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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §10;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/19/0121Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde 1. des A, und 2. der S, beide vertreten durch Dr. Anton Krautschneider, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Trautsongasse 6, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. Dezember 2004, Zlen. 254.212/0-VIII/23/04 und 254.211/0-VIII/23/04, betreffend §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden insoweit, als damit jeweils Spruchpunkt III der erstinstanzlichen Bescheide (Ausweisung "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführenden Parteien, Staatsangehörige von Moldau, gelangten im September 2004 in das Bundesgebiet und beantragten Asyl. Bei ihren Ersteinvernahmen vor dem Bundesasylamt am 7. September 2004 gab der Erstbeschwerdeführer an, er sei als Soldat zum persönlichen Schutz des Staatspräsidenten eingesetzt gewesen, habe sich im Juni 2000 geweigert, einen Befehl seines von ihm namentlich genannten Vorgesetzten zu befolgen, sei daraufhin entlassen worden und habe sich nach Moskau abgesetzt, wo er seine Ehefrau, die Zweitbeschwerdeführerin, kennen gelernt habe. Zur Flucht nach Österreich habe er sich entschlossen, weil er bemerkt habe, dass in Moskau nach ihm gesucht werde. Er sei in seiner früheren Tätigkeit Zeuge grober Gesetzesverletzungen geworden und fürchte, dass man ihm deshalb nachstelle. Als Beweismittel legte er sein Wehrdienstbuch vor, das in Kopie zum Akt genommen wurde. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, keine eigenen Fluchtgründe zu haben.
Bei seiner fortgesetzten Einvernahme am 7. Oktober 2004 wurde der Erstbeschwerdeführer zu Einzelheiten insbesondere seiner Ausbildung und Berufslaufbahn befragt, er beschrieb aber auch näher den Befehl, den er nicht befolgt habe, und gab an, in Moldau nicht "offiziell" gesucht zu werden. Er befürchte "inoffiziell liquidiert" zu werden.
Das Bundesasylamt wies die Asylanträge mit Bescheiden vom 11. Oktober 2004 gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien nach Moldau gemäß § 8 AsylG für zulässig und wies sie "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus. Es schenkte den Angaben des Erstbeschwerdeführers - insbesondere auch über seine Ausbildung - keinen Glauben.
In ihrer Berufung gegen diese Entscheidung bekämpften die beschwerdeführenden Parteien diese Beweiswürdigung, wobei sie u. a. ein Plausibilitätsargument des Bundesasylamtes mit näheren Ausführungen bestritten. Sie beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Mit den angefochtenen, ohne Berufungsverhandlung erlassenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen "gemäß §§ 7, 8 AsylG" ab. Sie verwies im Wesentlichen auf die Entscheidungen des Bundesasylamtes, denen die Berufung nicht mit geeigneten Argumenten entgegen getreten sei.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat sich mit der in der Berufung geäußerten Kritik an der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes nicht auseinander gesetzt, die Berufungen stattdessen mit formelhaften, nicht erkennbar fallbezogenen Wendungen abgewiesen und damit im Ergebnis ein Ablehnungsrecht in Anspruch genommen, das ihr nicht zusteht (vgl. dazu die Nachweise im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zlen. 2006/19/0089 bis 0091).
Darüber hinaus hat die belangte Behörde aber auch - wie die Beschwerde zutreffend darlegt - verkannt, dass die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes schon deshalb nicht schlüssig war, weil das Bundesasylamt die Angaben des Erstbeschwerdeführers über dessen Laufbahn als unglaubwürdig erachtete, ohne sich mit der von ihm dazu vorgelegten Beweisurkunde inhaltlich auseinander zu setzen. Dem ist nur der Vollständigkeit halber hinzuzufügen, dass das Bundesasylamt zwar einerseits gemeint hat, die "Darlegungen" des Erstbeschwerdeführers ließen sich als "abstrakt und allgemein" werten, andererseits aber keinen Versuch unternommen hat, sich mit seinen konkreten Angaben - insbesondere über seinen ehemaligen Vorgesetzten, von dem die Verfolgungsgefahr seinen Behauptungen zufolge ausgeht und dessen Tätigkeit in dem vom Erstbeschwerdeführer beschriebenen Bereich sich unschwer verifizieren lässt - allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen auseinander zu setzen.
Aus den genannten Gründen hätte die belangte Behörde auch von der Durchführung einer Berufungsverhandlung nicht absehen dürfen (vgl. dazu die Nachweise in dem hg. Erkenntnis vom 24. August 2007, Zl. 2006/19/0140).
Auf Grund des familiären Zusammenhangs wirken sich diese Rechtswidrigkeiten - gemäß § 10 AsylG - auch auf das Verfahren der Zweitbeschwerdeführerin aus.
Die unveränderte Bestätigung des jeweils dritten, die Ausweisung "aus dem österreichischen Bundesgebiet" betreffenden Spruchpunktes der erstinstanzlichen Bescheide war darüber hinaus auch inhaltlich rechtswidrig, wozu gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden kann.
Die angefochtenen Bescheide waren daher hinsichtlich der Bestätigung der zuletzt genannten Spruchpunkte des Bundesasylamtes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und im Übrigen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Ausmaß des Begehrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 26. September 2007
Schlagworte
Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006190120.X00Im RIS seit
06.11.2007Zuletzt aktualisiert am
05.11.2008