TE OGH 2007/1/31 7Ob242/06y

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Veröffentlicht am 31.01.2007
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei A***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Egger & Musey Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 190.000 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Juni 2006, GZ 4 R 88/06g-37, womit das Zwischenurteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 18. Jänner 2006, GZ 5 Cg 102/05x-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien standen schon seit vielen Jahren in Geschäftsbeziehung hinsichtlich der Betriebe der Klägerin in Hard und Bregenz. Die Klägerin bediente sich im Verkehr mit der Beklagten eines unabhängigen Versicherungsmaklers. Im Herbst des Jahres 2000 fanden die ersten Gespräche über den Einschluss von Rückwirkungsschäden, die sich aus dem Stillstand des Tochterbetriebes der Klägerin in K***** für die Klägerin ergeben könnten, statt. Es standen nur die Gefahren „Flexa, Sturm und Leitungswasser" zur Diskussion. Die Gefahr Hochwasser wurde angesprochen, aber von der Klägerin als nicht versicherungsnotwendig erachtet, da die Betriebsanlage an der E***** bislang noch nie überschwemmt worden war. Die Rückwirkungsschäden wurden vorläufig provisorisch eingedeckt. Als versicherte Gefahren wurden „Flexa, Sturm, Leitungswasser" angeführt. Nachdem die provisorische Deckung mehrfach verlängert wurde, begehrte die Klägerin, vertreten durch den Versicherungsmakler, letztlich die Rückwirkungs- und Wechselwirkungsschäden, welche bisher provisorisch gedeckt waren, mit einer Versicherungssumme von S 33,000.000 (gerundet in EUR) definitiv in die Polizze miteinzuschließen. Versicherungsbeginn sollte der 1. 4. 2001 sein.

Mit 19. 9. 2001 stellte die Beklagte eine All-Risk-Polizze aus, von der auch der Betriebsunterbrechungsschaden im Fall von Feuer und Feuerbetriebsunterbrechungs-Zusatzgefahren umfasst waren. In der Beilage zur Versicherungsurkunde ist im Bereich „Betriebsunterbrechungs-Versicherung" unter anderem angeführt: „Rückwirkungsschäden auf erstes Risiko, Unterbrechungsschäden bei der Firma S*****, K***** s.r.o." und der Betrag S 33,024.720. Eine Einschränkung auf die Risken „Flexa, Sturm und Leitungswasser" findet sich in der Polizze nicht. In einem angefügten Beiblatt ergeben sich die gemäß den All-Risk-Sach- und Betriebsunterbrechungsbedingungen versicherten Risken, und zwar Leitungswasser, Sturm, Hagel und Überschwemmung.

Die Klägerin beabsichtigte zwar ursprünglich nicht, das Risiko „Überschwemmung" betreffend Rückwirkungsschäden, bezogen auf den Betrieb in K***** miteinzuschließen. Dem Versicherungsmakler der Klägerin fiel bei der Prüfung der Polizze auf, dass durch diese auch das Überschwemmungsrisiko miteingedeckt war und eine etwas höhere Prämie verrechnet wurde. Ob er mit dem Vertreter der Beklagten hinsichtlich der Abweichung in der Polizze Kontakt aufnahm, konnte ebenso wenig festgestellt werden wie der Umstand, ob der Beklagten bei der Ausstellung der Polizze ein Irrtum unterlief.

Die Klägerin bezahlte die in der Polizze ausgewiesene höhere Prämie.

Im August 2002 kam es zu einem „Jahrhunderthochwasser", bei dem unter anderem auch der Tochterbetrieb der Klägerin in K***** überschwemmt wurde, wodurch es zu einem Produktionsausfall mit Rückwirkungsfolgen für den Betrieb der Klägerin kam. Der Versicherungsmakler der Klägerin meldete den Schaden. Nach Aufnahme der Verhandlungen zur Schadenshöhe stellte sich die Beklagte auf den Standpunkt, dass ursprünglich das Risiko „Überschwemmung" für den Tochterbetrieb in K***** und dessen Rückwirkung auf den Betrieb der Klägerin nicht in Deckung genommen worden sei. Die Beklagte schrieb die für dieses Risiko bezahlte Mehrprämie von EUR 239,80 hinsichtlich des Zeitraums 1. 4. 2001 bis 30. 9. 2002 dem Konto der Klägerin gut und berichtigte die Polizze. Die Klägerin widersprach der Gutschrift.

Die Klägerin begehrt die Deckung des Rückwirkungsschadens, der durch die Überschwemmung entstanden ist. Nach Zugang der Polizze habe ihr Versicherungsmakler mit dem Mitarbeiter der Beklagten Kontakt aufgenommen. Man sei so verblieben, dass es mit dem Inhalt der Polizze sein Bewenden haben solle, zumal nur eine geringfügig höhere Prämie von der Klägerin zu bezahlen sei.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, dass in der Polizze irrtümlich keine Einschränkung auf die Gefahren "Flexa, Sturm und Leitungswasser" erfolgt sei. Dem Makler hätte die irrtümliche Polizzierung auffallen müssen. Der Vertrag sei auf Basis der tatsächlich übereinstimmenden Willenserklärungen zustande gekommen. Der Versicherungsmakler habe mit der Beklagten vor Eintritt des Schadensfalles keinen Kontakt aufgenommen.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Nach dem Text der Versicherungspolizze sei das Überschwemmungsrisiko miteingedeckt. Wenn eine Polizze zum Vorteil des Versicherungsnehmers vom Versicherungsantrag abweiche, gelte das in der Polizze festgehaltene und die Abweichung gemäß § 5 Abs 1 VersVG als genehmigt. Ein Irrtum der Beklagten habe nicht festgestellt werden können.Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Nach dem Text der Versicherungspolizze sei das Überschwemmungsrisiko miteingedeckt. Wenn eine Polizze zum Vorteil des Versicherungsnehmers vom Versicherungsantrag abweiche, gelte das in der Polizze festgehaltene und die Abweichung gemäß § 5 Absatz eins, VersVG als genehmigt. Ein Irrtum der Beklagten habe nicht festgestellt werden können.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dass der Versicherungsvertrag nicht bereits mündlich anlässlich eines Gespräches zwischen dem Versicherungsmakler und dem Mitarbeiter der Beklagten zustande gekommen sei, zumal die Beklagte nie behauptet habe, dass ihr Mitarbeiter mit Abschlussvollmacht ausgestattet gewesen sei. Ein Versicherungsagent sei wohl bevollmächtigt, Anträge auf Abschluss eines Versicherungsvertrages entgegenzunehmen, wenn er mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen betraut sei, nicht jedoch zum Abschluss von Versicherungsverträgen. Die Polizze habe daher nicht nur deklarative Wirkung. Die Polizze weiche in mehreren Punkten vom Antrag ab, nämlich dadurch, dass von den versicherten Gefahren auch das Risiko „Überschwemmung" umfasst sei, und weitere hinsichtlich der Höhe der Prämie und der Haftungszeit (12 Monate statt 9 Monate). Zum Schutz des Versicherungsnehmers, der grundsätzlich darauf vertrauen dürfe, dass sein Antrag unverändert angenommen werde, sei nach § 5 VersVG die Genehmigungsfiktion dann anzunehmen, wenn die im § 5 Abs 2 VersVG angeführten Voraussetzungen kumulativ vorlägen. Habe der Versicherer auch nur einer dieser drei Anforderungen nicht oder teilweise nicht entsprochen, so sei die Abweichung für den Versicherungsnehmer unverbindlich und der Inhalt des Versicherungsantrages insoweit als vereinbart anzusehen. Dies gelte freilich nur bei solchen Abweichungen, die für den Versicherungsnehmer ungünstig seien. Bei zum Teil für den Versicherungsnehmer günstigen, zum Teil ungünstigen Abweichungen gelte § 5 Abs 3 VersVG; es sei also der Inhalt des Versicherungsantrages als vereinbart anzusehen, wenn der Versicherer auf die ungünstigen und/oder „neutralen" Abweichungen nicht hingewiesen habe. Weiche aber der Versicherungsschein versehentlich, etwa infolge eines Schreibfehlers, zugunsten des Versicherungsnehmers vom Antrag ab, könne der Versicherer nachweisen, dass der Versicherungsnehmer das wirklich Gewollte erkannt habe. Es komme der Vertrag auf der Basis des tatsächlich übereinstimmenden Willens zustande. Von einer bloßen falsa demonstratio, also von einem offenbaren Eingabe- oder Schreibfehler, könne bei Einschluss eines zusätzlichen Risikos bei erhöhter Prämie und einer Verlängerung der Haftungszeit nicht gesprochen werden. Diese Abänderungen indizierten ein bewusstes Abgehen vom Versicherungsantrag. Für die Anwendung des § 5 VersVG sei es unerheblich, ob die Abweichung vom Versicherer gewollt gewesen sei. § 5 VersVG sei eine Schutzbestimmung zugunsten des Versicherten. Dies ergebe sich insbesondere auch aus dem Wortlaut des Abs 3 leg cit, wonach eine Abweichung der Polizze vom Versicherungsantrag, soweit der Versicherer den Anforderungen des Abs 2 leg cit nicht entsprochen habe, nicht für beide Vertragsparteien, sondern nur für den Versicherungsnehmer unverbindlich sei. Argumentum e contrario sei also die Abweichung für den Versicherer sehr wohl verbindlich. Der Versicherer könne sich daher nicht auf die Bestimmung des § 5 Abs 3 VersVG berufen, ausgenommen, wenn er dem Dissenseinwand des Versicherungsnehmer entgegentreten wolle. Bei anderer Ansicht würde der Versicherer stets risikolos den Umfang der Versicherung gegen höhere Prämie in der Polizze ausweiten, die Prämie erlangen und nur für den seltenen Fall des Eintritts eines Schadensfalles sich auf die Deckungsfreiheit wegen Unverbindlichkeit unter gleichzeitiger Zurückzahlung der kassierten Mehrprämie berufen können. Der wirtschaftlich und strukturell gegenüber dem Versicherungsnehmer wesentlich stärkere Versicherer bedürfe eines derartigen Schutzes für eigene Fehlhandlungen nicht. Es müsse dem Wahlrecht des Versicherungsnehmers unterliegen, ob eine Abänderung günstig oder ungünstig für ihn sei. Es sei daher der Klägerin zuzugestehen, dass sie die Ausdehnung des Versicherungsschutzes durch den Einschluss des Risikos „Überschwemmungsschaden" und die Verlängerung der Haftungszeit um ein Drittel gegen geringfügig erhöhte Prämie für günstig erachtet habe. Es wäre aber auch der Klägerin zuzubilligen gewesen, sich darauf zu berufen, dass die Abänderung für sie ungünstig sei, wenn sie den ausgedehnten Versicherungsschutz nicht gewollt hätte. Der vorliegende Fall weiche insofern von den Entscheidungen 7 Ob 47/00p und 7 Ob 69/01z ab, als sich dort jeweils der Versicherungsnehmer auf die für ihn gegenüber der Polizzierung günstigeren Bedingungen in den Versicherungsanträgen berufen habe. Die Polizzierung stelle hier keine Annahme des Antrags der Klägerin dar, sondern ein Gegenanbot, das auch vom Versicherungsmakler der Klägerin als solches erkannt worden sei. Dieses sei von der Klägerin dadurch stillschweigend angenommen worden, dass sie keinen Widerspruch erhoben und die begehrte höhere Prämie anstandslos bezahlt habe. Die Beklagte habe daher der Klägerin den Schaden zu decken.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu einem Fall, in dem sich der Versicherer auf die Unverbindlichkeit der Polizze berufe, weil für ihn der Inhalt des Versicherungsantrages günstiger sei, nicht vorliege und der Frage, ob die Bestimmung des § 5 VersVG auch den Versicherer vor von ihm abgegebenen ungünstigen Vertragserklärungen schützen solle, Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Weicht der Inhalt des Versicherungsscheines vom Antrag oder den getroffenen Vereinbarungen ab, so gilt die Abweichung als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monates nach Empfang des Versicherungsscheines schriftlich widerspricht (§ 5 Abs 1 VersVG). Diese Genehmigung ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheines darauf hingewiesen hat, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monates nach Empfangnahme des Versicherungsscheines schriftlich widerspricht. Der Hinweis hat durch besondere schriftliche Mitteilung oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein, der aus dem übrigen Inhalt des Versicherungsscheines hervorzuheben ist, zu geschehen; auf die einzelnen Abweichungen ist besonders aufmerksam zu machen (§ 5 Abs 2 VersVG). Hat der Versicherer den Vorschriften des Abs 2 nicht entsprochen, so ist die Abweichung für den Versicherungsnehmer unverbindlich und der Inhalt des Versicherungsantrages insoweit als vereinbart anzusehen (§ 5 VersVG Abs 3). § 5 VersVG entspricht wortgleich der deutschen Bestimmung in § 5 VVG. Wegen seines Grundgedankens der Billigung eines bestimmten vom Antrag abweichenden Vertragsinhaltes durch den Versicherungsnehmer wird diese Bestimmung auch als „Billigungsklausel" bezeichnet und dient dem Schutz des Versicherungsnehmers, der grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass sein Antrag unverändert angenommen worden ist (7 Ob 69/01z). Weiters soll der Versicherungsnehmer vor einem unerkannten Dissens und damit vor einer überraschenden Versicherungslosigkeit geschützt werden (Koziol, Begünstigende Abweichungen im Versicherungsschein, JBl 1981, 574 [579]). Die vorliegenden Abänderungen des Versicherungsantrages durch die von der Beklagten zugesandte Polizze, nämlich die Erweiterung des Deckungsumfanges und der Laufzeit gegen Prämienerhöhung (dies ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden und blieb unbestritten), sind Abweichungen, die vom § 5 VersVG umfasst sind (vgl die beispielhafte Aufzählung in Schwintowski, in BK, § 5 VVG, Rn 13 f, Prölss in Prölss/Martin, § 5 VVG, Rn 3a f). Aus den Feststellungen kann weder ein Dissens noch eine falsa demonstratio abgeleitet werden. Auf die Regeln des Dissenses müsste nämlich nur dann zurückgegriffen werden, wenn der Versicherer vom Gesamtantrag abgewichen wäre (7 Ob 69/01z, SZ 57/94, JBl 1999, 730). Dissens ist aber durch den nicht beantragten Einschluss von einem weiteren Risiko im vorliegenden Fall nicht gegeben. Andererseits kann die Beklagte auch nicht für sich in Anspruch nehmen, dass ihr nur ein Schreibfehler unterlaufen wäre und beide Parteien ohnedies das Gleiche gewollt hätten, was Voraussetzung für eine falsa demonstratio wäre. Diese könnte nur dann vorliegen, wenn objektiv für den Versicherungsnehmer erkennbar gewesen wäre, dass der Versicherer seinen Antrag unverändert annehmen wollte und eben bloß der Versicherungsschein dies unrichtig beurkunde (Koziol, aaO, Seite 576; Prölss, aaO, Rn 8; Schwintowski aaO Rn 16). Die darauf hinauslaufende Argumentation der Beklagten übergeht, dass nicht einmal feststeht, dass die Abweichungen durch einen Irrtum der Beklagten verursacht worden wären.Weicht der Inhalt des Versicherungsscheines vom Antrag oder den getroffenen Vereinbarungen ab, so gilt die Abweichung als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monates nach Empfang des Versicherungsscheines schriftlich widerspricht (§ 5 Absatz eins, VersVG). Diese Genehmigung ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheines darauf hingewiesen hat, dass Abweichungen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monates nach Empfangnahme des Versicherungsscheines schriftlich widerspricht. Der Hinweis hat durch besondere schriftliche Mitteilung oder durch einen auffälligen Vermerk im Versicherungsschein, der aus dem übrigen Inhalt des Versicherungsscheines hervorzuheben ist, zu geschehen; auf die einzelnen Abweichungen ist besonders aufmerksam zu machen (§ 5 Abs 2 VersVG). Hat der Versicherer den Vorschriften des Abs 2 nicht entsprochen, so ist die Abweichung für den Versicherungsnehmer unverbindlich und der Inhalt des Versicherungsantrages insoweit als vereinbart anzusehen (§ 5 VersVG Abs 3). § 5 VersVG entspricht wortgleich der deutschen Bestimmung in § 5 VVG. Wegen seines Grundgedankens der Billigung eines bestimmten vom Antrag abweichenden Vertragsinhaltes durch den Versicherungsnehmer wird diese Bestimmung auch als „Billigungsklausel" bezeichnet und dient dem Schutz des Versicherungsnehmers, der grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass sein Antrag unverändert angenommen worden ist (7 Ob 69/01z). Weiters soll der Versicherungsnehmer vor einem unerkannten Dissens und damit vor einer überraschenden Versicherungslosigkeit geschützt werden (Koziol, Begünstigende Abweichungen im Versicherungsschein, JBl 1981, 574 [579]). Die vorliegenden Abänderungen des Versicherungsantrages durch die von der Beklagten zugesandte Polizze, nämlich die Erweiterung des Deckungsumfanges und der Laufzeit gegen Prämienerhöhung (dies ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden und blieb unbestritten), sind Abweichungen, die vom § 5 VersVG umfasst sind vergleiche die beispielhafte Aufzählung in Schwintowski, in BK, § 5 VVG, Rn 13 f, Prölss in Prölss/Martin, § 5 VVG, Rn 3a f). Aus den Feststellungen kann weder ein Dissens noch eine falsa demonstratio abgeleitet werden. Auf die Regeln des Dissenses müsste nämlich nur dann zurückgegriffen werden, wenn der Versicherer vom Gesamtantrag abgewichen wäre (7 Ob 69/01z, SZ 57/94, JBl 1999, 730). Dissens ist aber durch den nicht beantragten Einschluss von einem weiteren Risiko im vorliegenden Fall nicht gegeben. Andererseits kann die Beklagte auch nicht für sich in Anspruch nehmen, dass ihr nur ein Schreibfehler unterlaufen wäre und beide Parteien ohnedies das Gleiche gewollt hätten, was Voraussetzung für eine falsa demonstratio wäre. Diese könnte nur dann vorliegen, wenn objektiv für den Versicherungsnehmer erkennbar gewesen wäre, dass der Versicherer seinen Antrag unverändert annehmen wollte und eben bloß der Versicherungsschein dies unrichtig beurkunde (Koziol, aaO, Seite 576; Prölss, aaO, Rn 8; Schwintowski aaO Rn 16). Die darauf hinauslaufende Argumentation der Beklagten übergeht, dass nicht einmal feststeht, dass die Abweichungen durch einen Irrtum der Beklagten verursacht worden wären.

Die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen sind nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (RIS-Justiz RS0014205). Maßgeblich ist also der objektive Erklärungswert (RIS-Justiz RS0014160). Der objektive Erklärungswert der Polizze ist, dass die Beklagte an die Klägerin ein neues Anbot zum Abschluss eines Versicherungsvertrages stellte, bei dem die Einschränkung der versicherten Risken unterbleiben und die Versicherungsdauer gegen Erhöhung der Prämie verlängert werden sollte. Die Klägerin konnte nach den äußeren Umständen nicht annehmen, dass der Beklagten diese Abänderungen bloß irrtümlich unterlaufen sein könnten, ist doch vom objektiven Empfängerhorizont aus gesehen ein Schreibfehler im herkömmlichen Sinn bei dieser Fülle von (in sich folgerichtigen) Abweichungen nicht zu vermuten.

§ 5 Abs 2 und 3 VersVG gilt nur bei solchen Abweichungen, die dem Versicherungsnehmer ungünstig sind, nicht jedoch bei solchen, die für den Versicherungsnehmer günstig sind (Koziol, aaO, 574 ff [584]; Prölss aaO Rn 6; Schwintowski, aaO, Rn 16). Enthält aber der Versicherungsschein zum Teil für den Versicherungsnehmer günstige, zum Teil ungünstige Abweichungen oder hängt es vom Lauf der Dinge ab, ob sich eine Abweichung als günstig oder ungünstig erweist, so gilt § 5 Abs 3 VersVG, wenn der Versicherer auf die ungünstige und/oder „neutrale" Abweichung nicht hingewiesen hat (7 Ob 47/00p, 7 Ob 69/01z; Prölss aaO Rn 7). Im Hinblick darauf, dass § 5 VersVG eine Schutzvorschrift für den Versicherungsnehmer darstellt, muss die Beurteilung, ob die Abweichung der Versicherungspolizze vom Versicherungsantrag für den Versicherungsnehmer vorteilhaft oder nachteilig ist, subjektiv erfolgen (Koziol, aaO, 578; Schreiber, Zur Anwendung der Billigungsklausel des § 5 VVG in VersR 1994, 760 [764]).

Der vorliegende Rechtsfall ist mit der Entscheidung 7 Ob 47/00p nicht vergleichbar. Dort lag die Abweichung in den verschiedenen Fassungen der AUVB in Antrag und Polizze, auf die sich der Versicherer berief. Keine der Fassungen in ihrer Gesamtheit betrachtet konnte aber als für den Versicherungsnehmer jedenfalls günstiger angesehen werden, sodass eine subjektive Vorteilhaftigkeit oder Nachteiligkeit der einen oder anderen Fassung weder feststand noch sich aus dem Sachverhalt ableiten ließ. Im vorliegenden Fall hingegen erkannte der Vertreter der Klägerin, dessen Wissen ihr zuzurechnen ist, die Abweichungen vom Versicherungsantrag und bewertete diese im Zusammenhalt mit der dafür vorgeschriebenen etwas höheren Prämie als für die Versicherungsnehmerin günstig, was sich auch daraus ergibt, dass die Klägerin diese gegenüber dem Antrag höheren Prämien in Kenntnis der Abweichung anstandslos bezahlte. Die subjektive Bewertung der Klägerin, dass die Abweichung günstig für sie ist, ist ausschlaggebend.

Es stehen also im vorliegenden Fall ausschließlich die Klägerin in diesem Sinn begünstigende Abweichungen zur Entscheidung an, sodass § 5 Abs 2 und 3 VersVG nicht zur Anwendung gelangen und sich daher der beklagte Versicherer nicht darauf berufen kann, dass mangels Hinweises auf die Abweichung allein der Versicherungsantrag Vertragsinhalt geworden wäre.

Geht man nun - wie oben dargelegt - davon aus, dass in der Polizze ein Anbot der Beklagten auf Abschluss eines vom Antrag abweichenden Versicherungsvertrages liegt, weil die Erklärung der Beklagten vom objektiven Empfängerhorizont nicht anders verstanden werden konnte, so liegt in der vorbehaltlosen Zahlung der gegenüber dem Antrag erhöhten Prämie in Kenntnis dieser Abweichung eine konkludente Anbotsannahme. Es kam daher letztlich der Vertrag mit dem Inhalt, wie er in der Polizze dargestellt ist, zustande (vgl Koziol, aaO, 582; Schwintowski, aaO, Rn 24).Geht man nun - wie oben dargelegt - davon aus, dass in der Polizze ein Anbot der Beklagten auf Abschluss eines vom Antrag abweichenden Versicherungsvertrages liegt, weil die Erklärung der Beklagten vom objektiven Empfängerhorizont nicht anders verstanden werden konnte, so liegt in der vorbehaltlosen Zahlung der gegenüber dem Antrag erhöhten Prämie in Kenntnis dieser Abweichung eine konkludente Anbotsannahme. Es kam daher letztlich der Vertrag mit dem Inhalt, wie er in der Polizze dargestellt ist, zustande vergleiche Koziol, aaO, 582; Schwintowski, aaO, Rn 24).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 393 Abs 4 iVm 52 Abs 2 ZPO.

Textnummer

E83301

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0070OB00242.06Y.0131.000

Im RIS seit

02.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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