TE OGH 2007/2/22 3Ob248/06a

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Veröffentlicht am 22.02.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei E***** AG, ***** vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen 346,34 EUR s.A. (Revisionsinteresse 310 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2006, GZ 1 R 257/05y-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 26. Juli 2005, GZ 13 C 198/05w-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.512,71 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 163,79 EUR USt und 530 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Ein Kunde der beklagten Direktbank, der dem klagenden Verein für Konsumenteninformation seinen Anspruch zur gerichtlichen Geltendmachung abgetreten hat, unterhält seit Juli 2002 ein (Giro-)Konto mit Bankomatkarte. Die mit Abschluss des Kontoeröffnungsvertrags zwischen dem Kunden und der beklagten Partei vereinbarten „Kundenrichtlinien für das Maestro-Service und für das Quick-Service, Fassung November 2004" (im Folgenden nur AGB) der beklagten Partei enthalten u.a. folgende Klauseln:

1.7.1. Geldausgabeautomaten:

Der Karteninhaber ist berechtigt, an Geldausgabeautomaten im In- und Ausland, die mit einem auf der Bezugskarte angeführten Symbol gekennzeichnet sind, mit der Bezugskarte und dem persönlichen Code Bargeld bis zu dem vereinbarten Limit zu beziehen.

1.10.2.

Sofern der Karteninhaber die Bezugskarte einem Dritten überlässt oder sofern die Bezugskarte dem Karteninhaber abhanden kommt und ein unberechtigter Dritter infolge einer Sorgfaltswidrigkeit des Karteninhabers Kenntnis vom persönlichen Code erlangt, trägt der Kontoinhaber bis zur Wirksamkeit der Sperre der Bezugskarte alle Folgen und Nachteile infolge der missbräuchlichen Verwendung der Bezugskarte im Rahmen seines vereinbarten Limits.

1.10.3.

Für Schäden, die durch die Manipulation Dritter an Geldausgabeautomaten oder Bezugskarten verursacht wurden, haftet der Kontoinhaber nicht, soweit ihn und den Karteninhaber keine Sorgfaltswidrigkeiten treffen, welche die Manipulation ermöglicht haben.

1.3. Persönlicher Code:

Der persönliche Code, auch PIN genannt, ist eine Ziffernkombination, die der Karteninhaber in einem verschlossenen Kuvert erhält. Die Eingabe des persönlichen Codes ermöglicht die Benützung des Maestro-Service.

2.4. Pflichten des Karteninhabers:

Soweit in diesen Kundenrichtlinien Pflichten des Karteninhabers geregelt werden, ist nicht nur der Karteninhaber, sondern auch der Kontoinhaber verpflichtet, diese Bestimmungen einzuhalten und für die Einhaltung dieser Bestimmungen Sorge zu tragen.

Warnhinweis: Sowohl der Kontoinhaber als auch der Karteninhaber haben die in diesen Kundenrichtlinien angeführten Mitwirkungspflichten, insbesondere die nachfolgend angeführten Sorgfaltspflichten zu beachten. Deren Verletzung führt zu Schadenersatzpflichten oder zur Minderung von Schadenersatzansprüchen gegen das Kreditinstitut.

2.4.3. Verwahrung der Bezugskarte und Geheimhaltung des persönlichen Codes:

Der Karteninhaber ist auch im eigenen Interesse verpflichtet, die Bezugskarte sorgfältig zu verwahren. Nicht sorgfältig ist insbesondere die Aufbewahrung der Bezugskarte in einem abgestellten Fahrzeug. Eine Weitergabe der Bezugskarte an dritte Personen ist nicht zulässig.

Der persönliche Code ist geheim zu halten. Er darf nicht, insbesondere nicht auf der Bezugskarte, notiert werden.

Der persönliche Code darf niemandem, insbesondere auch nicht Mitarbeitern des Kreditinstituts, Familienangehörigen, Bekannten, anderen Kontoinhabern oder anderen Karteninhabern bekannt gegeben werden.

Bei der Verwendung des persönlichen Codes ist darauf zu achten, dass dieser nicht von Dritten ausgespäht wird.

2.7. Sperre:

2.7.4. Die mit der Sperre, deren Aufhebung bzw. mit der Ausstellung neuer Bezugskarten verbundenen Kosten trägt der Kontoinhaber. Dies gilt nicht für die Kosten für Sperren, deren Aufhebung bzw Kosten für die Ausstellung neuer Bezugskarten, die auf Grund von Manipulationen Dritter an Geldausgabeautomaten oder an Bezugskarten entstanden sind, falls die Manipulationen nicht durch die sorglose Verwahrung oder Weitergabe der Bezugskarte bzw des persönlichen Codes durch den Karteninhaber ermöglicht wurden.

Nachdem dem Kunden der beklagten Partei am 3. April 2004 in der Wiener U-Bahn-Linie U4 seine Geldbörse aus der rechten hinteren Gesäßtasche gestohlen worden war, in der sich auch die von der beklagten Partei zu seinem Konto ausgegebenen Bezugskarte (im Folgenden nur Bankomatkarte) befunden hatte, stellte die beklagten Partei dem Kunden nach Meldung des Diebstahls eine neue Bankomatkarte aus. Er prägte sich den aus einer vierstelligen Ziffernkombination bestehenden PIN-Code ein, der für die Behebung an den Geldausgabeautomaten (im Folgenden nur Bankomat) benötigt wird, notierte ihn aber nirgends und gab ihn auch keinem Dritten bekannt.

Am 23. Juni 2004 behob er um 14.31 Uhr bei einem Bankomaten am Parkring in Wien einen Betrag von 90 EUR. Während dieser Behebung beobachtete eine unbekannte Person den Kunden bei der Eingabe des PIN-Codes, es gelang ihr dabei, den PIN-Code des Kunden auszuspähen. Es kann nicht festgestellt werden, ob diese unbekannte Person dabei mit direkter Sicht auf die Tastatur des Bankomaten hinter oder neben dem Kunden stand oder ob ihr das Ausspähen des PIN-Codes aus einer größeren Entfernung mit Hilfe eines Fernrohrs oder anderer technischer Hilfsmittel wie Spiegel oder Kameras gelang, die im Bereich des Bankomaten montiert waren. Eine Manipulation am öffentlich aufgestellten und vom Gehsteig aus frei zugänglichen Bankomaten selbst erfolgte nicht. Der Kunde achtete während der Eingabe des PIN-Codes darauf, dass sich niemand im unmittelbaren Umkreis von rund 2 m befand. Da dem Kunden nicht auffiel, dass er beobachtet wurde, setzte er keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen zur Abdeckung der Eingabetastatur des Bankomats. Steht der Behebende vor diesem Bankomat, schützt er die Eingabetastatur durch seinen Oberkörper zwar vor Blicken von hinter ihm stehenden Personen, nicht aber gegen Blicke von der Seite. Der Kunde deckte das Eingabefeld weder mit der Hand noch durch besonderes Vorbeugen des Oberkörpers gegen Einblicke vor allem von der Seite ab. Als Rechtshänder gab der Kunde den PIN-Code und den gewünschten Behebungsbetrag mit der rechten Hand ein. Während dessen bemerkte er das Vorbeigehen von Passanten hinter ihm. Dass einer dieser Passanten in seiner unmittelbaren Nähe stehen geblieben wäre, fiel ihm nicht auf. Nach Beendigung der Geldbehebung steckte der Kunde die behobenen 90 EUR und seine Bankomatkarte in seine Geldbörse, legte diese anschließend in das Hauptfach seines Rücksacks auf andere darin verwahrte Sachen oben darauf und schloss den Reißverschluss des Rucksackhauptfachs. Anschließend schulterte er den Rucksack über die rechte Schulter und ging gegen 14.30 Uhr zur Station der U-Bahnlinie U3, um einige Stationen zu fahren.

Nach dem Aussteigen bemerkte der Kunde, dass seine Geldbörse samt Bankomatkarte fehlte. Diese war ihm von einem unbekannten Täter zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt unter nicht feststellbaren näheren Umständen aus dem Rucksack gestohlen worden. Der Dieb hatte den Reißverschluss des Rucksacks geöffnet und die Geldbörse samt Bankomatkarte herausgenommen, ohne dass der Kunde dies bemerkte, obwohl er den Rucksack während der gesamten Zeit am Weg zur und während der Fahrt mit der U-Bahn am Rücken getragen und nirgends unbeaufsichtigt abgestellt hatte.

Der Kunde veranlasste sofort die Sperre der Bankomatkarte. Zuvor hatte aber bereits eine unbekannt gebliebene Person mit der Bankomatkarte des Kunden und dem ihr bekannten PIN-Code bei einem Bankomaten 310 EUR behoben. Ohne dass es zu einem Fehlversuch gekommen wäre, gab diese Person sofort den richtigen PIN-Code und den höchsten noch möglichen Geldbetrag, der an diesem Tag noch behoben werden konnte, ein. Für die Sperre der Bankomatkarte buchte die beklagte Partei vom Konto des Kunden die Sperrgebühr von 36,34 EUR ebenso ab wie den missbräuchlich behobenen Betrag von 310 EUR.

Die klagende Partei begehrte, die beklagte Partei zu verpflichten, auf das Konto des Kunden 346,34 EUR gutzuschreiben. Dieser habe den PIN-Code nirgends schriftlich festgehalten. Der unbekannte Täter habe aus der gestohlenen Geldbörse keinen Hinweis auf den PIN-Code erhalten können, sodass den Kunden kein Verschulden an der missbräuchlichen Geldbehebung einen unbekannten Dritten treffe.

Die beklagte Partei wendete ein, der Kunde habe den Schaden aus der missbräuchlichen Verwendung seiner Bankomatkarte selbst zu tragen, weil er fahrlässig die Ausspähung des PIN-Codes bei der dem Kartendiebstahl vorangegangenen Bargeldbehebung ermöglicht und überdies diese nicht sorgfältig (außerhalb seines Gesichtsfelds) verwahrt habe.

Das Erstgericht verhielt die beklagte Partei zur Gutschrift von 310 EUR auf das Konto des Kunden. In Ansehung der begehrten weiteren Gutschrift von 36,34 EUR wies es das Klagebegehren unangefochten ab. Dem Kunden falle weder bei der Geldbehebung im Hinblick auf das Schützen seines PIN-Codes noch bei der Verwahrung der Bankomatkarte im Rucksack ein Sorgfaltsverstoß zur Last. Er habe auch seine Geheimhaltungspflichten eingehalten.

Das Berufungsgericht wies auch das restliche Klagebegehren ab. Es stellte vorerst eingehend, zutreffend und unbestritten die Rechtslage zwischen dem Kunden und der beklagten Bank sowie das Bankomatsystem dar.

Die Missachtung der zwischen der beklagten Partei und ihrem Kunden vereinbarten AGB führe zu Schadenersatzpflichten oder zur Minderung von Schadenersatzansprüchen gegen die beklagte Partei. Aus den AGB lasse sich der Umkehrschluss ziehen, dass nach dem Willen der Vertragsparteien in jenen Fällen, in denen dem Konto- bzw. Karteninhaber weder in Bezug auf die Verwahrung der Bankomatkarte noch auf die Geheimhaltung des PIN-Codes eine Sorgfaltswidrigkeit vorzuwerfen sei, das Risiko einer missbräuchlichen Abhebung unter Verwendung der Originalkarte und des PIN-Codes die beklagte Partei zu tragen habe. Dafür spreche, dass die Verfügung des Kunden über die ihm gegen seine Bank zustehende Kontoforderung oder Kreditvereinbarung durch Behebung von Bargeld mittels Bankomatkarte und PIN-Code nur dann wirksam sei, wenn sie vom Berechtigten vorgenommen werde. Dem Kunden sei betreffend die Geheimhaltung des PIN-Codes und dessen Verwendung bei der konkreten Geldbehebung kein sorgfaltswidriges Verhalten vorzuwerfen.

Er habe aber durch Aufbewahrung der Bankomatkarte außerhalb seines Gesichtsfelds im Rucksack in der U-Bahn die in Punkt 2.4.3. der AGB normierte Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung der Bankomatkarte verletzt. Bankomatkarte und PIN-Code seien eine untrennbare Einheit. Werde einem Dritten der PIN-Code bekannt, verwahre der Inhaber seine Karte aber sorgfältig, so sei ein Schaden wie der klagegegenständliche nicht denkbar. Die Möglichkeiten zur Ausspähung des PIN-Codes seien vielfältig und nur begrenzt beherrschbar. Es liege daher am Karteninhaber, einen Diebstahl durch entsprechende Maßnahmen zu verhindern. Es könne der beklagten Partei nicht unterstellt werden, eine Haftung nur für jene Fälle ausschließen zu wollen, in denen der PIN-Code einem Dritten durch eine Sorgfaltswidrigkeit des Kunden bekannt werde und die Bankomatkarte dem Karteninhaber durch Zufall, jedenfalls aber ohne sein Verschulden abhanden komme. Den Punkten 1.10. und 2.4. der AGB der beklagten Partei sei auch ein Haftungsausschluss für den umgekehrten Fall zu entnehmen, dass dem Dritten der PIN-Code ohne Verschulden des Karteninhabers bekannt werde, dieser allerdings die Bankomatkarte sorglos verwahre.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung der AGB der beklagten Partei sowie zu den Sorgfaltspflichten des Karteninhabers im Umgang mit Bankomatkarte und PIN-Code fehle, dies aber für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen von Bedeutung sei.

Die ordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Der erkennende Senat verneint mit den Vorinstanzen allfällige Sorgfaltspflichtverletzungen des Kunden und Karteninhabers bei Verwendung des PIN-Codes bei seiner letzten Bargeldbehebung vor dem Kartendiebstahl. Es bildete eine Überspannung der den Karteninhaber treffenden Sorgfaltspflichten, würde man bei der inzwischen alltäglichen und auch von den Kreditinstituten zwecks Rationalisierung (und Ersparung eigener Kosten) geförderten und geforderten Bargeldbehebungen bei Bankomaten verlangen, stets ohne konkreten Anlass besondere Aufmerksamkeit auf allfällige Ausspähversuche zu richten und etwa Tastenfelder des Bankomaten, die im Allgemeinen recht leicht einsehbar angebracht sind, mit der zweiten Hand oder durch besondere Körperhaltung (Verrenkung ?) vor seitlicher Einsicht zu schützen. Schließlich muss sich der Karteninhaber auf die Bedienung des Bankomaten konzentrieren, was zuweilen (schlechte Positionierung und/oder Sichtverhältnisse, etwa bei Sonnenlichteinfall auf das Display) ohnehin die volle Aufmerksamkeit erfordert. Wie die Ausspähung des PIN-Codes erfolgte, steht hier gerade nicht fest, im Besonderen, ob eine unbekannt gebliebene Person dabei mit direkter Sicht auf die Tastatur des Bankomaten hinter oder neben dem Kunden stand oder ob ihr das Ausspähen des PIN-Codes aus einer größeren Entfernung mit Hilfe eines Fernrohrs oder anderer technischer Hilfsmittel wie Spiegel oder Kameras gelang, die im Bereich des Geldausgabeautomaten montiert waren.

b) Zu erörtern bleibt, ob den AGB der beklagten Partei eine Haftung des Kontoinhabers für eine nicht sorgfältige Verwahrung der Bankomatkarte durch den Karteninhaber zu entnehmen ist und im konkreten Fall von einer sorgfältigen Verwahrung der Bankomatkarte auszugehen ist.

1.) Der Oberste Gerichtshof schließt sich der vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegten Ansicht an, dass den AGB der beklagten Partei die Pflicht des Karteninhabers zu entnehmen ist, die Bankomatkarte sorgfältig zu verwahren und eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht zur Haftung des Karteninhabers gegenüber der beklagten Partei bzw. zur Minderung oder Entfall ihrer Haftung im Fall des Kartenmissbrauchs führt.

Bei der Auslegung von Verträgen ist gemäß § 914 ABGB nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die von der klagenden Partei ins Treffen geführte Auslegungsregel des § 915 ABGB (Unklarheitenregel) ist erst dann heranzuziehen, wenn die Ermittlung der erklärten Absicht der Parteien (auch unter Einschluss der ergänzenden Verkehrsübung) ohne eindeutiges Ergebnis geblieben ist; § 915 ABGB ist (arg. „in Zweifel") insofern als subsidiär zu betrachten (stRsp; 5 Ob 31/99s = SZ 72/34 u.a.; RIS-Justiz RS0109295; Bollenberger in KBB § 915 ABGB Rz 1 mwN).

In Punkt 2.4.3. der AGB der beklagten Partei wird neben der Geheimhaltungspflicht des Karteninhabers auch festgehalten, dass der Karteninhaber die Bankomatkarte sorgfältig zu verwahren hat. Punkt 1.10.2. der AGB legt fest, dass der Kontoinhaber bis zur Wirksamkeit der Sperre der Bankomatkarte alle Folgen und Nachteile infolge der missbräuchlichen Verwendung der Bezugskarte im Rahmen seines vereinbarten Limits trägt, sofern der Karteninhaber die Bezugskarte einem Dritten überlässt oder sofern die Bankomatkarte dem Karteninhaber abhanden kommt und ein unberechtigter Dritter infolge einer Sorgfaltswidrigkeit des Karteninhabers Kenntnis vom persönlichen PIN-Code erlangt. Die Zusammenschau dieser beiden Vertragspunkte ergibt die Pflicht des Karteninhabers zur sorgfältigen Verwahrung, deren Verletzung zu einer Haftung des Kontoinhabers führt. Auch wenn in Punkt 1.10.2. der AGB nicht explizit von einer sorgfaltswidrigen Verwahrung durch den Karteninhaber als Voraussetzung für die Haftung des Kontoinhabers die Rede ist, so kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass es auf die sorgfältige Verwahrung nicht ankäme. Vielmehr wird auch in Punkt 2.4.3. der AGB eindeutig festgehalten, dass der Karteninhaber diese - auch im eigenen Interesse - sorgfältig zu verwahren habe. Dies kann aber nur bedeuten, dass eine sorglose Verwahrung zu seinen Lasten ausschlagen soll. Aus der Notwendigkeit, bei der Geldbehebung den PIN-Code einzugeben, der sich nicht auf der Bankomatkarte befindet, lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Die Möglichkeiten zur Ausspähung des PIN-Codes sind in Anbetracht der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Bankomatkarte sehr zahlreich, weshalb es eben auch auf eine sorgfältige Verwahrung ankommt, um Missbrauch durch Dritte entgegenzuwirken.

Der Ansicht der klagenden Partei, eine allfällige Verletzung der Verwahrungspflicht begründe für sich alleine keine Haftung des Karteninhabers für Missbrauchsschäden, weil in Punkt 1.10.2. der AGB lediglich bei der sorgfaltswidrigen Verletzung von Geheimhaltungspflichten und Verlust der Bankomatkarte eine Haftung des Karteninhabers bedungen sei, ist nicht zu folgen. Der Unterschied zwischen Bankomatkarte und Kreditkarte in der Verwendung (Kreditkarte lediglich mit den Daten, die sich auf der Kreditkarte befinden und allenfalls mit Unterschrift des Benutzers; Bankomatkarte hingegen mit Karte und dem auf der Karte nicht ersichtlichen PIN-Code) rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Bargeldbehebung mit Bankomatkarte setzt ebenso wie die Zahlung oder Behebung mittels Kreditkarte den Besitz der Karte voraus.

Der von der klagenden Partei unter Berufung auf Hoppe (Verbraucher und Recht 5/2006, 205) vertretenen Ansicht, dass ein Taschendiebstahl einer Bankomatkarte grundsätzlich in die Risikosphäre der Bank falle, kann in dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden, normieren doch die vorliegenden AGB zulässigerweise (vgl. 2 Ob 133/99v = SZ 73/107 = ÖBA 2001, 250 [Koziol] = RZ 2000, 253 = RdW 2000, 599) eine diesbezügliche Risikoverteilung zu Lasten des Karteninhabers. Das Diebstahlsrisiko ist vom Karteninhaber im Vergleich zur kontoführenden Bank leichter zu beherrschen, das rechtfertigt die von der klagenden Partei beanstandete Risikoverteilung.Der von der klagenden Partei unter Berufung auf Hoppe (Verbraucher und Recht 5/2006, 205) vertretenen Ansicht, dass ein Taschendiebstahl einer Bankomatkarte grundsätzlich in die Risikosphäre der Bank falle, kann in dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden, normieren doch die vorliegenden AGB zulässigerweise vergleiche 2 Ob 133/99v = SZ 73/107 = ÖBA 2001, 250 [Koziol] = RZ 2000, 253 = RdW 2000, 599) eine diesbezügliche Risikoverteilung zu Lasten des Karteninhabers. Das Diebstahlsrisiko ist vom Karteninhaber im Vergleich zur kontoführenden Bank leichter zu beherrschen, das rechtfertigt die von der klagenden Partei beanstandete Risikoverteilung.

Insoweit sich die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung auf eine Risikohaftung des Kontoinhabers gemäß § 1014 ABGB stützt und daraus dessen verschuldensunabhängige Haftung ableiten will, kann dem nicht gefolgt werden. Aus der dispositiven Natur des § 1014 ABGB (vgl. 9 ObA 122/98a = SZ 71/172) ergibt sich, dass sowohl dessen Abbedingung als auch nähere Ausgestaltung durch die Parteien möglich ist. Die beklagte Partei verweist nun aber selbst darauf, in den Punkten 1.10.2. und 1.10.3. ihrer AGB die „Risikohaftung" näher ausgestaltet zu haben. Aus diesen beiden Vertragspunkten lässt sich jedoch nur der Schluss ziehen, dass ein Verschulden jedenfalls Voraussetzung für eine Haftung des Kontoinhabers ist, wird doch in beiden Klauseln das Vorliegen eines Sorgfaltsverstoßes als Auslöser für eine Haftung des Kontoinhabers normiert. Für dessen verschuldensunabhängige Risikohaftung, wie sie die beklagte Partei vor Augen hat, bleibt daher aufgrund gegenteiliger Parteienvereinbarung kein Raum.Insoweit sich die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung auf eine Risikohaftung des Kontoinhabers gemäß § 1014 ABGB stützt und daraus dessen verschuldensunabhängige Haftung ableiten will, kann dem nicht gefolgt werden. Aus der dispositiven Natur des § 1014 ABGB vergleiche 9 ObA 122/98a = SZ 71/172) ergibt sich, dass sowohl dessen Abbedingung als auch nähere Ausgestaltung durch die Parteien möglich ist. Die beklagte Partei verweist nun aber selbst darauf, in den Punkten 1.10.2. und 1.10.3. ihrer AGB die „Risikohaftung" näher ausgestaltet zu haben. Aus diesen beiden Vertragspunkten lässt sich jedoch nur der Schluss ziehen, dass ein Verschulden jedenfalls Voraussetzung für eine Haftung des Kontoinhabers ist, wird doch in beiden Klauseln das Vorliegen eines Sorgfaltsverstoßes als Auslöser für eine Haftung des Kontoinhabers normiert. Für dessen verschuldensunabhängige Risikohaftung, wie sie die beklagte Partei vor Augen hat, bleibt daher aufgrund gegenteiliger Parteienvereinbarung kein Raum.

Aus dem folgt: Nach den AGB („Kundenrichtlinien") der beklagten Bank führt nur eine schuldhafte, zumindest fahrlässige Verletzung der Verwahrungspflicht der Bankomatkarte, die einen Missbrauch durch Dritte nach sich zieht, zur Haftung des Kontoinhabers für den missbräuchlich behobenen Betrag.

2.) Zu prüfen bleibt, ob die Verwahrung der in der Geldbörse des Kunden befindlichen Bankomatkarte zuoberst in dem mit Reißverschluss verschlossenen Hauptfach des auf dem Rücken getragenen Rucksacks auf dem Weg zur und von der U-Bahn sowie während der U-Bahn-Fahrt einen Verstoß gegen die den Karteninhaber treffende Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung der Bankomatkarte bildet.

Die dem Karteninhaber in den AGB überbundene Verwahrpflicht („sorgfältig") ist lediglich durch ein Beispiel konkretisiert, nämlich die Nennung der Aufbewahrung in einem abgestellten Fahrzeug als nicht sorgfältig. Daraus lässt sich für den vorliegenden Fall wenig gewinnen. Allgemein ist für das Ausmaß der objektiv gebotenen Sorgfalt ein maßgerechter Durchschnittsmensch in der konkreten Lage des zu Beurteilenden maßgeblich, weil auf den gewöhnlichen Grad der Aufmerksamkeit und des Fleißes abzustellen ist (§ 1297 ABGB; RIS-Justiz RS0026204, RS0026343; Karner in KBB § 1297 ABGB Rz 1 mwN). Dieser gewöhnliche Aufmerksamkeitsgrad erfordert bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ebenso wie bei Bewegung im städtischen öffentlichen Raum zweifellos die Verwahrung von Wertsachen außerhalb des Blicks und des ungehinderten Zugriffs Unbefugter. Die Gefahr von Diebstählen, auch Taschendiebstählen ist allgemein bekannt. Dennoch ist nach Ansicht des erkennenden Senats nicht zu verlangen, über die Verwahrung in einem abgeschlossenen Behältnis in körperlicher Nähe (in casu: mit einem Reißverschluss verschlossener Rucksack) oder in einer Tasche unmittelbar am Körper (Hosen-, Jacken- oder Manteltasche) hinaus ständig die ungeteilte/konzentrierte Aufmerksamkeit der Abwehr möglicher Diebstahlsgefahren zu widmen oder besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Einerseits bedeutete dies eine unzumutbare Einschränkung der Bewegungsfreiheit (ständiges Ansichpressen des Wertgegenstands oder des diesen umschließenden Behältnisses), andererseits erregt gerade ein derartiges Verhalten auch die Aufmerksamkeit etwaiger Diebe oder lässt sich durch Ablenkung ohnehin umgehen (z.B. Diebstahl aus der Hosentasche in der U-Bahn). Überdies führt ja der Verlust der Bankomatkarte für sich allein noch nicht automatisch zu einem Schaden, weil ja nach dem System zur Geldbehebung sowohl die Bankomatkarte als auch der PIN-Code erforderlich ist. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass der Kunde am frühen Nachmittag eines Werktages, somit entgegen der Auffassung der zweiten Instanz nicht zur Hauptverkehrszeit, die U-Bahn benützte und daher auch nicht mit einem gefahrenerhöhenden Gedränge rechnen musste.Die dem Karteninhaber in den AGB überbundene Verwahrpflicht („sorgfältig") ist lediglich durch ein Beispiel konkretisiert, nämlich die Nennung der Aufbewahrung in einem abgestellten Fahrzeug als nicht sorgfältig. Daraus lässt sich für den vorliegenden Fall wenig gewinnen. Allgemein ist für das Ausmaß der objektiv gebotenen Sorgfalt ein maßgerechter Durchschnittsmensch in der konkreten Lage des zu Beurteilenden maßgeblich, weil auf den gewöhnlichen Grad der Aufmerksamkeit und des Fleißes abzustellen ist (§ 1297 ABGB; RIS-Justiz RS0026204, RS0026343; Karner in KBB Paragraph 1297, ABGB Rz 1 mwN). Dieser gewöhnliche Aufmerksamkeitsgrad erfordert bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ebenso wie bei Bewegung im städtischen öffentlichen Raum zweifellos die Verwahrung von Wertsachen außerhalb des Blicks und des ungehinderten Zugriffs Unbefugter. Die Gefahr von Diebstählen, auch Taschendiebstählen ist allgemein bekannt. Dennoch ist nach Ansicht des erkennenden Senats nicht zu verlangen, über die Verwahrung in einem abgeschlossenen Behältnis in körperlicher Nähe (in casu: mit einem Reißverschluss verschlossener Rucksack) oder in einer Tasche unmittelbar am Körper (Hosen-, Jacken- oder Manteltasche) hinaus ständig die ungeteilte/konzentrierte Aufmerksamkeit der Abwehr möglicher Diebstahlsgefahren zu widmen oder besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Einerseits bedeutete dies eine unzumutbare Einschränkung der Bewegungsfreiheit (ständiges Ansichpressen des Wertgegenstands oder des diesen umschließenden Behältnisses), andererseits erregt gerade ein derartiges Verhalten auch die Aufmerksamkeit etwaiger Diebe oder lässt sich durch Ablenkung ohnehin umgehen (z.B. Diebstahl aus der Hosentasche in der U-Bahn). Überdies führt ja der Verlust der Bankomatkarte für sich allein noch nicht automatisch zu einem Schaden, weil ja nach dem System zur Geldbehebung sowohl die Bankomatkarte als auch der PIN-Code erforderlich ist. Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass der Kunde am frühen Nachmittag eines Werktages, somit entgegen der Auffassung der zweiten Instanz nicht zur Hauptverkehrszeit, die U-Bahn benützte und daher auch nicht mit einem gefahrenerhöhenden Gedränge rechnen musste.

Daraus folgt: Die Verwahrung der Bankomatkarte in der Geldbörse im durch Reißverschluss verschlossenen, am Rücken getragenen Rucksack begründet im Allgemeinen, d.h. ohne Hinzutreten weiterer gefahrenträchtigter Momente keinen Sorgfaltsverstoß des Karteninhabers und berechtigt den Kartenaussteller daher nicht, den Karten-/Kontoinhaber mit dem infolge Verlusts der Bankomatkarte missbräuchlich erlangten Bargeldbezug zu belasten.

Demnach ist der Revision Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 41 und 50 ZPO.Die Kostenentscheidung fußt auf Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E83353

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00248.06A.0222.000

Im RIS seit

24.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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