TE OGH 2007/3/7 13Os130/06a (13Os131/06y)

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Veröffentlicht am 07.03.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. März 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. T. Solé, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer in der Strafsache gegen Suzan K***** und weitere Beschuldigte wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 12. August 2005, GZ 9 Hv 65/05z-15, und das Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 1. Juni 2006, GZ 1 U 44/05i-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und seines Verteidigers, zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 7. März 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. T. Solé, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer in der Strafsache gegen Suzan K***** und weitere Beschuldigte wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach Paragraphen 83, Absatz eins,, 84 Absatz eins, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 12. August 2005, GZ 9 Hv 65/05z-15, und das Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 1. Juni 2006, GZ 1 U 44/05i-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und seines Verteidigers, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichtes St. Pölten vom 12. August 2005, GZ 9 Hv 65/05z-15, verletzt in seinem Punkt 2.), mit dem „der Akt" an das Bezirksgericht Lilienfeld abgetreten wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 485 Abs 1 Z 2 StPO.1. Der Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichtes St. Pölten vom 12. August 2005, GZ 9 Hv 65/05z-15, verletzt in seinem Punkt 2.), mit dem „der Akt" an das Bezirksgericht Lilienfeld abgetreten wurde, das Gesetz in der Bestimmung des Paragraph 485, Absatz eins, Ziffer 2, StPO.

2. Das Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 1. Juni 2006, GZ 1

U 44/05i-36, verletzt in seinem nachträglichen Strafausspruch zum Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 6. Oktober 2003, AZ 14 Hv 125/03g, das Gesetz in der Bestimmung des § 494a Abs 1 Z 3 StPO. Es werden dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem den Beschuldigten Suzan K***** betreffenden Strafausspruch sowie der zugleich gefasste Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 3 StPO aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Lilienfeld die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.U 44/05i-36, verletzt in seinem nachträglichen Strafausspruch zum Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 6. Oktober 2003, AZ 14 Hv 125/03g, das Gesetz in der Bestimmung des Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 3, StPO. Es werden dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem den Beschuldigten Suzan K***** betreffenden Strafausspruch sowie der zugleich gefasste Beschluss nach Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 3, StPO aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Lilienfeld die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.

Text

Gründe:

Der am 23. Oktober 1988 geborene Suzan K***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 6. Oktober 2003, GZ 14 Hv 125/03g-6, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Gemäß § 13 Abs 1 JGG wurde der Ausspruch der wegen einer Jugendstraftat zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten.Der am 23. Oktober 1988 geborene Suzan K***** wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 6. Oktober 2003, GZ 14 Hv 125/03g-6, des Vergehens der Nötigung nach Paragraph 105, Absatz eins, StGB schuldig erkannt. Gemäß Paragraph 13, Absatz eins, JGG wurde der Ausspruch der wegen einer Jugendstraftat zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten.

Mit Strafantrag vom 4. April 2005 legte die Staatsanwaltschaft St. Pölten (ua) Suzan K***** das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB zur Last (ON 4 in 1 U 44/05i des Bezirksgerichtes Lilienfeld). Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, demzufolge der Verletzungsgrad des Tatopfers als leicht zu beurteilen sei (ON 11, 13), beantragte die Staatsanwaltschaft - nach Einsicht in das Gutachten - dennoch die Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes St. Pölten unter Beiziehung des medizinischen Sachverständigen (S 1a verso). Mit Beschluss vom 12. August 2005, GZ 9 E Hv 65/05z-15, wies der Einzelrichter diesen Antrag der Anklagebehörde ab (Punkt 1.) und trat „den Akt" an das Bezirksgericht Lilienfeld ab (Punkt 2.) Der öffentliche Ankläger erklärte hiezu, den Strafantrag als Antrag auf Bestrafung aufrecht zu erhalten (S 1b). Daraufhin wurde Suzan K***** mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 1. Juni 2006, GZ 1 U 44/05i-36, des Vergehens des Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt. Unter einem fasste der Bezirksrichter in Entsprechung eines Antrags der Anklagebehörde (S 93) den Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO werde zum Urteil des Landesgerichtes St. Pölten, AZ 14 Hv 125/03g, nachträglich eine Freiheitsstrafe von einer Woche, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von drei Jahren, ausgesprochen.Mit Strafantrag vom 4. April 2005 legte die Staatsanwaltschaft St. Pölten (ua) Suzan K***** das Vergehen der schweren Körperverletzung nach Paragraphen 83, Absatz eins,, 84 Absatz eins, StGB zur Last (ON 4 in 1 U 44/05i des Bezirksgerichtes Lilienfeld). Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, demzufolge der Verletzungsgrad des Tatopfers als leicht zu beurteilen sei (ON 11, 13), beantragte die Staatsanwaltschaft - nach Einsicht in das Gutachten - dennoch die Durchführung der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes St. Pölten unter Beiziehung des medizinischen Sachverständigen (S 1a verso). Mit Beschluss vom 12. August 2005, GZ 9 E Hv 65/05z-15, wies der Einzelrichter diesen Antrag der Anklagebehörde ab (Punkt 1.) und trat „den Akt" an das Bezirksgericht Lilienfeld ab (Punkt 2.) Der öffentliche Ankläger erklärte hiezu, den Strafantrag als Antrag auf Bestrafung aufrecht zu erhalten (S 1b). Daraufhin wurde Suzan K***** mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 1. Juni 2006, GZ 1 U 44/05i-36, des Vergehens des Körperverletzung nach Paragraph 83, Absatz eins, StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt. Unter einem fasste der Bezirksrichter in Entsprechung eines Antrags der Anklagebehörde (S 93) den Beschluss, gemäß Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 3, StPO werde zum Urteil des Landesgerichtes St. Pölten, AZ 14 Hv 125/03g, nachträglich eine Freiheitsstrafe von einer Woche, bedingt nachgesehen für eine Probezeit von drei Jahren, ausgesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichtes St. Pölten auf Abtretung der Strafsache an das Bezirksgericht Lilienfeld und der zugleich mit dem Urteil gefasste Beschluss des Bezirksgerichtes Lilienfeld gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO stehen, wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.Der Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichtes St. Pölten auf Abtretung der Strafsache an das Bezirksgericht Lilienfeld und der zugleich mit dem Urteil gefasste Beschluss des Bezirksgerichtes Lilienfeld gemäß Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 3, StPO stehen, wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO hat der Einzelrichter die Entscheidung der Ratskammer einzuholen, wenn er der Ansicht ist, das Gericht oder er sei nicht zuständig. Die ohne Befassung der Ratskammer verfügte Abtretung des „Aktes" an das Bezirksgericht Lilienfeld verletzt daher das Gesetz in der Bestimmung des § 485 Abs 1 Z 2 StPO (vgl bei Annahme örtlicher Unzuständigkeit 15 Os 155, 156/01). Gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO hat das Gericht bei Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung, die vor Ablauf der Probezeit nach einem Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe begangen wurde, die Voraussetzungen für einen nachträglichen Strafausspruch (§§ 15, 16 JGG) zu prüfen und gegebenenfalls „die Strafe in einem Ausspruch so zu bemessen, wie wenn die Verurteilung wegen beider strafbarer Handlungen gemeinsam erfolgt wäre". Das Gesetz schließt somit für die hier gegebene Fallgestaltung einen nachträglichen Strafausspruch als gesonderte Unrechtsfolge grundsätzlich aus und schreibt insoweit eine von der Fiktion gemeinsamer Aburteilung aller zu ahndenden Taten ausgehende Sanktionsfindung nach den Bestimmungen über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen (§ 28 StGB) vor. Die gemeinsame Strafbemessung nach § 494a Abs 1 Z 3 StPO darf demgemäß nur dann zu gesonderten Strafaussprüchen führen, wenn die maßgebenden Vorschriften über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen derartige getrennte Strafen vorsehen (vgl 15 Os 64/06k; Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 3; Schroll in WK2 JGG § 15 Rz 7, jeweils mwN).Gemäß Paragraph 485, Absatz eins, Ziffer 2, StPO hat der Einzelrichter die Entscheidung der Ratskammer einzuholen, wenn er der Ansicht ist, das Gericht oder er sei nicht zuständig. Die ohne Befassung der Ratskammer verfügte Abtretung des „Aktes" an das Bezirksgericht Lilienfeld verletzt daher das Gesetz in der Bestimmung des Paragraph 485, Absatz eins, Ziffer 2, StPO vergleiche bei Annahme örtlicher Unzuständigkeit 15 Os 155, 156/01). Gemäß Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 3, StPO hat das Gericht bei Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung, die vor Ablauf der Probezeit nach einem Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe begangen wurde, die Voraussetzungen für einen nachträglichen Strafausspruch (Paragraphen 15,, 16 JGG) zu prüfen und gegebenenfalls „die Strafe in einem Ausspruch so zu bemessen, wie wenn die Verurteilung wegen beider strafbarer Handlungen gemeinsam erfolgt wäre". Das Gesetz schließt somit für die hier gegebene Fallgestaltung einen nachträglichen Strafausspruch als gesonderte Unrechtsfolge grundsätzlich aus und schreibt insoweit eine von der Fiktion gemeinsamer Aburteilung aller zu ahndenden Taten ausgehende Sanktionsfindung nach den Bestimmungen über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen (Paragraph 28, StGB) vor. Die gemeinsame Strafbemessung nach Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 3, StPO darf demgemäß nur dann zu gesonderten Strafaussprüchen führen, wenn die maßgebenden Vorschriften über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen derartige getrennte Strafen vorsehen vergleiche 15 Os 64/06k; Jerabek, WK-StPO Paragraph 494 a, Rz 3; Schroll in WK2 JGG Paragraph 15, Rz 7, jeweils mwN).

Vorliegend wäre unter Zugrundelegung beider Schuldsprüche - spezialpräventive Notwendigkeit vorausgesetzt - urteilsförmig (§ 16 Abs 1 zweiter Satz JGG) nur eine Strafe zu verhängen gewesen. Der Ausspruch einer gesonderten Strafe für die seinerzeit vom Landesgericht St. Pölten festgestellte Straftat wirkt sich zum Nachteil des Beschuldigten aus.Vorliegend wäre unter Zugrundelegung beider Schuldsprüche - spezialpräventive Notwendigkeit vorausgesetzt - urteilsförmig (Paragraph 16, Absatz eins, zweiter Satz JGG) nur eine Strafe zu verhängen gewesen. Der Ausspruch einer gesonderten Strafe für die seinerzeit vom Landesgericht St. Pölten festgestellte Straftat wirkt sich zum Nachteil des Beschuldigten aus.

Es waren daher die im Spruch bezeichneten Gesetzesverletzungen festzustellen, das Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld in seinem Suzan K***** betreffenden Strafausspruch sowie der zugleich mit dem Urteil gefasste Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 3 StPO aufzuheben und dem Bezirksgericht Lilienfeld die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufzutragen.Es waren daher die im Spruch bezeichneten Gesetzesverletzungen festzustellen, das Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld in seinem Suzan K***** betreffenden Strafausspruch sowie der zugleich mit dem Urteil gefasste Beschluss nach Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 3, StPO aufzuheben und dem Bezirksgericht Lilienfeld die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufzutragen.

Anmerkung

E83570 13Os130.06a

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0130OS00130.06A.0307.000

Dokumentnummer

JJT_20070307_OGH0002_0130OS00130_06A0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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