Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Florian S*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Altmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Vera (Veronika) L*****, vertreten durch Dr. Renate Weinberger, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung einer Erbunwürdigkeit, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2006, GZ 16 R 151/06b-52, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 7. Mai 2006, GZ 10 Cg 80/04i-47, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die am 23. März 2000 Monate verstorbene Dr. Mascha H***** (Witwe des bekannten, ebenfalls bereits verstorbenen Wiener Psychiaters) hatte sich bei der beklagten Psychologin jahrelang bis 1994 einer psychotherapeutischen Gesprächstherapie unterzogen. Sie setzte die Beklagte mit Testament vom 18. Oktober 1994 zur Erbin mit der Auflage ein, „die Hälfte des reinen Nachlassvermögens zur Finanzierung eines Auslandsstudiums" des damals noch minderjährigen, 1977 geborenen Klägers zu verwenden. Der Nachlass wurde der Erbin zur Verwaltung übergeben. Der Reinnachlass betrug 6,283.812,57 S (= 456.662,47 EUR) und umfasste ua eine Eigentumswohnung und Fahrnisse, die von der Erbin verkauft wurden.
Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die Beklagte kein Erbrecht habe und stützte sein Begehren auf folgende wesentliche Punkte:
1. Durch den Verkauf und die Verschleuderung der Wohnung samt Fahrnissen sei die Erbin erbunwürdig geworden; 2. nach dem Willen der Erblasserin sei der Kläger zum Alleinerben und die Beklagte nur zur Testamentsvollstreckerin eingesetzt worden; 3. der Kläger komme als eingesetzter Ersatzerbe zum Zug; 4. die Erblasserin sei aufgrund der therapeutischen Behandlung durch die Beklagte zumindest partiell testierunfähig gewesen; 5. der Beklagten sei es wegen der durchgeführten Behandlung untersagt, eine letztwillige Verfügung der Patientin anzunehmen (Einwand der Sittenwidrigkeit und der Standeswidrigkeit).
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.
Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO unzulässig:
Rechtliche Beurteilung
I. Die zum Thema der Testierunfähigkeit relevierte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz wegen Nichteinholung des beantragten Sachverständigengutachtens kann nicht mit Revision geltend gemacht werden, weil das Berufungsgericht den gerügten Mangel behandelt, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens aber verneint hat, woran der Oberste Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung gebunden ist (RIS-Justiz RS0042963).römisch eins. Die zum Thema der Testierunfähigkeit relevierte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz wegen Nichteinholung des beantragten Sachverständigengutachtens kann nicht mit Revision geltend gemacht werden, weil das Berufungsgericht den gerügten Mangel behandelt, eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens aber verneint hat, woran der Oberste Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung gebunden ist (RIS-Justiz RS0042963).
Die Rechtsausführungen zum Thema einer partiellen Testierunfähigkeit der Erblasserin aufgrund ihres therapiebedingten Abhängigkeitsverhältnisses zur Beklagten sind nicht entscheidungswesentlich, weil nach den getroffenen Feststellungen von einer vollständigen oder partiellen Testierunfähigkeit keine Rede sein kann. Im Übrigen entspricht die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts, dass eine partielle Testierunfähigkeit die gesamte letztwillige Verfügung (auch zum Nachteil des Klägers) unwirksam machte, entgegen der Ansicht des Revisionswerbers der zitierten Vorentscheidung 2 Ob 609/87.
II. Auch mit den Revisionsausführungen zum Thema der Sittenwidrigkeit der Erbserklärung der Beklagten wegen Verletzung von Standes- bzw. Berufspflichten werden keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt:römisch II. Auch mit den Revisionsausführungen zum Thema der Sittenwidrigkeit der Erbserklärung der Beklagten wegen Verletzung von Standes- bzw. Berufspflichten werden keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt:
Selbst wenn man die Bestimmung des § 879 Abs 1 ABGB über den Gesetzeswortlaut hinaus nicht nur auf Verträge und einseitige (einseitig verbindliche) Rechtsgeschäfte, sondern auch auf einseitige Erklärungen wie eben eine Erbserklärung anwendete, müssten die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit, wie sie in der stRsp grundsätzlich definiert sind, vorliegen. Ein Geschäft ist iSd § 879 Abs 1 ABGB sittenwidrig, wenn es, ohne gegen ein positives inländisches Gesetz zu verstoßen, offenbar rechtswidrig ist, also ungeschriebenes Recht, insbesondere allgemeine und oberste Rechtsgrundsätze, verletzt, was dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, das ist dasjenige aller billig und gerecht Denkenden, widerspricht. Maßgebend sind die Wertentscheidungen und Grundprinzipien der Rechtsordnung. Die „Gute-Sitten-Klausel" soll den Richter in die Lage versetzen, bei offener Rechtswidrigkeit helfend einzugreifen. Dies ist unter Berücksichtigung aller Umstände anhand der von der Gesamtrechtsordnung geschützten Interessen zu beurteilen, wobei es auf Inhalt, Zweck und Beweggrund des Geschäfts, also auf seinen Gesamtcharakter, ankommt. Wegen des Grundsatzes der Privatautonomie wird eine solche Rechtswidrigkeit nach einer Interessenabwägung nur dann bejaht, wenn sie eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergibt (1 Ob 544/95 = SZ 68/64 mwN uva). Für Psychotherapeuten enthält das Gesetz (Psychotherapiegesetz BGBl 1990/361) kein Verbot, Erbschaften anzunehmen. Ihr Berufskodex (Beil ./K) verpflichtet nur dazu, „alle dem psychotherapeutischen Verhältnis fremde persönliche, wirtschaftliche und soziale Verstrickungen mit den Patientinnen oder den Patienten zu meiden". Von einem Missbrauch des Abhängigkeitsverhältnisses kann bei einer Erbserklärung, die erst mehrere Jahre nach Beendigung der Therapie aufgrund eines Testaments, von dessen Errichtung die Therapeutin keine Ahnung hatte, abgegeben wurde, keine Rede sein. Besondere Umstände, wonach die Annahme einer Erbschaft durch einen Psychotherapeuten als grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen qualifiziert werden müsste, vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen. Die Revisionsausführungen, dass ein (jeder) Psychotherapiepatient sich gegenüber dem Therapeuten „in einem kindlichen Ausnahmezustand" befinde, gehen am festgestellten Sachverhalt vorbei.Selbst wenn man die Bestimmung des Paragraph 879, Absatz eins, ABGB über den Gesetzeswortlaut hinaus nicht nur auf Verträge und einseitige (einseitig verbindliche) Rechtsgeschäfte, sondern auch auf einseitige Erklärungen wie eben eine Erbserklärung anwendete, müssten die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit, wie sie in der stRsp grundsätzlich definiert sind, vorliegen. Ein Geschäft ist iSd Paragraph 879, Absatz eins, ABGB sittenwidrig, wenn es, ohne gegen ein positives inländisches Gesetz zu verstoßen, offenbar rechtswidrig ist, also ungeschriebenes Recht, insbesondere allgemeine und oberste Rechtsgrundsätze, verletzt, was dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, das ist dasjenige aller billig und gerecht Denkenden, widerspricht. Maßgebend sind die Wertentscheidungen und Grundprinzipien der Rechtsordnung. Die „Gute-Sitten-Klausel" soll den Richter in die Lage versetzen, bei offener Rechtswidrigkeit helfend einzugreifen. Dies ist unter Berücksichtigung aller Umstände anhand der von der Gesamtrechtsordnung geschützten Interessen zu beurteilen, wobei es auf Inhalt, Zweck und Beweggrund des Geschäfts, also auf seinen Gesamtcharakter, ankommt. Wegen des Grundsatzes der Privatautonomie wird eine solche Rechtswidrigkeit nach einer Interessenabwägung nur dann bejaht, wenn sie eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergibt (1 Ob 544/95 = SZ 68/64 mwN uva). Für Psychotherapeuten enthält das Gesetz (Psychotherapiegesetz BGBl 1990/361) kein Verbot, Erbschaften anzunehmen. Ihr Berufskodex (Beil ./K) verpflichtet nur dazu, „alle dem psychotherapeutischen Verhältnis fremde persönliche, wirtschaftliche und soziale Verstrickungen mit den Patientinnen oder den Patienten zu meiden". Von einem Missbrauch des Abhängigkeitsverhältnisses kann bei einer Erbserklärung, die erst mehrere Jahre nach Beendigung der Therapie aufgrund eines Testaments, von dessen Errichtung die Therapeutin keine Ahnung hatte, abgegeben wurde, keine Rede sein. Besondere Umstände, wonach die Annahme einer Erbschaft durch einen Psychotherapeuten als grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen qualifiziert werden müsste, vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen. Die Revisionsausführungen, dass ein (jeder) Psychotherapiepatient sich gegenüber dem Therapeuten „in einem kindlichen Ausnahmezustand" befinde, gehen am festgestellten Sachverhalt vorbei.
III. Zu den übrigen Themen, insbesondere zum aufrechterhaltenen Einwand der Erbunwürdigkeit der Beklagten, ist auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts zu verweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).römisch III. Zu den übrigen Themen, insbesondere zum aufrechterhaltenen Einwand der Erbunwürdigkeit der Beklagten, ist auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts zu verweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).
Textnummer
E83284European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00001.07D.0131.000Im RIS seit
02.03.2007Zuletzt aktualisiert am
02.01.2013