TE Vfgh Beschluss 2002/12/23 B1729/02

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Veröffentlicht am 23.12.2002
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Wr UnfallfürsorgeG 1967 §14 Abs1
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags zur Beschwerdeführung gegen den Ersatzbescheid nach Aufhebung eines Bescheides im Anlaßfall wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Bestimmung des Wr Unfallfürsorgegesetzes betreffend den Anspruch auf Versehrtenrente als offenbar aussichtslos

Spruch

Dem Antrag des W M, ..., ihm für die Beschwerde gegen den Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 18. Oktober 2002, ..., die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wird k e i n e Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

1. Der Antragsteller war in der Zeit von 1.5.1993 bis 27.12.1999 als Facharbeiter (Schlosser und Schweißer) bei der Wiener Linien GmbH & Co KG tätig. Am 28.12.1999 wurde er dem Leichtdienst zugeteilt und, nachdem er am 1.10.1997 "entpragmatisiert" worden war, mit Schreiben vom 2.2.2000 mit Wirksamkeit zum 31.5.2000 gekündigt.

1.1. Am 21.6.1994 hatte der Beschwerdeführer einen Arbeitsunfall erlitten. Der Magistrat der Stadt Wien sprach dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 2.6.1995 auf Grund der aus diesem Unfall resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20% eine Versehrtenrente in der Höhe von 20% der Vollrente zu. Diese Versehrtenrente wurde in der Folge auf Antrag des Antragstellers abgelöst.

1.2. Am 2.9.1997 hatte der Antragsteller erneut einen Unfall. Mit Eingabe vom 10.12.1998 beantragte er die Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40%, weil sich die aus dem Dienstunfall vom 21.6.1994 resultierende Schwäche im linken Kniebereich beträchtlich verschlechtert habe.

1.3. Am 6.3.2000 wies der Magistrat der Stadt Wien, MA 2 - Personalamt, den Antrag auf Erhöhung der abgelösten Versehrtenrente ab. Am 7.3.2000 stellte der Magistrat der Stadt Wien fest, daß der Beschwerdeführer am 2.9.1997 einen Dienstunfall erlitten habe, daß ihm aber auf Grund dieses Dienstunfalles keine Versehrtenrente gem. §6 UFG gebühre.

1.4. Die gegen diese Bescheide vom Antragsteller erhobenen Berufungen hat die belangte Behörde, der Dienstrechtssenat der Stadt Wien, zunächst mit Bescheid vom 30.10.2000, DS - 11 und 34/2000, mit näherer Begründung abgewiesen.

1.5. Dieser Bescheid wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3.10.2001, B2301/00 aufgehoben (Anlaßfall zum Erkenntnis vom 3.10.2001, G220/01).

2. Mit an den Dienstrechtssenat gerichteten Schriftsatz vom 23.11.2001 brachte der Antragsteller sodann vor, daß bei ihm im Hinblick auf seinen schlechten Gesundheitszustand eine Erwerbsminderung von 60% bestehe.

3. In der Folge erließ der Dienstrechtssenat der Stadt Wien am 18.10.2002 einen Ersatzbescheid (Z DS - 76/2001), mit dem

1. der Antrag vom 10.12.1998 auf Erhöhung einer abgelösten Versehrtenrente sowie

2. die Berufung gegen die Feststellung, daß ihm aus einem bestimmten Dienstunfall kein Versehrtengeld gem. §16 UFG 1967 gebührt, letztinstanzlich abgewiesen wurde.

4. Der Antragsteller beantragt die Gewährung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen diesen, im Spruch genannten, Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien.

5. In dem Verfahren wurden zahlreiche fachärztliche Gutachten zur Frage der Erwerbsminderung des Antragstellers eingeholt:

5.1. Zunächst wurde ein unfallchirurgisches Gutachten angefordert; der Gutachter kam zu dem Ergebnis, daß eine Verschlechterung des unfallkausalen Gesundheitszustandes nicht eingetreten sei. Vielmehr sei es eher zu einer Besserung gekommen. Die vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerden seien keine Unfallfolgen.

5.2. In einem Ergänzungsgutachten zu einem vom Antragsteller vorgelegten berufskundlichen Sachverständigengutachten führt der unfallchirurgische Gutachter aus, daß er die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermitteln gehabt hätte.

5.3. Weiters wurde ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie eingeholt; dieser ließ auch eine klinisch-psychologische Untersuchung durch eine andere Fachärztin durchführen. Es gebe eine geringgradige Bewegungseinschränkung im Bereich der gesamten Wirbelsäule, jedoch keine Zeichen auf radikuläre Irritationen oder Läsionen oder auf eine Symtomatik seitens des Rückenmarkes finden. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien keine Unfallfolge, sondern auf die degenerative Abnützung der Hals- und Lendenwirbelsäule zurückzuführen.

5.4. Das Gutachten der Amtsärztin gelangte zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20%.

6. Im fortgesetzten Verfahren wurden - wie vom Antragsteller beantragt - verschiedene Akten beigeschafft und ein neues unfallchirurgisches Gutachten erstellt.

6.1. Der Gutachter führte in seinem Gutachten vom 14.5.2002 aus, daß vom Antragsteller vorgebrachte "Unfälle" keinesfalls auf die beim Dienstunfall erlittene Verletzung zurückzuführen seien. Es bestehe Bandfestigkeit des linken Kniegelenkes, eine gut ausgebildete Muskulatur, seitengleiche Beweglichkeit und eine relative Beinlängendifferenz, die Folge eines Oberschenkelhalsbruches in der Kindheit sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage weiterhin 20%, wenn man die in den Röntgenbefunden beschriebenen Abnützungen heranziehe.

6.2. Der Dienstrechtssenat hat die eingeholten Gutachten wie folgt gewürdigt:

Es sei zu keiner Verschlechterung des unfallkausalen Gesundheitszustandes gekommen; Veränderungen im Fasergewebe der Meniscen seien nicht als Unfallfolge anzusehen. Die Bandfestigkeit des linken Kniegelenkes werde nicht nur im unfallchirurgischen Gutachten sondern auch durch weitere Befunde und Gutachten belegt. Aus der Tatsache, daß die Gutachten nicht das vom Antragsteller gewünschte Ergebnis brächten, könne nicht auf deren Mangelhaftigkeit geschlossen werden. Die Gutachten seien vielmehr klar. Bestimmte Beschwerden hätten beim Antragsteller bereits vor seinem Dienstunfall vorgelegen; andere seien degenerative Abnützungserscheinungen. Insgesamt sei der Antragsteller daher zu 20% erwerbsgemindert.

7. Der Antragsteller versucht in seiner an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Eingabe diese Feststellungen unter Beischluß einiger im Verfahren vor dem Dienstrechtssenat eingeholter Gutachten sowie von Gutachten und Schriftsätzen aus anderen Verfahren zu widerlegen: Er bringt vor, die Mobilität außerhalb des Wohnbereiches sei ihm nicht mehr zuzumuten, er sitze im Rollstuhl und leide an einer Gehbehinderung. Er habe starke Schmerzen. Alle seine Beschwerden seien auf den erlittenen Dienstunfall zurückzuführen.

8. Nach dem Inhalt der vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Verwaltungsakten und nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Verfahrenshilfeantrag besteht zwischen der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer im wesentlichen Streit über die Richtigkeit der eingeholten Sachverständigengutachten, dh. der Antragsteller wendet sich gegen die Beweiswürdigung und die Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde.

8.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987).

Einer Behörde kann auch dann, wenn sie unrichtig entschieden hat, nicht Willkür zur Last gelegt werden, sofern sie nur bemüht war, richtig zu entscheiden, indem sie Gründe und Gegengründe gegeneinander abgewogen hat. Dies bedeutet, daß es in der Regel nicht ausreichen würde, wenn die Behörde nur die für die Abweisung eines Anspruches maßgeblichen Gründe aufzählt, es jedoch unterläßt, sich mit den Gründen auseinanderzusetzen, die für die Bejahung der Anspruchsberechtigung zu sprechen scheinen, sodaß sie gar nicht in die Lage kommen könnte, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (zB VfSlg. 9665/1983, 12.102/1989, 12.477/1990).

8.2. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Bescheid auf einer rechtswidrigen generellen Norm beruht. Vor dem Hintergrund der unter 8.1. zitierten Rechtsprechung und unter Bedachtnahme auf den Inhalt des vom Antragsteller vorgelegten Bescheides, seines gesamten Vorbringens vor der Behörde und vor dem Verfassungsgerichtshof sowie der vom Dienstrechtssenat angeforderten Akten besteht aber auch kein Anhaltspunkt dafür, daß bei der Gesetzeshandhabung ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen wäre; es ergeben sich vielmehr ausschließlich Fragen der richtigen Rechtsanwendung, die jedoch auch dann nicht in den Zuständigkeitsbereich des Verfassungsgerichtshofes fallen, wenn eine Beschwerdeerhebung vor dem Verwaltungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall - ausgeschlossen ist (vgl. jüngst E vom 11.6.2002, B383/01). Eine Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erscheint somit als offenbar aussichtslos.

9. Der Antrag war sohin mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

Schlagworte

Sozialversicherung, Unfallversicherung, Versehrtenrente, VfGH / Verfahrenshilfe, Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1729.2002

Dokumentnummer

JFT_09978777_02B01729_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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