TE OGH 2007/2/1 9Ob16/06b

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Veröffentlicht am 01.02.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Amoser, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1) Reinhard R*****, 2) Sabine R*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Hans Teuchtmann, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 36.336 sA, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. November 2005, GZ 1 R 218/05a-21, womit über Berufung der zweitbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23. Mai 2005, GZ 8 Cg 211/04m-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.754,82 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 292,47 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die seit 2. 1. 1999 miteinander verheirateten Beklagten sind grundbücherliche Eigentümer von je 355/55910-Anteilen sowie von je 50/55910-Anteilen an einer Liegenschaft, wobei mit den Liegenschaftsanteilen Wohnungseigentum an einer Wohnung und an einer Garage verbunden ist.

Der Erstbeklagte war alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer einer GmbH, an der er zu 49 % als Gesellschafter beteiligt war. Über die Gesellschaft wurde mit Beschluss vom 10. 12. 2003 der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss vom 19. 4. 2004 wurde der Konkurs mangels Kostendeckung wieder aufgehoben.

Die Klägerin hat der Gesellschaft mit Kreditvertrag vom 5. 6. 2001 einen Einmalbarkredit von S 500.000,- (EUR 36.336,42) eingeräumt. Der Kreditvertrag wurde vom Erstbeklagten (auch im eigenen Namen) und auch von der Zweitbeklagten unterfertigt. Als Sicherheit diente der Klägerin ua ein Globalzessionsvertrag. Ferner war im Vertrag für den Fall, dass sich nach einer Zessionseignungsprüfung die bestellten Sicherheiten als unzureichend erweisen sollten, die Verpfändung der oben genannten Liegenschaftsanteile der Beklagten vorgesehen. Die Pfandbestellungsurkunde, mit der die Beklagten diese Anteile der Klägerin verpfändeten, wurde von ihnen am 9. 11. 2001 unterfertigt.

Zwei weitere Kreditverträge zwischen der Klägerin und der Gesellschaft, für die die Beklagten ebenfalls eine Pfandhaftung übernommen haben, sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Hypothekarklage, die Beklagten zur ungeteilten Hand bei sonstiger Exekution in die verpfändeten Liegenschaftsanteile zur Zahlung von EUR 36.336,- zu verpflichten. Auf dem Kreditkonto der in Insolvenz verfallenen Hauptschuldnerin hafte der Klagebetrag aus, sodass die Klägerin die Beklagten aus ihrer Sachhaftung in Anspruch nehme.

Das gegen den Erstbeklagten geführte Verfahren ist infolge eines über ihn eröffneten Schuldenregulierungsverfahrens unterbrochen.

Die Zweitbeklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie fechte den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag wegen Sittenwidrigkeit, Irrtums, Verletzung vorvertraglicher Schutz- und Aufklärungspflichten, Verletzung des Kautionsschutzgesetzes und deshalb an, weil sie von der Klägerin nicht nach § 25c KSchG über die wirtschaftlichen Auswirkungen der übernommenen Sachhaftung belehrt worden sei. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung über das von ihr übernommene Risiko hätte sie nie unterschrieben. Durch die nunmehr in Anspruch genommene Sachhaftung werde die Zweitbeklagte wirtschaftlich ruiniert und illiquid. Es liege daher ein grobes Missverhältnis zwischen ihrer Leistungsfähigkeit und der von ihr übernommenen Haftung vor. Eine diesbezügliche Überprüfung durch die Klägerin habe ebenso wenig stattgefunden, wie eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung.

Das Erstgericht gab dem gegen die Zweitbeklagte gerichteten Klagebegehren statt. Es stellte ua fest, dass die damals als gut verdienende Angestellte bei der Gesellschaft beschäftigte Zweitbeklagte ein Eigeninteresse an der Kreditgewährung gehabt habe, dass für die Klägerin nicht zu erkennen gewesen sei, dass die Gesellschaft nicht kreditwürdig war und dass die Gesellschaft damals keineswegs unmittelbar vor dem wirtschaftlichen Ruin gestanden sei. Ferner wurde festgestellt, dass der Zweitbeklagten gegenüber das mit der Unterfertigung der Pfandbestellungsurkunde verbundene Risiko in keiner Weise verharmlost worden sei. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass Angestellte der Klägerin die Zweitbeklagte zur Unterfertigung überredet hätten. Sie sei aber unter dem Einfluss ihres Ehemannes gestanden; dass dieser Druck auf sie ausgeübte habe, sei nicht erwiesen.

In seiner rechtlichen Beurteilung erachtete das Erstgericht sämtliche von der Zweitbeklagten geltend gemachten Anfechtungsgründe als nicht verwirklicht. Die §§ 25c, 25d KSchG seien auf die Interzession durch bloße Pfandbestellung nicht analog anwendbar.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es ging auf die Tatsachenrüge der Zweitbeklagten mit der diese die Feststellungen über die ihr von Angestellten der Klägerin erteilten Aufklärungen, über die Höhe der von ihr für den Wohnungskredit zu leistenden Kreditraten und über ihr Eigeninteresse am wirtschaftlichen Fortkommen der Gesellschaft bekämpfte, nicht ein, weil diese Feststellungen für die Entscheidung nicht von Bedeutung seien.

Die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, wonach die §§ 25c, 25d KSchG auf die Übernahme der reinen Sachhaftung nicht anzuwenden seien, entspreche der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Zwar sei diese Rechtsprechung von Apathy (JBl 2000, 49) und von P. Bydlinski (ÖBA 2002, 932) kritisiert worden; selbst Apathy räume aber ein, dass ein unbilliges Missverhältnis der Verbindlichkeit des Interzedenten zu seiner Leistungsfähigkeit nur dann bestehe, wenn dieser langfristig ruiniert sei, was aber bei der Verpfändung einer einzelnen Sache im Allgemeinen nicht der Fall sei. Das Berufungsgericht sehe jedenfalls keinen Anlass, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abzugehen.

Auch die übrigen von der Klägerin geltend gemachten Anfechtungsgründe seien zu verneinen.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der in der Lehre an der Leitentscheidung 9 Ob 85/02v geäußerten Kritik bislang nicht auseinandergesetzt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Zweitbeklagten mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist ausschließlich die Frage, ob die §§ 25c, 25d KSchG auf die Übernahme der Sachhaftung durch einen Verbraucher anwendbar sind.

In der vom Berufungsgericht zitierten Leitentscheidung 9 Ob 85/02v (ÖBA 2002, 930 P. Bydlinski) hat der Oberste Gerichtshof diese Frage mit ausführlicher Begründung verneint. Er bezog sich dabei primär auf den eindeutigen Wortlaut des § 25c KSchG, der die Folge der Haftungsbefreiung bei Verletzung einer Warnpflicht durch den Gläubiger daran knüpft, dass ein Verbraucher einer Verbindlichkeit "als Mitschuldner, Bürge oder Garant (Interzession) beitritt". Schon damals setzte sich der Oberste Gerichtshof mit der gegenteiligen Auffassung von Apathy (in Schwimann ABGB VI2 Rz 1 zu § 25c KSchG) und von Eigner (Auslegungsfragen zu den §§ 25c, d KSchG, JAP 2000/2001, 214) auseinander, die trotz des Umstandes, dass in § 25c KSchG die Pfandbestellung im fremden Interesse nicht ausdrücklich genannt ist, als entscheidend erachten, dass es sich auch dabei um einen Fall von Interzession handle. Da es keinen sachlichen Grund gebe, die Informationspflicht des Gläubigers nur gegenüber persönlich haftenden Interzedenten zu statuieren, sei zumindest die analoge Anwendung des § 25c auf Pfandbesteller geboten, wenn diese nicht zugleich persönliche Schuldner seien. Nach Eigner sei die analoge Anwendung des § 25d auf Pfandbesteller auf alle Fälle geboten, da die Verpfändung der einzigen Habe (zu denken sei an eine Eigentumswohnung) für Pfandbesteller genauso existenzbedrohend sein könne, wie die Übernahme einer Bürgschaft oder Garantie für einkommenslose Personen. Dem hielt der Oberste Gerichtshof entgegen, dass Anhaltspunkte für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes fehlten. Vielmehr sei den Gesetzesmaterialien zu BGBl I 1997/6 (EBRV 311 BlgNR 20. GP) unmissverständlich (EB S 25 Z 1) zu entnehmen, dass der Ausdruck "Interzedent im Folgenden - so wie auch im vorgeschlagenen Gesetzestext - für Bürgen, Mitschuldner und Garanten gleichermaßen verwendet" wird. Zudem habe der Gesetzgeber in den Materialien (EB S 26 f) ausdrücklich auf die Leitentscheidung 1 Ob 544/95 = EvBl 1995/56 Bezug genommen, nach der Voraussetzung für die Inhaltskontrolle von Interzessionen ein krasses Missverhältnis zwischen dem Haftungsumfang einerseits und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Interzedenten andererseits sei. Dieses für eine Sittenwidrigkeit erforderliche Merkmal der massiven Überforderung fehle aber bei Verpfändungen nach hA von vornherein, weil der Sicherungsgeber in einem solchen Fall seinen Vermögenswert ja bereits habe und damit nicht seine Zukunft belaste. Der Gesetzgeber habe offenbar diese von ihm zitierte Rechtsprechung festschreiben wollen und ebenfalls das Vorliegen eines solchen Missverhältnisses als Grundvoraussetzung jeder weiteren Inhaltskontrolle zugrunde gelegt. Daraus folge, dass die Anführung der persönlich haftenden Mitschuldner, Bürgen und Garanten als Interzedenten keine zufällige oder unvollständige sei und der Gesetzgeber die bloße Sachhaftung von einer Kontrolle bzw einer Mäßigung nach § 25c bzw § 25d KSchG habe ausnehmen wollen. Damit liege aber keine ungewollte Gesetzeslücke vor, sodass sich die analoge Anwendung auf die Interzession durch bloße Pfandbestellung verbiete.

Diese Entscheidung wurde von P. Bydlinski (ÖBA 2002, 932) kritisiert. Zwar ist auch er der Meinung, dass das in § 25d KSchG vorgesehene Mäßigungsrecht nicht analog auf die Pfandbestellung anzuwenden sei, weil es insofern am erforderlichen Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und Leistungsfähigkeit fehle. Wer bloß aktuelles Vermögen riskiere, könne sich nicht auf ein solches Missverhältnis berufen; er verschulde sich für die Zukunft nicht. Die in § 25c KSchG statuierten Informationspflichten haben aber mit einer möglichen Überforderung des Verbrauchers nichts zu tun. Vielmehr gehe es bei dieser Bestimmung darum, zu verhindern, dass ein Gläubiger geschützt werde, der den Kredit bereits im Bewusstsein vergibt (bzw bereits hätte erkennen können), er werde das Geld vermutlich nur vom Sicherheitsgeber zurückerhalten. Insofern bestehe kein Unterschied zwischen der Pfandhaftung und den im Gesetz genannten Interzessionsformen. § 25c KSchG sei daher sehr wohl lückenhaft; der Gesetzgeber habe an die Pfandbestellung im Gesetzgebungsverfahren einfach nicht gedacht.

Apathy (Schwimann ABGB VI3 Rz 1 zu § 25c KSchG) und Eigner (Zur Anwendung der Inhaltskontrolle von Haftungsverträgen und des Mäßigungsrechts nach § 25d KSchG bei Drittpfandbestellung, ÖBA 2003, 920) haben - ihren schon früher eingenommenen Standpunkten entsprechend - dieser Kritik beigepflichtet.

Dennoch hat der Oberste Gerichtshof in 9 Ob 27/05v und in 8 Ob 118/06w - allerdings ohne ausführliche Auseinandersetzung mit der daran geäußerten Kritik - an seiner in 9 Ob 85/02v geäußerten Rechtsauffassung festgehalten.

Auch nach neuerlicher Prüfung findet der Oberste Gerichtshof keinen Grund, von seiner Auffassung abzugehen. Auch P. Bydlinski räumt in seiner Glosse zur Entscheidung 9 Ob 85/02v ein, dass der Interzessionsbegriff in § 25c KSchG kein anderer ist, als jener in § 25d KSchG (siehe den ausdrücklichen Verweis in § 25d KSchG). Schon das macht es schwierig, den beiden Bestimmungen - wie P. Bydlinski dies tut - dennoch einen unterschiedlichen Anwendungsbereich einzuräumen. Auch kann dem Gesetzgeber schwer zugesonnen werden, im - wie aus den Materialien ersichtlich doch aufwendig gestalteten - Gesetzgebungsverfahren auf die Sachhaftung einfach vergessen zu haben. Viel eher ist angesichts der in der Vorentscheidung zitierten Ausführungen in den Materialien anzunehmen, dass der Gesetzgeber trotz des unterschiedlichen Inhalts und der unterschiedlichen Intention der beiden Bestimmungen grundsätzlich die Inhaltskontrolle von Haftungsverträgen auf die schon vorher in der Rechtsprechung erfassten Fälle beschränken wollte. Dazu kommt, dass der Gesetzgeber seit dem Bekanntwerden der Leitentscheidung 9 Ob 85/02v - selbst wenn man von der nur kurz danach beschlossenen Novelle BGBl I Nr. 111/2002 absieht - das KSchG bereits vier mal novelliert hat und dabei - obwohl ihm die wiedergegebene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wohl nicht entgangen sein kann - keinen Anlass zu einer entsprechenden Korrektur der Rechtsprechung gefunden hat. Die ohne Zweifel gewichtigen Überlegungen P. Bydlinskis ändern daher nichts an der bereits in der Leitentscheidung vertretenen Auffassung des erkennenden Senats, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes fehlen und daher eine analoge Anwendung des § 25c KSchG auf die Pfandbestellung nicht möglich ist. Eine entsprechende Änderung kann daher nur der Gesetzgeber selbst herbeiführen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E83419

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0090OB00016.06B.0201.000

Im RIS seit

03.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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