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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 11. Juli 2007, Zl. 2 F 362/1- 2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und aus dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid, der als integrierenden Bestandteil auch die Berufung enthält, ergibt sich Folgendes:
Der am 10. November 1985 geborene Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste am 8. Juni 2004 illegal nach Österreich ein und stellte am 11. Juni 2004 einen Asylantrag, der mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Februar 2005 abgewiesen wurde.
Am 31. Jänner 2005 hatte der Beschwerdeführer vor dem Standesamt Graz die österreichische Staatsangehörige Kerstin S. geheiratet. Im Hinblick darauf stellte er am 13. April 2005 bei der Bundespolizeidirektion Graz einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich, § 49 Abs. 1 FrG".
Mit Bescheid vom 13. Juni 2007 erließ die Bundespolizeidirektion Graz - ausgehend von einer "Scheinehe" zwischen dem Beschwerdeführer und Kerstin S. - gegen den Beschwerdeführer ein auf § 86 Abs. 1 iVm § 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gestütztes Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (die belangte Behörde) mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. Juli 2007 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid näher begründete beweiswürdigende Überlegungen an, bei denen sie sich auf die für widerspruchsfrei und glaubwürdig erachteten Angaben von Kerstin S. in den Niederschriften vom 15. März 2003 und vom 30. Jänner 2006 sowie auf die Aussage von deren Mutter, die bereits am 8. Februar 2005 von sich aus zur Erstbehörde gekommen sei und das Vorliegen einer Scheinehe zwischen ihrer Tochter und dem Beschwerdeführer dargelegt habe, stützte. Davon ausgehend kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer habe mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. eines Niederlassungsnachweises auf die Ehe berufen, obwohl er mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nachweislich nicht geführt habe. Eine eheliche Gemeinschaft "im herkömmlichen Sinn" habe nie bestanden und sei beiderseits auch nie beabsichtigt gewesen. Dadurch sei der für die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 86 Abs. 1 FPG als Orientierungsmaßstab dienende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG verwirklicht, sodass die Annahme gerechtfertigt sei, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung (das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen).
Die belangte Behörde ging angesichts des Aufenthalts des Beschwerdeführers seit Anfang Juni 2004, seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit als Hilfsarbeiter und dem langjährigen Aufenthalt seiner Eltern und Geschwister, die alle österreichische Staatsangehörige seien, von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten "relevanten" Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers aus. Jedoch sei die Aufenthaltsdauer "noch nicht allzu lange" und der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt ausschließlich durch die eingegangene Aufenthaltsehe ermöglicht worden. Durch sein Fehlverhalten habe der Beschwerdeführer aber das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen erheblich beeinträchtigt. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei daher im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und nach Abwägung der gegenläufigen Interessen nach § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Auch das der Behörde eingeräumte Ermessen könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgeübt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer ist als Ehemann Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG. Diese Bestimmungen sind auch dann auf Angehörige von Österreichern anzuwenden, wenn Letztere ihr (gemeinschaftsrechtlich begründetes) Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen haben. Nach § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat. Für die Erfüllung des zitierten Tatbestandes kommt es darauf an, dass eine Aufenthaltsehe missbräuchlich zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen eingegangen wurde. So führen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FPG (952 BlgNR 22. GP 99) aus, dass dieses Aufenthaltsverbot Fremde betrifft, "die eine Ehe nur deshalb abgeschlossen haben, um sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese zu berufen, ohne ein Eheleben zu führen" (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/21/0106, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2006/21/0391; siehe zuletzt daran anknüpfend auch das Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246).
Den Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen bildet die Kritik an der behördlichen Beweiswürdigung, mit denen es dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelingt, eine diesbezügliche Unschlüssigkeit aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt - im Rahmen der ihm insoweit zukommenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis - keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde ihre Einschätzung zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe vor allem auf die bereits kurz nach der Eheschließung getätigte und auch bei ihrer Vernehmung Ende Jänner 2006 aufrecht erhaltene Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers stützte. Ihren Angaben, wonach der Beschwerdeführer und sie nie ein gemeinsames Eheleben geführt hätten, ein solches von beiden auch nie beabsichtigt gewesen sei, sie den Beschwerdeführer höchstens drei- bis fünfmal gesehen habe, sie nach der Eheschließung "getrennte Wege" gegangen seien und die Ehe nach Erhalt der "Aufenthaltserlaubnis" hätte beendet werden sollen, tritt die Beschwerde nämlich nicht konkret entgegen. Es wird auch nicht plausibel erklärt, weshalb es trotz einer von Seiten des Beschwerdeführers angeblich "aus Liebe" erfolgten Eheschließung nie zu einem Zusammenleben der Ehepartner gekommen ist. In der Beschwerde wird auch nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen die belangte Behörde die mit der Aussage ihrer Mutter übereinstimmenden Angaben seiner Ehefrau nicht für glaubwürdig hätte erachten dürfen. Schließlich wird in der Beschwerde auch nicht argumentativ dargelegt, weshalb den Angaben des Beschwerdeführers, der nach der im Bescheid enthaltenen und in der Beschwerde unwidersprochen gebliebenen Wiedergabe seiner Aussage das Vorliegen einer Scheinehe nur pauschal damit bestritten hat, dass "dies so nicht stimmt", eine höhere Glaubwürdigkeit zukommen soll. Einen - wenn auch nicht einzigen - Gesichtspunkt der Beweiswürdigung durfte auch die Überlegung bilden, dass nicht anzunehmen sei, die Zeuginnen würden sich grundlos der Gefahr eines Strafverfahrens wegen falscher Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde nach § 289 StGB aussetzen. In diesem Zusammenhang bleibt die dieses Argument rügende Beschwerde vor allem nämlich eine mögliche Erklärung dafür schuldig, aus welchem Motiv die Ehefrau des Beschwerdeführers und deren Mutter gegenüber den Behörden unrichtig das Vorliegen einer Aufenthaltsehe behauptet haben sollen.
Die beweiswürdigenden Schlussfolgerungen der belangte Behörde in Richtung des Vorliegens einer sogenannten "Aufenthaltsehe" sind somit vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstanden. Entgegen den Beschwerdeausführungen ist der belangten Behörde in diesem Zusammenhang aber auch kein Verfahrensmangel von Relevanz vorzuwerfen. Einerseits wurde die Einvernahme des Arbeitskollegen der Ehefrau der Beschwerdeführerin, der zwischen ihr und dem Beschwerdeführer vermittelt haben soll, in der Berufung gar nicht beantragt, andererseits wurde in diesem Zusammenhang in der Berufung auch nur die - nicht entscheidungswesentliche - Frage aufgeworfen, ob der Genannte mit dem Beschwerdeführer verwandt ist oder nicht. Schließlich wird aber auch in der Beschwerde nicht dargetan, über welche konkreten Tatsachen betreffend ein tatsächlich geführtes Familienleben zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau der Arbeitskollege (eigene) Wahrnehmungen gemacht habe und in welchen Punkten dessen Aussage die von der belangten Behörde verwerteten Beweisergebnisse hätte entkräften können.
Auf Basis der getroffenen Feststellungen, denen sich entgegen der Auffassung in der Beschwerde auch in ausreichender Weise eine "Missbrauchsabsicht" des Beschwerdeführers entnehmen lässt, ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass der - wie erwähnt als Orientierungsmaßstab maßgebliche - Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG vorliegend verwirklicht wurde. Soweit dies unter Hinweis auf die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe seine Ehefrau "einzig aus Liebe" geheiratet, bestritten wird, geht die Beschwerde nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass damit keine inhaltliche Rechtswidrigkeit dargetan wird. Ohne Einfluss auf die Tatbestandsverwirklichung ist - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht - aber auch, dass ihn seine Ehefrau "aus Mitleid" und ohne hiefür einen Vermögensvorteil erhalten zu haben, geheiratet hat. Anders als § 36 Abs. 2 Z 9 des bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen Fremdengesetzes 1997 setzt § 60 Abs. 2 Z 9 FPG nämlich für die Annahme einer Aufenthaltsehe nicht die Leistung eines Vermögensvorteils für die Eheschließung voraus.
In der Beschwerde wird weder die von der belangte Behörde für gerechtfertigt angesehene Prognose im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) in Frage gestellt, noch die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes unter dem Gesichtspunkt des § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG bestritten. Diese Annahmen der belangten Behörde sind auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstanden (vgl. auch dazu das schon erwähnte Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246).
Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 26. September 2007
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007210352.X00Im RIS seit
31.10.2007Zuletzt aktualisiert am
07.12.2011