TE OGH 2007/2/20 Bsw35865/03

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2007
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Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer V, Beschwerdesache Mohammed Ali Hassan Al-Moayad gegen Deutschland, Zulässigkeitsentscheidung vom 20.2.2007, Bsw. 35865/03.Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer römisch fünf, Beschwerdesache Mohammed Ali Hassan Al-Moayad gegen Deutschland, Zulässigkeitsentscheidung vom 20.2.2007, Bsw. 35865/03.

Spruch

Art. 3 EMRK, Art. 5 EMRK, Art. 6 EMRK, Art. 34 EMRK - Auslieferung eines des Terrorismus Verdächtigen an die USA.Artikel 3, EMRK, Artikel 5, EMRK, Artikel 6, EMRK, Artikel 34, EMRK - Auslieferung eines des Terrorismus Verdächtigen an die USA.

Unzulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 3 EMRK (einstimmig).Unzulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Artikel 3, EMRK (einstimmig).

Unzulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 5 EMRK (einstimmig).Unzulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Artikel 5, EMRK (einstimmig).

Unzulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Art. 6 EMRK (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 34 EMRK (einstimmig).Unzulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich Artikel 6, EMRK (einstimmig). Keine Verletzung von Artikel 34, EMRK (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Der Bf. ist Staatsbürger des Jemen. Er war Berater des jemenitischen Ministers für religiöse Stiftungen im Rang eines Staatssekretärs. Am 10.1.2003 wurde er in Frankfurt am Main aufgrund eines Haftbefehls eines US-Bundesgerichts festgenommen. Die Behörden der USA warfen dem Bf. vor, terroristische Vereinigungen wie insbesondere Al-Quaida und Hamas mit Geld, Waffen und Kommunikationsmitteln versorgt und ihnen neue Mitglieder zugeführt zu haben. Der Bf. war nach Frankfurt am Main gereist, nachdem ihn ein jemenitischer Staatsbürger im verdeckten Auftrag der US-Behörden davon überzeugt hatte, dass er in Deutschland Kontakt zu einer Person herstellen könne, die zu einer größeren Geldspende bereit sei.

Auf der Grundlage eines Beschlusses des OLG Frankfurt vom 14.1.2003 wurde der Bf. in vorläufige Auslieferungshaft genommen. Am 24.1.2003 übermittelte die Botschaft der USA ein Ersuchen zu seiner Auslieferung. Am 13.2.2003 ordnete das OLG die förmliche Auslieferungshaft an.

Die Botschaft der Republik Jemen legte in mehreren diplomatischen Noten an das deutsche Außenamt dar, dass der Bf. völkerrechtswidrig und unter Umgehung des in der jemenitischen Verfassung enthaltenen Verbots der Auslieferung eigener Staatsbürger aus dem Jemen entführt worden sei. Die deutsche Regierung wurde aufgefordert, den Bf. in den Jemen zurückzuführen.

In einer Verbalnote vom 22.5.2003 gab die Botschaft der USA eine Zusicherung, dass der Bf. nicht vor einem Militärgericht entsprechend dem Erlass des Präsidenten der USA vom 13.11.2001 oder einem anderen Ausnahmegericht strafrechtlich verfolgt werde (Anm.: Diese Presidential Military Order vom 16.11.2001 ist auf Nichtstaatsbürger der USA anwendbar, die im Verdacht stehen, Mitglieder der Al-Quaida zu sein oder sich an Akten des internationalen Terrorismus beteiligt zu haben. Der Erlass sieht die Anhaltung dieser Personen an speziellen Orten innerhalb oder außerhalb der USA und die Zuständigkeit von besonderen Militärtribunalen vor). Das OLG Frankfurt erklärte die Auslieferung des Bf. am 18.7.2003 für zulässig. Es bestehe keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die eine Einstellung des Verfahrens gebieten würde, weil der Bf. von einem Lockspitzel zu seiner Reise nach Deutschland verleitet worden sei. Auch weise nichts darauf hin, dass dem Bf. in den USA ein rechtsstaatliches Strafverfahren verweigert oder er der Folter unterzogen würde. Ein erneuter Antrag des Bf. auf Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wurde am 19.8.2003 vom OLG Frankfurt zurückgewiesen.In einer Verbalnote vom 22.5.2003 gab die Botschaft der USA eine Zusicherung, dass der Bf. nicht vor einem Militärgericht entsprechend dem Erlass des Präsidenten der USA vom 13.11.2001 oder einem anderen Ausnahmegericht strafrechtlich verfolgt werde Anmerkung, Diese Presidential Military Order vom 16.11.2001 ist auf Nichtstaatsbürger der USA anwendbar, die im Verdacht stehen, Mitglieder der Al-Quaida zu sein oder sich an Akten des internationalen Terrorismus beteiligt zu haben. Der Erlass sieht die Anhaltung dieser Personen an speziellen Orten innerhalb oder außerhalb der USA und die Zuständigkeit von besonderen Militärtribunalen vor). Das OLG Frankfurt erklärte die Auslieferung des Bf. am 18.7.2003 für zulässig. Es bestehe keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die eine Einstellung des Verfahrens gebieten würde, weil der Bf. von einem Lockspitzel zu seiner Reise nach Deutschland verleitet worden sei. Auch weise nichts darauf hin, dass dem Bf. in den USA ein rechtsstaatliches Strafverfahren verweigert oder er der Folter unterzogen würde. Ein erneuter Antrag des Bf. auf Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wurde am 19.8.2003 vom OLG Frankfurt zurückgewiesen.

In einer am 28.8.2003 erhobenen Verfassungsbeschwerde machte der Bf. geltend, seine Auslieferung sei unrechtmäßig, da er völkerrechtswidrig aus dem Jemen nach Deutschland entführt worden sei. Das BVerfG wies die Beschwerde mit Beschluss vom 5.11.2003 als unzulässig zurück. Das BVerfG stellte fest, dass eine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach niemand ausgeliefert werden dürfe, der aus seinem Heimatland zwecks Umgehung des dortigen Auslieferungsverbots mit List in den ersuchten Staat gelockt worden ist, jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nicht bestünde (Anm.: BVerfG 5.11.2003, 2 BvR 1506/03).In einer am 28.8.2003 erhobenen Verfassungsbeschwerde machte der Bf. geltend, seine Auslieferung sei unrechtmäßig, da er völkerrechtswidrig aus dem Jemen nach Deutschland entführt worden sei. Das BVerfG wies die Beschwerde mit Beschluss vom 5.11.2003 als unzulässig zurück. Das BVerfG stellte fest, dass eine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach niemand ausgeliefert werden dürfe, der aus seinem Heimatland zwecks Umgehung des dortigen Auslieferungsverbots mit List in den ersuchten Staat gelockt worden ist, jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden nicht bestünde Anmerkung, BVerfG 5.11.2003, 2 BvR 1506/03).

Nachdem die deutsche Regierung am 14.11.2003 die Auslieferung genehmigt hatte, brachte der Bf. noch am selben Tag per Fax die vorliegende Beschwerde an den EGMR ein. Zugleich ersuchte er den GH, Deutschland im Wege einer vorläufigen Empfehlung nach Art. 39 VerfO EGMR aufzufordern, das Auslieferungsverfahren auszusetzen. Am 16.11.2003 wurde der Bf. an die USA ausgeliefert.Nachdem die deutsche Regierung am 14.11.2003 die Auslieferung genehmigt hatte, brachte der Bf. noch am selben Tag per Fax die vorliegende Beschwerde an den EGMR ein. Zugleich ersuchte er den GH, Deutschland im Wege einer vorläufigen Empfehlung nach Artikel 39, VerfO EGMR aufzufordern, das Auslieferungsverfahren auszusetzen. Am 16.11.2003 wurde der Bf. an die USA ausgeliefert.

Am 27.1.2005 wurde das Verfahren gegen ihn vor dem Bundesgericht für den östlichen Bezirk New Yorks eröffnet. Pressemeldungen zufolge wurde er am 28.7.2005 wegen der Unterstützung von Al-Quaida und Hamas zu 75 Jahren Haft verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 3 EMRK (hier: Verbot der Folter), Art. 5 Abs. 1 EMRK (Recht auf persönliche Freiheit), Art. 6 Abs. 1 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) und Art. 34 EMRK (Individualbeschwerderecht).Der Bf. behauptet eine Verletzung von Artikel 3, EMRK (hier: Verbot der Folter), Artikel 5, Absatz eins, EMRK (Recht auf persönliche Freiheit), Artikel 6, Absatz eins, EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) und Artikel 34, EMRK (Individualbeschwerderecht).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 3 EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 3, EMRK:

Der Bf. bringt vor, im Falle seiner Auslieferung würde er Gefahr laufen, durch die US-Behörden Verhörmethoden unterzogen zu werden, die als Folter zu qualifizieren seien.

Nach der ständigen Rechtsprechung des GH kann die Entscheidung, einen flüchtigen Straftäter auszuliefern – und die Auslieferung selbst – die Verantwortlichkeit des ausliefernden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Empfangsstaat der tatsächlichen Gefahr ausgesetzt würde, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden.Nach der ständigen Rechtsprechung des GH kann die Entscheidung, einen flüchtigen Straftäter auszuliefern – und die Auslieferung selbst – die Verantwortlichkeit des ausliefernden Staates nach Artikel 3, EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die betroffene Person im Empfangsstaat der tatsächlichen Gefahr ausgesetzt würde, einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

Wie der GH feststellt, fällt der Bf. grundsätzlich in jene Gruppe Verdächtiger, die Berichten von Amnesty International und verschiedenen Medien zufolge Gefahr laufen, bei ihrem Verhör misshandelt zu werden. Der GH hält fest, dass er durch die beunruhigenden Berichte über die Verhörmethoden, die US-Behörden bei Personen anwenden, die der Beteiligung an internationalem Terrorismus verdächtigt werden, sehr besorgt ist. Allerdings betreffen diese Berichte Gefangene, die von den US-Behörden außerhalb der USA, nämlich in Guantanamo (Kuba), Bagram (Afghanistan) und einigen anderen Ländern festgehalten werden. Die deutschen Behörden und Gerichte gaben sich mit der Zusicherung der US-Behörden zufrieden, dass sie den Bf. nicht an einem dieser Orte anhalten würden. Insbesondere stellte das BVerfG fest, dass die USA die Anwendung des Präsidentenerlasses vom 13.11.2001 durch ihre Zusicherung ausgeschlossen hatten. Sie waren damit die bindende Verpflichtung eingegangen, den Bf. nicht in einem Internierungslager anzuhalten. Der GH hat zu prüfen, ob die dem Bf. drohende Gefahr einer Unterwerfung unter Art. 3 EMRK widersprechende Verhörmethoden durch die Zusicherung der US-Behörden wirksam abgewendet wurde. Die deutschen Gerichte verstanden die Verbalnote der US-Botschaft vom 22.5.2003 als Zusicherung, den Bf. nicht außerhalb der USA anzuhalten. Tatsächlich deutet nichts darauf hin, dass der Bf. nach seiner Auslieferung in einem Gefängnis außerhalb der USA angehalten worden wäre.Wie der GH feststellt, fällt der Bf. grundsätzlich in jene Gruppe Verdächtiger, die Berichten von Amnesty International und verschiedenen Medien zufolge Gefahr laufen, bei ihrem Verhör misshandelt zu werden. Der GH hält fest, dass er durch die beunruhigenden Berichte über die Verhörmethoden, die US-Behörden bei Personen anwenden, die der Beteiligung an internationalem Terrorismus verdächtigt werden, sehr besorgt ist. Allerdings betreffen diese Berichte Gefangene, die von den US-Behörden außerhalb der USA, nämlich in Guantanamo (Kuba), Bagram (Afghanistan) und einigen anderen Ländern festgehalten werden. Die deutschen Behörden und Gerichte gaben sich mit der Zusicherung der US-Behörden zufrieden, dass sie den Bf. nicht an einem dieser Orte anhalten würden. Insbesondere stellte das BVerfG fest, dass die USA die Anwendung des Präsidentenerlasses vom 13.11.2001 durch ihre Zusicherung ausgeschlossen hatten. Sie waren damit die bindende Verpflichtung eingegangen, den Bf. nicht in einem Internierungslager anzuhalten. Der GH hat zu prüfen, ob die dem Bf. drohende Gefahr einer Unterwerfung unter Artikel 3, EMRK widersprechende Verhörmethoden durch die Zusicherung der US-Behörden wirksam abgewendet wurde. Die deutschen Gerichte verstanden die Verbalnote der US-Botschaft vom 22.5.2003 als Zusicherung, den Bf. nicht außerhalb der USA anzuhalten. Tatsächlich deutet nichts darauf hin, dass der Bf. nach seiner Auslieferung in einem Gefängnis außerhalb der USA angehalten worden wäre.

Der GH misst auch der Tatsache Bedeutung bei, dass Deutschland bislang nicht die Erfahrung gemacht hat, im Zuge von Auslieferungsverfahren gemachte Zusicherungen der USA würden in der Praxis nicht beachtet oder Verdächtige würden in Gewahrsam der US-Behörden misshandelt werden.

Unter diesen Umständen akzeptiert der GH, dass die deutschen Behörden eine völkerrechtlich bindende Zusicherung erhalten haben, dass der Bf. in keines jener außerhalb der USA gelegenen Gefängnisse überstellt werde, in Bezug auf die von den Standards des Art. 3 EMRK widersprechenden Verhörmethoden berichtet wurde.Unter diesen Umständen akzeptiert der GH, dass die deutschen Behörden eine völkerrechtlich bindende Zusicherung erhalten haben, dass der Bf. in keines jener außerhalb der USA gelegenen Gefängnisse überstellt werde, in Bezug auf die von den Standards des Artikel 3, EMRK widersprechenden Verhörmethoden berichtet wurde.

Angesichts des Fehlens von Berichten über die Misshandlung von des Terrorismus Verdächtigen, die wie der Bf. in regulären Gefängnissen in den USA angehalten werden, ist es dem Bf. nicht gelungen, das Bestehen einer ernsthaften Gefahr nachzuweisen, während seines Verhörs einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterzogen zu werden.Angesichts des Fehlens von Berichten über die Misshandlung von des Terrorismus Verdächtigen, die wie der Bf. in regulären Gefängnissen in den USA angehalten werden, ist es dem Bf. nicht gelungen, das Bestehen einer ernsthaften Gefahr nachzuweisen, während seines Verhörs einer Artikel 3, EMRK widersprechenden Behandlung unterzogen zu werden.

Die von den deutschen Behörden erlangte Zusicherung war daher geeignet, das Risiko einer Misshandlung des Bf. nach seiner Auslieferung auszuschließen. Dieser Teil der Beschwerde ist daher gemäß Art. 35 Abs. 3 iVm. Abs. 4 EMRK als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (einstimmig).Die von den deutschen Behörden erlangte Zusicherung war daher geeignet, das Risiko einer Misshandlung des Bf. nach seiner Auslieferung auszuschließen. Dieser Teil der Beschwerde ist daher gemäß Artikel 35, Absatz 3, in Verbindung mit Absatz 4, EMRK als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (einstimmig).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 5 EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 5, EMRK:

Der Bf. bringt vor, seine Auslieferungshaft sei unrechtmäßig gewesen, da er völkerrechtswidrig aus dem Jemen entführt worden wäre. Es ist unbestritten, dass der Bf. iSv. Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK angehalten wurde, während gegen ihn ein Auslieferungsverfahren im Gange war. Wie der GH feststellt, widersprach das BVerfG in einer ausführlich begründeten Entscheidung der Ansicht des Bf., seine Auslieferung sei wegen seiner völkerrechtswidrigen Entführung aus dem Jemen unrechtmäßig.Der Bf. bringt vor, seine Auslieferungshaft sei unrechtmäßig gewesen, da er völkerrechtswidrig aus dem Jemen entführt worden wäre. Es ist unbestritten, dass der Bf. iSv. Artikel 5, Absatz eins, Litera f, EMRK angehalten wurde, während gegen ihn ein Auslieferungsverfahren im Gange war. Wie der GH feststellt, widersprach das BVerfG in einer ausführlich begründeten Entscheidung der Ansicht des Bf., seine Auslieferung sei wegen seiner völkerrechtswidrigen Entführung aus dem Jemen unrechtmäßig.

Der GH zweifelt angesichts der Entscheidungen der deutschen Gerichte auch nicht an der Vereinbarkeit der Anhaltung des Bf. mit deutschem Recht.

Da sich die Rechtmäßigkeit der Haft auch auf das Fehlen von Willkür bezieht, misst der GH den Umständen Bedeutung zu, die zur Festnahme des Bf. führten. Dazu ist erstens festzustellen, dass es nicht der belangte Staat selbst war – oder Personen, für deren Handlungen er verantwortlich ist –, der extraterritoriale Maßnahmen im Jemen gesetzt hat, die darauf abzielten, den Bf. aus seinem Heimatland zu locken. Außerdem betrifft der vorliegende Fall nicht die Anwendung von Gewalt. Der Bf. wurde durch eine List der US-Behörden dazu verleitet, nach Deutschland zu reisen. Die Anwendung von Gewalt in Verletzung der territorialen Souveränität eines dritten Staates, um einen Verdächtigen aus seinem Heimatstaat in den belangten Staat zu verbringen, wurde im vorliegenden Fall nicht behauptet. Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und US-Behörden auf deutschem Territorium nach den einschlägigen Rechtshilfeübereinkommen wirft für sich kein Problem unter Art. 5 EMRK auf.Da sich die Rechtmäßigkeit der Haft auch auf das Fehlen von Willkür bezieht, misst der GH den Umständen Bedeutung zu, die zur Festnahme des Bf. führten. Dazu ist erstens festzustellen, dass es nicht der belangte Staat selbst war – oder Personen, für deren Handlungen er verantwortlich ist –, der extraterritoriale Maßnahmen im Jemen gesetzt hat, die darauf abzielten, den Bf. aus seinem Heimatland zu locken. Außerdem betrifft der vorliegende Fall nicht die Anwendung von Gewalt. Der Bf. wurde durch eine List der US-Behörden dazu verleitet, nach Deutschland zu reisen. Die Anwendung von Gewalt in Verletzung der territorialen Souveränität eines dritten Staates, um einen Verdächtigen aus seinem Heimatstaat in den belangten Staat zu verbringen, wurde im vorliegenden Fall nicht behauptet. Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und US-Behörden auf deutschem Territorium nach den einschlägigen Rechtshilfeübereinkommen wirft für sich kein Problem unter Artikel 5, EMRK auf.

Daher ist dieser Teil der Beschwerde gemäß Art. 35 Abs. 3 iVm. Abs. 4 EMRK als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (einstimmig).Daher ist dieser Teil der Beschwerde gemäß Artikel 35, Absatz 3, in Verbindung mit Absatz 4, EMRK als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (einstimmig).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 6, Absatz eins, EMRK:

Der Bf. bringt vor, ihm sei in Deutschland kein faires Verfahren gewährt worden, da seine Entführung aus dem Jemen völkerrechtswidrig und daher auch seine Auslieferung rechtswidrig gewesen sei. Außerdem drohe ihm in den USA die offenkundige Verweigerung eines fairen Verfahrens.

1. Zum Auslieferungsverfahren:

Der GH ruft in Erinnerung, dass Auslieferungsverfahren weder eine Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen noch eine strafrechtliche Anklage iSv. Art. 6 EMRK betreffen. Art. 6 EMRK ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, soweit sich die Beschwerde auf das Auslieferungsverfahren bezieht. Dieser Teil der Beschwerde ist daher als ratione materiae unvereinbar mit der Konvention nach Art. 35 Abs. 3 iVm. Abs. 4 EMRK zurückzuweisen (einstimmig).Der GH ruft in Erinnerung, dass Auslieferungsverfahren weder eine Streitigkeit über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen noch eine strafrechtliche Anklage iSv. Artikel 6, EMRK betreffen. Artikel 6, EMRK ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, soweit sich die Beschwerde auf das Auslieferungsverfahren bezieht. Dieser Teil der Beschwerde ist daher als ratione materiae unvereinbar mit der Konvention nach Artikel 35, Absatz 3, in Verbindung mit Absatz 4, EMRK zurückzuweisen (einstimmig).

2. Zum Strafverfahren in den USA:

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Auslieferungsentscheidung ausnahmsweise ein Problem unter Art. 6 EMRK aufwirft, wenn der flüchtige Straftäter im ersuchenden Staat eine offenkundige Verweigerung eines fairen Prozesses erfahren musste oder eine solche droht.Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Auslieferungsentscheidung ausnahmsweise ein Problem unter Artikel 6, EMRK aufwirft, wenn der flüchtige Straftäter im ersuchenden Staat eine offenkundige Verweigerung eines fairen Prozesses erfahren musste oder eine solche droht.

Das Recht auf einen fairen Prozess im Strafverfahren nimmt einen herausragenden Platz in jeder demokratischen Gesellschaft ein. Selbst das legitime Ziel des Schutzes der Gesellschaft vor der Bedrohung des internationalen Terrorismus kann Maßnahmen nicht rechtfertigen, die den Wesensgehalt des durch Art. 6 EMRK garantierten fairen Verfahrens auslöschen. Eine offenkundige Verweigerung eines fairen Verfahrens – und damit eine Rechtsverweigerung – liegt ohne Zweifel vor, wenn eine Person wegen des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung angehalten wird, ohne dass ihr Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gewährt wird, um die Rechtmäßigkeit der Haft prüfen zu lassen und eine Freilassung zu erlangen, wenn sich der Verdacht als unbegründet erweist.Das Recht auf einen fairen Prozess im Strafverfahren nimmt einen herausragenden Platz in jeder demokratischen Gesellschaft ein. Selbst das legitime Ziel des Schutzes der Gesellschaft vor der Bedrohung des internationalen Terrorismus kann Maßnahmen nicht rechtfertigen, die den Wesensgehalt des durch Artikel 6, EMRK garantierten fairen Verfahrens auslöschen. Eine offenkundige Verweigerung eines fairen Verfahrens – und damit eine Rechtsverweigerung – liegt ohne Zweifel vor, wenn eine Person wegen des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung angehalten wird, ohne dass ihr Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Gericht gewährt wird, um die Rechtmäßigkeit der Haft prüfen zu lassen und eine Freilassung zu erlangen, wenn sich der Verdacht als unbegründet erweist.

Die Auslieferung des Bf. an die USA würde eine Verletzung von Art. 6 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorlägen, dass er nach seiner Auslieferung incommunicado ohne Zugang zu einem Anwalt und ohne von einem ordentlichen Gericht abgeurteilt zu werden angehalten würde. Die deutschen Behörden und Gerichte verließen sich auf die Zusicherung der US-Behörden, den Bf. nicht vor ein Militärtribunal zu stellen. Bezüglich der Frage, ob die deutschen Behörden ausreichende Garantien zur Vermeidung der Gefahr einer offenkundigen Verweigerung eines fairen Verfahrens erlangten, verweist der GH auf seine entsprechenden Feststellungen unter Art. 3 EMRK, wonach die deutsche Regierung davon ausgehen konnte, dass der Bf. nicht in eines der Internierungslager außerhalb der USA gebracht würde, wo des Terrorismus Verdächtige ohne Zugang zu einem Anwalt oder zu einem ordentlichen Gericht angehalten werden. Wie der GH wiederholt festgestellt und auch der Bf. nicht bestritten hat, entsprechen die Verfahren vor den ordentlichen Strafgerichten der USA dem Rechtsstaatsprinzip.Die Auslieferung des Bf. an die USA würde eine Verletzung von Artikel 6, EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorlägen, dass er nach seiner Auslieferung incommunicado ohne Zugang zu einem Anwalt und ohne von einem ordentlichen Gericht abgeurteilt zu werden angehalten würde. Die deutschen Behörden und Gerichte verließen sich auf die Zusicherung der US-Behörden, den Bf. nicht vor ein Militärtribunal zu stellen. Bezüglich der Frage, ob die deutschen Behörden ausreichende Garantien zur Vermeidung der Gefahr einer offenkundigen Verweigerung eines fairen Verfahrens erlangten, verweist der GH auf seine entsprechenden Feststellungen unter Artikel 3, EMRK, wonach die deutsche Regierung davon ausgehen konnte, dass der Bf. nicht in eines der Internierungslager außerhalb der USA gebracht würde, wo des Terrorismus Verdächtige ohne Zugang zu einem Anwalt oder zu einem ordentlichen Gericht angehalten werden. Wie der GH wiederholt festgestellt und auch der Bf. nicht bestritten hat, entsprechen die Verfahren vor den ordentlichen Strafgerichten der USA dem Rechtsstaatsprinzip.

Die Auslegung der von den US-Behörden gegebenen Zusicherung durch die deutschen Behörden wurde nach der Auslieferung des Bf. bestätigt. Er wurde unmittelbar nach seiner Ankunft in den USA vor ein ordentliches Gericht gebracht.

Angesichts dieser Tatsachen lagen zur Zeit der Auslieferung des Bf. keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vor, dem Bf. würde eine offenkundige Verweigerung eines fairen Verfahrens drohen. Dieser Teil der Beschwerde ist daher gemäß Art. 35 Abs. 3 iVm. Abs. 4 EMRK als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (einstimmig).Angesichts dieser Tatsachen lagen zur Zeit der Auslieferung des Bf. keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vor, dem Bf. würde eine offenkundige Verweigerung eines fairen Verfahrens drohen. Dieser Teil der Beschwerde ist daher gemäß Artikel 35, Absatz 3, in Verbindung mit Absatz 4, EMRK als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen (einstimmig).

Zur behaupteten Verletzung von Art. 34 EMRK:Zur behaupteten Verletzung von Artikel 34, EMRK:

Der Bf. behauptet, die deutschen Behörden hätten ihn an der effektiven Ausübung seines Individualbeschwerderechts gehindert, indem sie ihn ausgeliefert hätten, obwohl die Regierung über seinen Antrag auf Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme nach Art. 39 VerfO EGMR informiert gewesen sei.Der Bf. behauptet, die deutschen Behörden hätten ihn an der effektiven Ausübung seines Individualbeschwerderechts gehindert, indem sie ihn ausgeliefert hätten, obwohl die Regierung über seinen Antrag auf Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme nach Artikel 39, VerfO EGMR informiert gewesen sei.

Wie der GH im Fall Mamatkulov und Askarov/TR festgestellt hat, verletzt das Versäumnis eines Konventionsstaates, der Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme zu entsprechen, Art. 34 EMRK. Es ist unbestritten, dass der Bf. am Freitag, dem 14.11.2003 gemäß Art. 39 VerfO EGMR die Aufschiebung seiner Auslieferung bis zur Entscheidung des GH über seine Beschwerde beantragt hat. Am 16.11. wurde er an die USA ausgeliefert. Zu diesem Zeitpunkt hatte der GH noch nicht über den Antrag des Bf. entschieden. Der Anwalt des Bf. hatte dem GH mitgeteilt, dass er das Justizministerium über den Antrag nach Art. 39 VerfO EGMR informiert hätte. Den Angaben des Anwalts zufolge hatte das Ministerium zugesichert, dass die Auslieferung nicht in den nächsten Tagen stattfinden würde. Der GH war daher der Überzeugung, dass es nicht notwendig wäre, noch am 14.11. über diesen Antrag zu entscheiden. Zum Bedauern des GH erwiesen sich diese Annahmen als falsch. Das Fax des Anwalts des Bf. hatte das Justizministerium nicht erreicht, weil er eine falsche Faxnummer verwendet hatte. Überdies war das Ministerium für die Durchführung der Auslieferung gar nicht zuständig.Wie der GH im Fall Mamatkulov und Askarov/TR festgestellt hat, verletzt das Versäumnis eines Konventionsstaates, der Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme zu entsprechen, Artikel 34, EMRK. Es ist unbestritten, dass der Bf. am Freitag, dem 14.11.2003 gemäß Artikel 39, VerfO EGMR die Aufschiebung seiner Auslieferung bis zur Entscheidung des GH über seine Beschwerde beantragt hat. Am 16.11. wurde er an die USA ausgeliefert. Zu diesem Zeitpunkt hatte der GH noch nicht über den Antrag des Bf. entschieden. Der Anwalt des Bf. hatte dem GH mitgeteilt, dass er das Justizministerium über den Antrag nach Artikel 39, VerfO EGMR informiert hätte. Den Angaben des Anwalts zufolge hatte das Ministerium zugesichert, dass die Auslieferung nicht in den nächsten Tagen stattfinden würde. Der GH war daher der Überzeugung, dass es nicht notwendig wäre, noch am 14.11. über diesen Antrag zu entscheiden. Zum Bedauern des GH erwiesen sich diese Annahmen als falsch. Das Fax des Anwalts des Bf. hatte das Justizministerium nicht erreicht, weil er eine falsche Faxnummer verwendet hatte. Überdies war das Ministerium für die Durchführung der Auslieferung gar nicht zuständig.

Daher kann nicht gesagt werden, die belangte Regierung hätte einer vom GH förmlich empfohlenen Maßnahme nicht entsprochen. Der GH schließt jedoch die Möglichkeit nicht aus, dass Handlungen oder Unterlassungen der Behörden eines belangten Staates, die darauf abzielen, den GH an einer rechtzeitigen Entscheidung über einen Antrag nach Art. 39 VerfO EGMR oder einer Verständigung der Regierung darüber zu hindern, eine Verletzung der Verpflichtungen des Staates nach Art. 34 2. Satz EMRK begründen können.Daher kann nicht gesagt werden, die belangte Regierung hätte einer vom GH förmlich empfohlenen Maßnahme nicht entsprochen. Der GH schließt jedoch die Möglichkeit nicht aus, dass Handlungen oder Unterlassungen der Behörden eines belangten Staates, die darauf abzielen, den GH an einer rechtzeitigen Entscheidung über einen Antrag nach Artikel 39, VerfO EGMR oder einer Verständigung der Regierung darüber zu hindern, eine Verletzung der Verpflichtungen des Staates nach Artikel 34, 2. Satz EMRK begründen können.

Da die Kopie der Beschwerde des Bf., die sein Anwalt an das Justizministerium faxen wollte, wegen der Verwendung einer falschen Nummer nicht ankam, kann es der GH nicht als erwiesen ansehen, dass das Ministerium gebührend darüber informiert war, dass ein Antrag nach Art. 39 VerfO EGMR bereits eingebracht war.Da die Kopie der Beschwerde des Bf., die sein Anwalt an das Justizministerium faxen wollte, wegen der Verwendung einer falschen Nummer nicht ankam, kann es der GH nicht als erwiesen ansehen, dass das Ministerium gebührend darüber informiert war, dass ein Antrag nach Artikel 39, VerfO EGMR bereits eingebracht war.

Es liegen daher keine ausreichenden Gründe für die Annahme vor, die deutschen Behörden hätten den GH vorsätzlich daran gehindert, eine Entscheidung über den Antrag des Bf. nach Art. 39 VerfO EGMR zu treffen. Der belangte Staat hat daher seine aus Art. 34 EMRK resultierende Verpflichtung, den Bf. nicht an der Ausübung seines Individualbeschwerderechts zu hindern, nicht verletzt.Es liegen daher keine ausreichenden Gründe für die Annahme vor, die deutschen Behörden hätten den GH vorsätzlich daran gehindert, eine Entscheidung über den Antrag des Bf. nach Artikel 39, VerfO EGMR zu treffen. Der belangte Staat hat daher seine aus Artikel 34, EMRK resultierende Verpflichtung, den Bf. nicht an der Ausübung seines Individualbeschwerderechts zu hindern, nicht verletzt.

Vom GH zitierte Judikatur:

Soering/D v. 7.7.1989, A/161, EuGRZ 1989, 314.

Cruz Varas u.a./S v. 20.3.1991, A/201, EuGRZ 1991, 203; ÖJZ 1991,

519.

Vilvarajah u.a./GB v. 30.10.1991, A/215, NL 1992/1, 15; ÖJZ 1992,

309.

Mamatkulov und Askarov/TR v. 4.2.2005 (GK), NL 2005, 23; EuGRZ 2005,

357.

Öcalan/TR v. 12.5.2005 (GK), NL 2005, 117; EuGRZ 2005, 463. Aoulmi/F v. 17.1.2006, NL 2006, 15.

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung des EGMR vom 20.2.2007, Bsw. 35865/03, entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2007, 68) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut

(pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/07_2/Al-Moayad.pdf

Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.

Anmerkung

EGM00712 Bsw35865.03-ZE

Dokumentnummer

JJT_20070220_AUSL000_000BSW35865_0300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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