TE Vwgh Erkenntnis 2007/9/27 2003/11/0063

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.2007
beobachten
merken

Index

L94057 Ärztekammer Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ABGB §1478;
ÄrzteG 1998 §106 Abs2;
AVG §32;
AVG §33;
PauschV VwGH 1994 Art1 Z4;
PauschV VwGH 1994 Art1 Z5;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Tir 1969 §36;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Tir 1969 §47 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Tir 1969 §47 Abs3;
VwGG §47 Abs2 Z2;
VwGG §48 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs2 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Dr. R in F, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses der Ärztekammer für Tirol vom 20. Februar 2003, Zl. BA 4/02, betreffend Krankenunterstützung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Ärztekammer für Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem am 17. Juli 2002 bei der Ärztekammer für Tirol eingelangten Schreiben vom 16. Juli 2002 ersuchte die Beschwerdeführerin einerseits um die Auszahlung des Krankenhaustaggeldes für ihre stationären Krankenhausaufenthalte von 8. bis 12. November 2001 und vom 13. bis 17. November 2001 (in näher bezeichneten Krankenanstalten), andererseits um die Auszahlung des Krankengeldes für den Krankenstand (gemeint: für die Berufsunfähigkeit) vom 8. November bis 21. Dezember 2001. Unter einem stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Geltendmachungsfrist für die begehrten Leistungen.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Beschwerdeausschusses der Ärztekammer für Tirol wurde den genannten Ansuchen auf Krankenunterstützung nicht stattgegeben.

Zur Begründung führte der Beschwerdeausschuss aus, die Beschwerdeführerin habe den Antrag auf Krankenunterstützung nicht innerhalb von sechs Monaten nach "Erlangung" der Berufsunfähigkeit bzw. nach Ende des Krankenhausaufenthaltes der Ärztekammer vorgelegt. Im Hinblick auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führte die Behörde aus, bei den angeführten Leistungsansprüchen handle es sich um materiellrechtliche Ansprüche, eine Verjährung nach den Bestimmungen des ABGB sei nicht vorgesehen. Die Frist zur Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten sei eine materiellrechtliche Frist, gegen deren Versäumung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht Platz greifen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsvorschriften der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol (im Folgenden kurz: Satzung) lauten (auszugsweise):

"IV. LEISTUNGSRECHT

...

B) UNTERSTÜTZUNGSLEISTUNGEN

§ 36

Krankenunterstützung

(1) Teilnehmern, die durch Krankheit oder Unfall unfähig sind, den ärztlichen Beruf auszuüben, wird eine Krankenunterstützung gewährt.

(2) Die Krankenunterstützung gliedert sich:

a) in ein Krankengeld für den Fall einer Krankheit (Unfallfolgen) während der Berufsunfähigkeit,

b) in das Krankenhaustaggeld für den Fall einer stationären Krankenhausbehandlung.

...

§ 38

Krankengeld

(1) Niedergelassene Ärzte und Wohnsitzärzte, die durch Krankheit oder Unfall unfähig sind, den ärztlichen Beruf auszuüben, haben Anspruch auf Krankengeld ab dem 4. Krankheitstag, soferne sie nicht Bezieher einer Altersversorgung sind.

...

§ 39

Krankenhaustaggeld

(1) Ist die Erkrankung mit einer stationären Behandlung in einer Krankenanstalt verbunden, haben Kammerangehörige und Bezieher einer Alters- oder Invaliditätsversorgung Anspruch auf Krankenhaustaggeld.

...

V. VERFAHRENSVORSCHRIFTEN

§ 45

Allgemeines

Für das Verfahren vor dem Verwaltungsausschuss und dem Beschwerdeausschuss sind die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 (AVG. 1950) anzuwenden. Nachstehende Bestimmungen sind besonders zu beachten.

...

§ 47

(1) Vom Erkrankungsfalle ist der Verwaltungsausschuss der Ärztekammer unverzüglich, längstens innerhalb von 7 Tagen, in Kenntnis zu setzen.

(2) Leistungsansuchen wegen Erkrankung sind innerhalb von 6 Monaten nach Erlangung der Berufsfähigkeit bzw. Ende des Krankenhausaufenthaltes der Ärztekammer vorzulegen.

(3) Später geltend gemachte Ansprüche werden nicht mehr berücksichtigt.

..."

1.2. § 106 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) idF BGBl. I Nr. 91/2002 lautet (auszugsweise):

"§ 106. (1) Kammerangehörigen, die durch Krankheit oder Unfall unfähig sind, den ärztlichen Beruf auszuüben, wird eine Krankenunterstützung, die sich nach der Dauer der Krankheit richtet, gewährt.

(2) Die Höhe der Krankenunterstützung und die Anspruchsvoraussetzungen sind in der Satzung festzusetzen.

..."

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Voranzustellen ist, dass der angefochtene Bescheid spruchgemäß lediglich die Abweisung der Anträge auf Krankenunterstützung als unbegründet zum Inhalt hat, weil diese nicht innerhalb von 6 Monaten nach "Erlangung" der Berufsunfähigkeit bzw. Ende des Krankenhausaufenthalts der Ärztekammer für Tirol vorgelegt worden seien.

2.2.1. Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass die Anträge auf Krankenunterstützung nach Ablauf der genannten Frist gestellt wurden, bestreitet jedoch, dass die im Rahmen der Krankenunterstützung vorgesehenen Leistungsansprüche nach diesem Zeitpunkt automatisch erloschen seien, weil in der gegenständlichen Konstellation die Bestimmungen der §§ 1478 ff ABGB über die Verjährung zur Anwendung kämen.

Dem ist zu entgegnen, dass Leistungen wegen Erkrankungen durch die Satzung abschließend geregelt sind. Diese Ansprüche sind öffentlich-rechtlicher Natur. Das Rechtsinstitut der Verjährung findet im Beschwerdefall keine Anwendung, weil dies nicht nach der Satzung vorgesehen ist. Das Erfordernis der fristgerechten Vorlage des Leistungsansuchens bei sonstigem Anspruchsverlust ergibt sich daher unmittelbar und ausschließlich aus § 47 der Satzung (vgl. in diesem Zusammenhang auch die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 1993, Zl. 93/11/0006, vom 5. August 1997, Zl. 95/11/0351, und vom 29. September 2005, Zl. 2000/11/0232, jeweils zur Zuordnung von vergleichbaren Rechtsbeziehungen nach krankenanstaltenrechtlichen Vorschriften zum öffentlichen Recht, sowie das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 29. September 2005 zum Ausschluss auch der Verjährungsbestimmungen des ABGB).

2.2.2. Zu der von der Beschwerde nicht substanziiert ins Treffen geführten Rüge, dem Satzungsgeber sei es verwehrt, eine Verfallsfrist wie nach § 47 Abs. 2 zu normieren, genügt es auf § 106 Abs. 2 ÄrzteG 1998 zu verweisen, wonach die Höhe der Krankenunterstützung und die Anspruchsvoraussetzungen in der Satzung festzulegen sind.

2.2.3. Die im § 47 Abs. 2 der Satzung genannte Frist von 6 Monaten ist, entgegen den Beschwerdeausführungen, mit Rücksicht auf die entsprechenden Satzungen der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammern der übrigen Bundesländer nicht als ungewöhnlich zu qualifizieren, weshalb schon deswegen dagegen verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes vom Verwaltungsgerichtshof nicht gehegt werden.

2.3. Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.4. Zur Klarstellung sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, darauf hinzuweisen, dass er die in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretene Rechtsauffassung, es handle sich bei der Frist zur Vorlage von Leistungsansuchen auf Krankenunterstützung um eine materiellrechtliche Frist, gegen deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht statthaft sei, teilt.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss die Wertung einer Frist als materiellrechtliche vom Gesetz unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden. Geschieht das nicht, so ist vom Vorliegen einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen. Nach § 47 Abs. 2 der Satzung sind Leistungsansuchen wegen Erkrankung innerhalb von 6 Monaten nach "Erlangung" der Berufsunfähigkeit bzw. Ende des Krankenhausaufenthaltes der Ärztekammer vorzulegen. Gemäß § 47 Abs. 3 der Satzung werden später geltend gemachte Ansprüche nicht mehr berücksichtigt. Erfolgt keine Vorlage des Leistungsansuchens innerhalb der angeführten Frist, so wird der Antragsteller dieses Rechtes verlustig. Der Untergang des genannten Anspruchs ist unmittelbare Folge einer innerhalb der Frist unterlassenen Vorlage (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zl. 2003/04/0138, betreffend den Untergang der Gewerbeberechtigung des Nachfolgeunternehmens nach § 11 Abs. 5 GewO 1994). Für die Annahme einer materiellrechtlichen Frist ist dabei, wie sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, nicht erforderlich, dass in der Rechtsgrundlage ausdrücklich ausgeführt wird, dass der Anspruch bei verspäteter Geltendmachung untergeht (vgl. zB. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004 und jenes vom 11. April 2000, Zl. 2000/11/0081).

In der beschwerdegegenständlichen Konstellation wird das Vorliegen eines ausschließlich materiellrechtlichen Anspruches durch die Bestimmung des § 47 Abs. 3 der Satzung, wonach nach Fristablauf geltend gemachte Ansprüche nicht mehr berücksichtigt werden, unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht. Dieser Bestimmung wohnt, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, die Bedeutung inne, dass das Recht auf Krankenunterstützung nach Ablauf der Frist untergeht.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Fristenlauf durch "Erlangung" der Berufsunfähigkeit und nicht, wie die Beschwerde es für die Annahme einer materiellrechtlichen Frist für erforderlich hält, durch Wiedererlangung der Berufsfähigkeit in Gang gesetzt wird.

Zum Vorbringen der Beschwerde, die in § 47 der Satzung genannte Frist sei ihrer Natur nach als verfahrensrechtliche anzusehen, weil diese Bestimmung unter dem Titel "V. VERFAHRENSVORSCHRIFTEN" aufscheint, ist einzuräumen, dass eine solche Erwägung auf den ersten Blick zwar als denkbar erscheinen könnte. Eine Durchsicht der dieser Abschnittsüberschrift folgenden Bestimmungen zeigt jedoch, dass es sich dabei offensichtlich nicht in allen Fällen um Verfahrensvorschriften im Sinne der Terminologie des österreichischen Verwaltungsrechts (vgl. dazu etwa Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 Rz 229ff) handelt. So trifft zB. § 49 Abs. 2 der Satzung (materiellrechtliche) Regelungen über eine Haftung des Empfängers der Leistung oder seiner Verlassenschaft und § 51 der Satzung (ebenfalls materiellrechtliche) Regelungen über die Unmöglichkeit der Abtretung und Verpfändung von Versorgungs- und Unterstützungsleistungen, ferner über die Aufrechnung von aushaftenden "Schuldbeträgen der Leistungsbezugsberechtigung" mit zuerkannten Leistungen. Auch eine Bezugnahme auf die erwähnte Abschnittsüberschrift erlaubt somit keinen Rückschluss auf die Rechtsnatur der in § 47 Abs. 2 der Satzung normierten Vorlagefrist. Da es sich bei dieser Frist dem Inhalt des § 47 Abs. 2 der Satzung nach, wie die bisherigen Ausführungen zeigen, vielmehr um eine ausschließlich materiellrechtliche Frist handelt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist nicht in Frage.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II. Nr. 333/2003. Da der als "Gegenschrift" bezeichnete Schriftsatz der belangten Behörde lediglich die Verweisung auf den angefochtenen Bescheid sowie den Antrag auf die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nicht jedoch ein sonstiges, auf die Beschwerdeschrift oder auf die Sache Bezug habendes Vorbringen, enthält, fehlt es an einem der belangten Behörde erwachsenen Aufwand, der über den Aufwand hinausging, der üblicherweise mit einem Begleitschreiben zur Aktenvorlage verbunden ist. Dieser Aufwand ist daher mit dem Pauschbetrag für den Vorlagenaufwand abgegolten, sodass kein Schriftsatzaufwand im Sinne des § 48 Abs. 2 Z. 2 VwGG gebührt (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 22. November 2006, Zl. 2006/15/0162).

Wien, am 27. September 2007

Schlagworte

Belangte Behörde als obsiegende Partei Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2003110063.X00

Im RIS seit

25.10.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten