutionsweg das "Innenministerium" zuständig, so bestehe eine Begründungspflicht nach dem AVG, wodurch es zu einer ungleichen Behandlung komme.

Auch wenn in § 93 FrG von "Entscheidung" und nicht von "Bescheid" die Rede ist, unterliegt es doch keinem Zweifel, dass Entscheidungen der Vertretungsbehörden in Verfahren nach dem FrG als Bescheide im Sinn des Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG zu erlassen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2003, Zl. 2003/21/0092). Für das Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland gelten die im AVG niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung (so schon das zur vergleichbaren Bestimmung des § 69 Fremdengesetz 1992 ergangene hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1998, Zl. 97/21/0843). Die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens erfordern, dass der für eine Entscheidung maßgebliche Sachverhalt, wenn er schon nicht in der Begründung des Bescheides darzulegen ist, zumindest im Akt nachvollziehbar sein muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2001/21/0001, mwN). Dies entspricht den Voraussetzungen, die die Bundesverfassung im Zusammenhang mit den Minimalanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren postuliert (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 24. November 2003, B 1701/02). Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt ebenso wenig wie gegen die Bestimmung des § 69 Abs. 2 Fremdengesetz 1992 (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 97/21/0843) Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 93 Abs. 2 FrG. Daran vermag der Beschwerdehinweis, dass im Fall einer Devolution eine "Besserstellung" des Antragstellers erfolge, schon deswegen nichts zu ändern, weil gemäß § 93 Abs. 4 FrG der Bundesminister für Inneres bei seiner Entscheidung § 93 Abs. 1 bis 3 und 5 anzuwenden hat. Gegenteiliges ist auch dem in der Beschwerde zitierten hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2003/21/0025, nicht zu entnehmen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.

Aus dem Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin als Hausfrau bezeichnete und als einladende Person Sevket K, ihren Cousin, angab. Dem Antrag liegt eine Verpflichtungserklärung des Sevket K vom 23. Jänner 2004 bei, ebenso ein von diesem abgeschlossener Mietvertrag vom 12. Juni 2001 mit einem monatlichen Mietzins von S 7.700,--, eine Arbeitsbestätigung sowie Gehaltsabrechnungen über drei Monate.

Die belangte Behörde gab der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11. März 2004 bekannt, dass dem Visumantrag nicht stattgegeben werden könne, weil Grund zur Annahme bestehe, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte und dass sie das Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des Visums nicht unaufgefordert verlassen werde.

In der daraufhin erstatteten Stellungnahme vom 15. März 2004 hielt die Beschwerdeführerin fest, dass sie bei ihren Familienangehörigen in Österreich für die Dauer des Visums kostenlos Unterkunft und Verpflegung bekomme und ihre Kinder Orhan K und Ferdi K - der Aufenthalt in Österreich diene auch zu deren Besuch - seit vielen Jahren in Österreich aufenthaltsberechtigt seien. Eine Belastung einer Gebietskörperschaft könne daher nicht entstehen. Weiters bestehe kein Grund anzunehmen, dass sie nach Ablauf des Visums Österreich nicht unaufgefordert verlassen werde; sie sei in Istanbul familiär, sozial und wirtschaftlich integriert und betreibe eine kleine Landwirtschaft. In der Beschwerde wird sachverhaltsbezogen auf diese Stellungnahme verwiesen.

§ 10 FrG lautet auszugsweise:

Versagung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels

§ 10. (1)...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder im Gesundheitszeugnis gemäß § 8 Abs. 6 und 7 eine schwerwiegende Erkrankung aufweist oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;

2. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches;

3...."

Nach ständiger hg. Rechtsprechung liegt es am Fremden, die ihm zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel darzulegen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Dezember 2005, Zl. 2002/21/0218). Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin selbst über kein Einkommen verfügt und das Einkommen ihres als einladende Person bezeichneten und die Verpflichtungserklärung abgebenden Cousins - von Sonderzahlungen abgesehen - nach Abzug des in Exekution gezogenen Teiles nur etwas über EUR 800,-- monatlich beträgt und sich allein die Wohnungsmiete auf EUR 560,-- beläuft. Soweit die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme und auch in der Beschwerde zwei in Österreich aufenthaltsberechtigte und beschäftigte Kinder anspricht, fehlt dazu jegliche Konkretisierung und es wurden diese im Antrag auf Erteilung eines Visums auch nicht genannt. Somit bestehen gegen die Ansicht, der von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang herangezogene Versagungsgrund sei gegeben, keine Bedenken, weshalb die belangte Behörde schon darauf gestützt das begehrte Visum versagen durfte.

Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass die Behörde bei Anwendung eines in § 10 Abs. 2 FrG angeführten Versagungsgrundes zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht des Antragstellers aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Gründen gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2006, Zl. 2005/18/0688). Dadurch, dass der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid der für die Dauer von 90 Tagen geplante Besuch ihres in Österreich aufhältigen Cousins versagt wurde, wurde jedoch weder in einen aus Art. 8 EMRK ableitbaren Anspruch auf Achtung eines realen (erweiterten) Familienlebens (vgl. Wiederin in Korinek/Holoubek (Hrsg) Bundesverfassungsrecht, Art. 8 EMRK, Rz. 73 und 77) noch in einen im hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zlen. 2004/21/0195 bis 0197, unter Hinweis auf den Fall "Sen" (Urteil des EGMR vom 21. Dezember 2001) aufgezeigten Anspruch auf Familiennachzug eingegriffen. Somit liegt dem angefochtenen Bescheid auch in Ansehung des Art. 8 Abs. 1 EMRK keine Rechtswidrigkeit zur Last, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Da die belangte Behörde eine inhaltliche Prüfung vorgenommen hat, wurde die Beschwerdeführerin nicht dadurch in Rechten verletzt, dass ihr Antrag nicht abgewiesen, sondern zurückgewiesen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2007, Zl. 2007/18/0284).

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Umfang - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. September 2007

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004210146.X00

Im RIS seit

26.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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