TE OGH 2007/2/27 10ObS20/07z

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Veröffentlicht am 27.02.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Vera Moczarski (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Irma G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Krammer, Rechtsanwalt in Horn, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Dr. Karl-Renner-Promenade 14-16, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Kostenerstattung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. November 2006, GZ 10 Rs 142/06k-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Juni 2006, GZ 7 Cgs 162/03m-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 4. 12. 1936 geborene Klägerin leidet an einer Gonarthrose (Abnützung des Kniegelenks) rechts mit beginnender Varusfehlstellung und retropatellarer Gelenkspaltverschmälerung. Der behandelnde praktische Arzt verschrieb das Heilmittel „Condrosulf". Mit Bescheid vom 30. 6. 2003 lehnte die beklagte Gebietskrankenkasse den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten des Heilmittels „Condrosulf" im Wesentlichen mit der Begründung ab, es gäbe keine wissenschaftlichen Nachweise über eine knorpelaufbauende Wirkung dieses Heilmittels und es stünden der Klägerin andere wirksame und kostengünstigere Heilmittel zur Behandlung ihrer Krankheit zur Verfügung.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin rechtzeitig Klage zunächst mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Kosten des Arzneimittels „Condrosulf" abzüglich des Selbstbehaltes zu bezahlen.

Das dieses Klagebegehren abweisende Ersturteil vom 14. 1. 2004 (ON 12) wurde vom Berufungsgericht mit Beschluss vom 27. 10. 2004 (ON 17) aufgehoben und die Sozialrechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang schränkte die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. 5. 2005 (ON 27) ihr Begehren dahin ein, dass die beklagte Partei schuldig erkannt werde, der Klägerin die Kosten des Arzneimittels „Condrosulf" von Mai 2003 bis einschließlich 31. 12. 2004 (das sind vier Kurpackungen für jeweils einen Zeitraum von drei Monaten) abzüglich des Selbstbehaltes zu bezahlen. Sie brachte dazu in der Tagsatzung vom 14. 6. 2006 (ON 33) vor, sie habe in der Zeit von Mai bis Juli 2003, von Dezember 2003 bis Februar 2004, von Juni 2004 bis August 2004 sowie vom Dezember 2004 bis Februar 2005 „Condrosulf" angewendet, sie habe die entsprechenden Packungen gekauft, könne allerdings diesbezüglich keine saldierten Rechnungen vorlegen. Die beklagte Partei wendete darauf hin ein, dass die Klägerin eine Erstattung dieser Medikamentenkosten begehre, eine Erstattung aber nur gegen Vorlage saldierter Rechnungen erfolgen könne. Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang neuerlich ab. Es stellte fest, dass die Klägerin keine saldierten Rechnungen (über den Ankauf des Heilmittels „Condrosulf") und auch kein Rezept, aus dem dessen Einlösung ersichtlich wäre, sondern nur eine Verschreibung des behandelnden Arztes vom 13. 5. 2003 vorgelegt hat.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Behandlung der Klägerin mit „Condrosulf" den Grundsätzen einer ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen jedoch nicht übersteigenden Krankenbehandlung (§ 133 Abs 2 ASVG) entsprochen habe. Sie begehre den Ersatz der Kosten dieses Heilmittels. Ein Ersatz der Kosten eines bezahlten Heilmittels komme nach § 20 iVm § 33 der Krankenordnung der beklagten Partei nur in Betracht, wenn die Originalhonorarnote (Rezept) der Kasse übergeben werde. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, erweise sich das Klagebegehren als nicht berechtigt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Die Klägerin habe unstrittig ein Kassenrezept, dessen Verschreibung chefärztlich nicht genehmigt worden sei. Auf diesen Fall seien die Bestimmungen der §§ 20 und 33 der Krankenordnung der beklagten Partei betreffend die Verordnung von Heilmitteln durch Wahlärzte analog anzuwenden. Danach komme eine Erstattung der Kosten des bezahlten Heilmittels durch die Krankenkasse nur dann in Betracht, wenn die Originalhonorarnote (Rezept) der Kasse übergeben werde. Aus dieser Regelung gehe klar hervor, dass sich aus der Originalhonorarnote (Rezept) die Tatsache der Bezahlung des Heilmittels durch den Anspruchsberechtigten ergeben müsse. Die Klägerin habe im vorliegenden Fall keine entsprechenden Unterlagen (wie etwa Rechnungen) vorlegen können und habe damit die Tatsache der Bezahlung des Heilmittels durch sie nicht nachgewiesen. Sie habe zunächst ein Leistungsbegehren auf Übernahme der Kosten des Heilmittels vor Erwerb dieses Heilmittels gestellt, dieses Begehren jedoch in der Folge auf ein Kostenerstattungsbegehren für ein bereits bezahltes Heilmittel eingeschränkt. Der von der beklagten Partei daraufhin erhobene Einwand, die begehrte Kostenerstattung sei nur gegen Vorlage saldierter Rechnungen möglich, stelle keine rechtsmissbräuchliche Vorgangsweise der beklagten Partei dar.In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es könne dahingestellt bleiben, ob die Behandlung der Klägerin mit „Condrosulf" den Grundsätzen einer ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen jedoch nicht übersteigenden Krankenbehandlung (Paragraph 133, Absatz 2, ASVG) entsprochen habe. Sie begehre den Ersatz der Kosten dieses Heilmittels. Ein Ersatz der Kosten eines bezahlten Heilmittels komme nach Paragraph 20, in Verbindung mit Paragraph 33, der Krankenordnung der beklagten Partei nur in Betracht, wenn die Originalhonorarnote (Rezept) der Kasse übergeben werde. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, erweise sich das Klagebegehren als nicht berechtigt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Die Klägerin habe unstrittig ein Kassenrezept, dessen Verschreibung chefärztlich nicht genehmigt worden sei. Auf diesen Fall seien die Bestimmungen der Paragraphen 20 und 33 der Krankenordnung der beklagten Partei betreffend die Verordnung von Heilmitteln durch Wahlärzte analog anzuwenden. Danach komme eine Erstattung der Kosten des bezahlten Heilmittels durch die Krankenkasse nur dann in Betracht, wenn die Originalhonorarnote (Rezept) der Kasse übergeben werde. Aus dieser Regelung gehe klar hervor, dass sich aus der Originalhonorarnote (Rezept) die Tatsache der Bezahlung des Heilmittels durch den Anspruchsberechtigten ergeben müsse. Die Klägerin habe im vorliegenden Fall keine entsprechenden Unterlagen (wie etwa Rechnungen) vorlegen können und habe damit die Tatsache der Bezahlung des Heilmittels durch sie nicht nachgewiesen. Sie habe zunächst ein Leistungsbegehren auf Übernahme der Kosten des Heilmittels vor Erwerb dieses Heilmittels gestellt, dieses Begehren jedoch in der Folge auf ein Kostenerstattungsbegehren für ein bereits bezahltes Heilmittel eingeschränkt. Der von der beklagten Partei daraufhin erhobene Einwand, die begehrte Kostenerstattung sei nur gegen Vorlage saldierter Rechnungen möglich, stelle keine rechtsmissbräuchliche Vorgangsweise der beklagten Partei dar.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung mangels Vorliegens einer einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Krankenordnung stelle eine Verordnung dar, welche die Ansprüche des Versicherten nicht schmälern dürfe. Eine gesetzmäßige Interpretation der Krankenordnung müsse daher zu dem Ergebnis führen, dass der Kostennachweis nicht nur durch Vorlage von Rechnungen bzw Rezepten erfolgen könne, sondern dem Versicherten auch andere Nachweismöglichkeiten zur Verfügung stünden. Der entsprechende Einwand der beklagten Partei über die Notwendigkeit der Vorlage von Rezepten bzw Rechnungen sei für die Klägerin völlig überraschend gekommen. Das Entstehen einer solchen Mitwirkungspflicht der Klägerin (Vorlage der Rechnungen) hätte nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ein entsprechendes Verlangen des Versicherungsträgers unter Hinweis auf die mögliche Sanktion eines Leistungsverlustes vorausgesetzt. Der von der beklagten Partei erhobene Einwand sei überdies schikanös.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Klägerin ihr zunächst auf Übernahme der Kosten des Heilmittels „Condrosulf" gerichtetes Leistungsbegehren im zweiten Rechtsgang auf ein Kostenerstattungsbegehren (für ein von ihr bezahltes Heilmittel) eingeschränkt (vgl SSV-NF 15/142, 13/12, 10/48 ua). Wenn die beklagte Partei darauf hin eingewendet hat, dass die Erstattung allfälliger Kosten nur gegen Vorlage saldierter Rechnungen möglich sei, kann darin kein schikanöses Vorgehen bzw Vorbringen gesehen werden. Es entspricht auch der ständigen, von der herrschenden Lehre gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass eine Leistungsklage auf Kostenersatz aus der Krankenversicherung (Kostenerstattungsbegehren) voraussetzt, dass die Kosten vorher vom Versicherten oder Anspruchsberechtigten getragen wurden. Dass nur bereits bezahlte, also auch ausgelegte Kosten refundiert werden (können), beruht auf dem im Krankenversicherungsrecht geltenden Kostenerstattungsprinzip. Dass hierüber saldierte Rechnungen verlangt werden, entspricht einem Gebot der Verwaltungsökonomie, weil bei der Vielzahl der Fälle eine anderweitige Beweisführung - etwa durch Zeugen, Sachverständige oder Parteienvernehmung - für den Versicherer mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden und damit praktisch nicht durchführbar wäre; darüber hinaus können auf diese Weise auch sich zu Lasten der die Finanzierung überwiegend tragenden Versichertengemeinschaft auswirkende Manipulationen einfach, aber wirkungsvoll hintangehalten werden (SSV-NF 14/77, 10/95 jeweils mwN). Auch der Einwand, die Klägerin sei von der Notwendigkeit der Vorlage entsprechender Nachweise für ihr Kostenerstattungsbegehren überrascht worden, vermag im Hinblick darauf, dass sie während des gesamten Verfahrens anwaltlich vertreten war, nicht zu überzeugen. Schließlich ist auch der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsprechung zu den Mitwirkungs- bzw Duldungspflichten des Versicherten im Zusammenhang mit Heilverfahren (vgl 10 ObS 188/04a) nicht zielführend, da die Klägerin keine derartige Mitwirkungspflicht verletzt hat, sondern den ihr für die Berechtigung ihres Kostenerstattungsbegehren obliegenden Nachweis der Kostentragung nicht erbracht hat.Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Klägerin ihr zunächst auf Übernahme der Kosten des Heilmittels „Condrosulf" gerichtetes Leistungsbegehren im zweiten Rechtsgang auf ein Kostenerstattungsbegehren (für ein von ihr bezahltes Heilmittel) eingeschränkt vergleiche SSV-NF 15/142, 13/12, 10/48 ua). Wenn die beklagte Partei darauf hin eingewendet hat, dass die Erstattung allfälliger Kosten nur gegen Vorlage saldierter Rechnungen möglich sei, kann darin kein schikanöses Vorgehen bzw Vorbringen gesehen werden. Es entspricht auch der ständigen, von der herrschenden Lehre gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass eine Leistungsklage auf Kostenersatz aus der Krankenversicherung (Kostenerstattungsbegehren) voraussetzt, dass die Kosten vorher vom Versicherten oder Anspruchsberechtigten getragen wurden. Dass nur bereits bezahlte, also auch ausgelegte Kosten refundiert werden (können), beruht auf dem im Krankenversicherungsrecht geltenden Kostenerstattungsprinzip. Dass hierüber saldierte Rechnungen verlangt werden, entspricht einem Gebot der Verwaltungsökonomie, weil bei der Vielzahl der Fälle eine anderweitige Beweisführung - etwa durch Zeugen, Sachverständige oder Parteienvernehmung - für den Versicherer mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden und damit praktisch nicht durchführbar wäre; darüber hinaus können auf diese Weise auch sich zu Lasten der die Finanzierung überwiegend tragenden Versichertengemeinschaft auswirkende Manipulationen einfach, aber wirkungsvoll hintangehalten werden (SSV-NF 14/77, 10/95 jeweils mwN). Auch der Einwand, die Klägerin sei von der Notwendigkeit der Vorlage entsprechender Nachweise für ihr Kostenerstattungsbegehren überrascht worden, vermag im Hinblick darauf, dass sie während des gesamten Verfahrens anwaltlich vertreten war, nicht zu überzeugen. Schließlich ist auch der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsprechung zu den Mitwirkungs- bzw Duldungspflichten des Versicherten im Zusammenhang mit Heilverfahren vergleiche 10 ObS 188/04a) nicht zielführend, da die Klägerin keine derartige Mitwirkungspflicht verletzt hat, sondern den ihr für die Berechtigung ihres Kostenerstattungsbegehren obliegenden Nachweis der Kostentragung nicht erbracht hat.

Der Revision der Klägerin musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch an die Klägerin rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.Der Revision der Klägerin musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch an die Klägerin rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Anmerkung

E8363410ObS20.07z

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inARD 5780/6/2007 = infas 2007,155/S34 - infas 2007 S34 = SSV-NF 21/11XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:010OBS00020.07Z.0227.000

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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