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19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2006/21/0289 2006/21/0291 2006/21/0290Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerden 1. des A,
2. des G, 3. des J, und 4. der L, alle in Graz, alle vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark 1.) vom 26. August 2006, Zl. 2 F 475-2005 (hg. Zl. 2006/21/0288), 2.) vom 23. August 2006, Zl. 2 F 474-2005 (hg. Zl. 2006/21/0289), 3.) vom 22. August 2006, Zl. 2 F 473-2005 (hg. Zl. 2006/21/0290), und
4.) vom 22. August 2006, Zl. 2 F 476-2005 (hg. Zl. 2006/21/0291), jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Beschwerdeführer, jeweils albanische Staatsangehörige, gemäß den §§ 31, 53 Abs. 1 und 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.
Die annähernd gleich lautenden Begründungen gehen dahin, dass der Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin (Eltern) gemeinsam mit ihren Kindern, den Erst- und Zweitbeschwerdeführern, am 22. Februar 1999 über die Grenze zu Italien in einem Lkw versteckt illegal in das Bundesgebiet eingereist seien und die Gewährung von Asyl beantragt haben. Sämtliche Asylanträge seien mit rechtskräftigen Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. November 2004 abgewiesen worden. Zugleich sei gemäß § 8 AsylG 1997 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Albanien festgestellt worden. (Die Behandlung dagegen erhobener Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit hg. Beschluss vom 24. Mai 2005, Zlen. 2004/01/0598 bis 0601, abgelehnt.)
Nach rechtskräftigem Abschluss ihrer Asylverfahren hätten sich die Beschwerdeführer, so die belangte Behörde weiter, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weil sie über keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel verfügten. Der Aufenthalt der Familie werde durch monatliche Einkünfte der Viertbeschwerdeführerin von EUR 385,-- netto aus einer Teilzeitbeschäftigung als Küchenhilfe, weiters von Sozialhilfe und Familienbeihilfe finanziert. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Im Hinblick auf die nicht nur geringfügige Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch die Beschwerdeführer, die sich bislang nicht einmal um die Ausstellung von Reisedokumenten bemüht hätten, und wegen des Fehlens ins Gewicht fallender Umstände, die gegen die Ausweisung sprächen, könne der Ansicht der Beschwerdeführer nicht gefolgt werden, dass die Fremdenpolizeibehörde bei pflichtgemäßer Ermessensausübung von der Erlassung der Ausweisung Abstand zu nehmen gehabt hätte.
Da der Aufenthalt der Beschwerdeführer nur auf Grund von Asylanträgen, die sich letztlich als unberechtigt erwiesen haben, vorläufig berechtigt gewesen sei und lediglich die Viertbeschwerdeführerin geringfügig beruflich integriert sei - eine Stellung als Küchengehilfin könnte sie auch außerhalb Österreichs annehmen -, seien die persönlichen Interessen der als Familie gemeinsam ausgewiesenen Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich nicht so stark ausgeprägt, dass diese schwerer zu gewichten wären als das maßgebliche öffentliche Interesse. Wenn damit auch ein Eingriff in das in Österreich geführte Familienleben verbunden sei, sei die Ausweisung dringend geboten und zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens im Sinn von Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderlich.
Über die gegen die genannten Bescheide erhobenen Beschwerden, die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden wurden, hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG vorläge. Wegen der rechtskräftigen Beendigung ihrer Asylverfahren bestehen keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG verwirklicht sei.
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG ist eine Ausweisung nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dem öffentlichen Interesse auf dem Gebiet des Fremdenwesens aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2007/21/0163, mwN).
Umstände, wonach die belangte Behörde unter Zugrundelegung der im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Gesichtspunkte die Integration oder sonstige Interessen der Beschwerdeführer zu gering gewichtet hätte, werden in den Beschwerden nicht dargelegt. Soweit die Viertbeschwerdeführerin - über die wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde hinaus - geltend macht, sie sei bei zwei verschiedenen Arbeitgebern im Ausmaß von je 20 Wochenstunden als "Salaterin und Reinigungskraft" tätig, wobei sie insgesamt ca. EUR 800,-- netto verdiene, liegen im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige und daher unbeachtliche Neuerungen vor. Auch der ins Treffen geführte Umstand, dass die Viertbeschwerdeführerin ihre Berufstätigkeit im Bundesgebiet auf Grund einer Arbeitserlaubnis ausübe, vermag das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen nicht maßgeblich zu schmälern, weil § 25 AuslBG einen Ausländer nicht von der Verpflichtung enthebt, den jeweils geltenden Vorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Fremden nachzukommen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2005/21/0378, mwN).
Ebenso um unzulässige Neuerungen handelt es sich beim Beschwerdevorbringen, "die Zweitbeschwerdeführerin" (gemeint: Viertbeschwerdeführerin) leide an (näher beschriebenen) depressiven Episoden, Angstzuständen und einem posttraumatischen Belastungssyndrom. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass es dem Fremden obliege, im Verwaltungsverfahren substanziiert darzulegen, auf Grund welcher konkreter Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könne. Nur dann wäre ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse im Sinn des Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2007/21/0163, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2007, Zl. 2006/18/0107).
Vorliegend wurde im Verwaltungsverfahren jedoch (alle Beschwerdeführer betreffend) kein Vorbringen zu den dargestellten Umständen erstattet. Davon ausgehend kann der belangten Behörde auch das Unterbleiben weiterer Erhebungen oder Feststellungen zu diesen Themen nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Weiters machen die Beschwerdeführer geltend, dass sie in Albanien keine ausreichenden Perspektiven für ihr wirtschaftliches Überleben hätten. Auch dieses Vorbringen führt jedoch nicht zur Beurteilung der angefochtenen Bescheide als rechtswidrig. Zwar kann die Abschiebung in einen Staat, in dem ein Fremder keine Existenzgrundlage hätte, zu einer Gefährdung im Sinn des § 50 Abs. 1 FPG führen. Einer Bedrohungssituation im genannten Sinn ist jedoch nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung, sondern bei der Frage der Zulässigkeit der Abschiebung nach § 8 AsylG bzw. § 50 FPG zu prüfen. Insoweit liegen jedoch unbestritten rechtskräftige und vom Verwaltungsgerichtshof gebilligte Aussprüche nach § 8 AsylG 1997 vor (vgl. neuerlich das zitierte hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007).
Auch die Umstände, dass Erst- und Zweitbeschwerdeführer in Österreich die Schule besuchen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 2007, Zl. 2007/18/0045) sowie dass die Beschwerdeführer gerichtlich unbescholten sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. August 2006, Zl. 2006/21/0140, mwN), kann ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich fallbezogen nicht maßgeblich verstärken. Gleichfalls hat es aus den im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Gesichtspunkten keine nennenswerte Bedeutung, ob oder wann sie sich um die Ausstellung von Reisedokumenten bemüht haben.
Den einen Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, welche die Beschwerdeführer durch den Verbleib im Bundesgebiet nach Abschluss ihrer Asylverfahren verletzt haben, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Auch wird die aus dem mehrjährigen Aufenthalt ableitbare Integration in Österreich in ihrem Stellenwert maßgeblich dadurch relativiert, dass diese ausschließlich auf Asylanträge zurückzuführen war, die sich letztlich als unbegründet erwiesen haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2005/21/0378).
Es ist weiters kein ausreichender Grund erkennbar, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zur Abstandnahme von der Erlassung einer Ausweisung Gebrauch zu machen. Im Übrigen enthält auch die Beschwerde keine Ausführungen, denen unter diesem Gesichtspunkt maßgebliche Bedeutung zukäme.
Soweit die Beschwerdeführer schließlich behaupten, ihnen wäre im Verwaltungsverfahren nicht (ausreichend) rechtliches Gehör eingeräumt worden, sind sie darauf zu verweisen, dass sie anwaltlich vertreten waren und ihr Rechtsvertreter - nach mehrfachen Terminerstreckungen - am 17. August 2006 eine Stellungnahme abgegeben hat, die von der belangten Behörde ausreichend berücksichtigt wurde. Soweit sie ergänzende amtswegige Erhebungen zu ihrem Privat- und Familienleben vermissen, wird nicht dargelegt, zu welchen ergänzenden Feststellungen diese geführt hätten, sodass die Relevanz allfälliger Verfahrensfehler nicht ersichtlich ist.
Die Beschwerden waren somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich - im Ausmaß des Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. September 2007
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210288.X00Im RIS seit
25.10.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009