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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §8 Abs1 idF 2003/I/101;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 16. April 2007, Zl. 2Fr-24/07, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach § 51 Abs. 1 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der seinen Angaben zufolge nach einem etwa zweijährigen Aufenthalt in der Türkei Anfang September 2001 nach Österreich gekommene Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 5. September 2001 einen Asylantrag. Dazu brachte er im Laufe des Verfahrens (zusammengefasst) vor, ihm drohe bei einer Rückkehr in den Iran asylrelevante Verfolgung wegen der Teilnahme an der Studentendemonstration am 9. Juli 1999 in Täbriz und wegen seiner monarchistischen Aktivitäten.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 8. Jänner 2002 ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 8 Asylgesetz 1997 (AsylG) für zulässig. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem - eine (noch) aktuelle Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer verneinenden - Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. Juni 2005 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde mit Beschluss vom 23. November 2006, Zl. 2005/20/0564, ab.
Im Zuge des gegen den Beschwerdeführer danach geführten Ausweisungsverfahrens stellte er durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 3. Jänner 2007 den Antrag an die Bundespolizeidirektion Klagenfurt auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung in den Iran. Zur Begründung brachte der Beschwerdeführer unter Vorlage von aktuellen Länderberichten vor, mit der Wahl des streng konservativen Mahmoud Ahmadinejad zum Präsidenten der Islamischen Republik Iran Ende Juni 2005 seien "mit einem Schlag" sämtliche bisherigen Reformbestrebungen beendet worden. Damals habe eine Verfolgungswelle gegen alle Regimekritiker, wozu auch die Monarchisten gehörten, aber auch gegen Minderheiten und gegen religiöse Kritiker eingesetzt. Die Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates vom Juni 2005, der noch Gutachten zur damaligen, eine politische Öffnung anstrebenden Situation im Iran zugrunde gelegt worden waren, sei noch vor Einsetzen dieser neuen Verfolgungswelle ergangen. Mittlerweile habe sich die Situation aufgrund der streng konservativen Haltung des neuen Präsidenten verschärft und der Beschwerdeführer müsse im Falle seiner Abschiebung in den Iran jedenfalls mit Verfolgung, Gefängnis, Folter, allenfalls sogar mit seinem Tod rechnen. Die Abschiebung in den Iran stelle somit eine ernste Bedrohung seines Lebens dar und sei daher unzulässig.
Die Bundespolizeidirektion Klagenfurt wies diesen Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 11. Jänner 2007 gemäß § 51 Abs. 1 zweiter Satz des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG als unzulässig zurück. Zur Begründung führte die Erstbehörde unter Bezugnahme auf die erwähnte Gesetzesstelle nur aus, im Hinblick auf das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung der Asylbehörden über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung bleibe kein Raum für eine Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde zur Entscheidung über den gegenständlichen Antrag.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer unter Wiederholung und näherer Konkretisierung seines Antragsvorbringens darauf, dass sich seinen Behauptungen zufolge seit der Feststellung durch den unabhängigen Bundesasylsenat über die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Iran der entscheidungswesentliche Sachverhalt maßgeblich geändert habe. Von daher hätte sich die Erstbehörde "nicht für unzuständig erklären" dürfen, sondern vielmehr ein Ermittlungsverfahren dahingehend durchführen müssen, ob die vom Beschwerdeführer angeführten, eine wesentliche Sachverhaltsänderung im Sinne des § 51 Abs. 5 FPG darstellenden Gründe für eine Unzulässigkeit seiner Abschiebung in den Iran im Sinne des § 50 Abs. 1 und 2 FPG vorliegen. Mit ergänzendem Schriftsatz vom 9. März 2007 legte der Beschwerdeführer eine an ihn gerichtete Ladung vom 7. Oktober 2006 durch das Strafgericht in Täbriz (im Original und eine beglaubigte Übersetzung) vor, die sich auf ein gegen ihn anhängiges Strafverfahren wegen der Teilnahme an der Juli-Demonstration im Jahre 1999 in Täbriz und wegen der "Agitation" für die monarchistische Bewegung beziehe. Aus dem Schriftstück gehe auch hervor, dass der Beschwerdeführer bei Nichtbefolgung der Ladung in Abwesenheit verurteilt werde, wovon mittlerweile auszugehen sei, und bei einer Rückkehr in den Iran sofort festgenommen werde. Dieses Dokument stelle somit einen Beweis für die Richtigkeit des bisherigen Vorbringens in diesem Verfahren dar. Demzufolge müsse der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran mit sofortiger Verhaftung und der Verbüßung einer unmenschlichen bzw. erniedrigenden Strafe im Sinne des Art. 3 EMRK rechnen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. April 2007 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
In der Begründung dieser Entscheidung gab die belangte Behörde nach Erwähnung des erstinstanzlichen Bescheides den Berufungsinhalt nur insoweit wieder, als der Beschwerdeführer zum Beweis für seine Behauptung, es habe sich seit der Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert, eine Ladung vom 7. Oktober 2006 durch das Strafgericht in Täbriz vorgelegt habe. Nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften und nach Erwähnung der im Asylverfahren ergangenen Entscheidungen begründete die belangte Behörde die Bestätigung der Antragszurückweisung nur wie folgt:
"Alle Ihre vorgebrachten Fluchtgründe und Verfolgungsgründe wurden bereits im erstinstanzlichen und im zweitinstanzlichen Asylverfahren geprüft und behandelt. Unter anderem wurde festgestellt, dass der staatliche Ordnungsfaktor deshalb eingeschritten ist, weil die Demonstration, an der Sie teilnahmen, nicht bewilligt war oder es zu Ausschreitungen kam. Dass Sie als Teilnehmer einer solchen Veranstaltung von Polizei oder Militär gesucht, verhaftet oder verhört werden könnten, würde Ihnen selbst in einem demokratischen Rechtsstaat wie Österreich widerfahren können. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte in diesem Zusammenhang wäre daher dem allgemeinen Strafrecht zuzuordnen und wäre nicht politisch motiviert.
Aus dem Grunde, dass sich der Verwaltungsgerichtshof erst kürzlich mit Ihrem Beschwerdevorbringen befasst und abgelehnt hatte und somit eine rechtskräftige Entscheidung über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat (in Ihrem Fall Iran) einer Asylbehörde vorliegt, geht der in der Berufung gemachte Hinweis auf die Bestimmung des § 51 Abs. 5 FPG ins Leere.
Aus oa. Gründen wies die Bundespolizeidirektion Klagenfurt zu Recht Ihren Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat (hier Iran) zurück und war somit der erstinstanzliche Bescheid zu bestätigen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des § 51 FPG lautet samt Überschrift (auszugsweise) wie folgt:
"Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat
§ 51. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Fremdenpolizeibehörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 50 Abs. 1 oder 2 bedroht ist. Dies gilt nicht, insoweit über die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat die Entscheidung einer Asylbehörde vorliegt oder diese festgestellt hat, dass für den Fremden in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung besteht.
(2) Der Antrag kann nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.
...
(5) Der Bescheid, mit dem über einen Antrag gemäß Abs. 1 rechtskräftig entschieden wurde, ist auf Antrag oder von Amts wegen abzuändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, so dass die Entscheidung hinsichtlich dieses Landes anders zu lauten hätte. ... "
Vorweg ist klarzustellen, dass - entgegen der Beschwerdemeinung - hier kein Fall des § 51 Abs. 5 erster Satz FPG vorliegt, weil von der Fremdenpolizeibehörde (noch) keine Entscheidung nach § 51 Abs. 1 FPG getroffen wurde, die abgeändert werden könnte (vgl. zum insoweit wortgleichen § 75 FrG 1997 das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2001, Zl. 2001/21/0062).
Der belangten Behörde ist zwar insoweit zuzustimmen, dass ein bei der Fremdenpolizeibehörde eingebrachter Antrag auf Feststellung gemäß § 51 Abs. 1 FPG nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückzuweisen ist, wenn insoweit bereits eine rechtskräftige Entscheidung der Asylbehörden nach § 8 AsylG vorliegt (vgl. etwa das noch zum FrG 1997 ergangene Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zl. 2003/21/0228; siehe auch das schon zum FPG ergangene Erkenntnis vom 14. Dezember 2006, Zl. 2006/18/0443). Sie hat aber außer Acht gelassen, dass die sich aus der Rechtskraft ergebenden Wirkungen eines Bescheides gemäß § 8 AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003 bzw. gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in der Novellenfassung nur so weit reichen, als sich die für die Erlassung eines solchen Bescheides maßgebliche Sach- oder Rechtslage nicht geändert hat und dass die Kompetenz zur Abänderung eines "negativen" Ausspruchs der Asylbehörden nach der genannten Bestimmung den Fremdenpolizeibehörden zukommt, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat (vgl. etwa das schon zitierte Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0308; siehe beispielsweise auch das Erkenntnis vom 15. Dezember 2004, Zl. 2001/18/0165, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256).
Im Hinblick auf diese - auch der Erstbehörde unterlaufene - Verkennung der Rechtslage leidet der angefochtene Bescheid insoweit an einem (sekundären) Begründungsmangel, als die belangte Behörde jede Auseinandersetzung mit dem zur Begründung des Antrages erstatteten Vorbringen, dem die ausreichende Behauptung einer wesentlichen Sachverhaltsänderung zu entnehmen ist, unterlassen hat. Das kritisiert die Beschwerde zu Recht.
Soweit die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die hinsichtlich des Asylverfahrens "erst kürzlich" erfolgte Prüfung des Beschwerdevorbringens durch den Verwaltungsgerichtshof verweist und damit auf den Beschluss vom 23. November 2006 auf Ablehnung der Beschwerdebehandlung Bezug nimmt, wird verkannt, dass der Verwaltungsgerichtshof den bei ihm angefochtenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates auf der Basis der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hatte (vgl. etwa Punkt 5. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 27. April 2006, Zl. 2003/20/0050, uva).
Schließlich ist noch anzumerken, dass die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach die vom Beschwerdeführer befürchteten Maßnahmen "dem allgemeinen Strafrecht zuzuordnen" seien, erkennbar - anders als die Beschwerde meint - keine "Alternativbegründung" darstellen, mit der das Antragsvorbringen einer inhaltlichen Prüfung unterzogen werden sollte. Vielmehr handelt es sich dabei um die Wiedergabe einer Eventualbegründung für die Asylantragsabweisung im Bescheid des Bundesasylamtes vom 8. Jänner 2002 (Seite 5), die vom unabhängigen Bundesasylsenat aber nicht übernommen wurde. Für die Beurteilung des Vorliegens einer wesentlichen Sachverhaltsänderung hätte - sollte das die Intention der belangten Behörde gewesen sein - auf diesen Begründungsteil somit keinesfalls abgestellt werden dürfen.
Nach dem Vorgesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. September 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteZurückweisung wegen entschiedener SacheIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007210175.X00Im RIS seit
31.10.2007Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009