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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §63 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der V Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Mag. Dr. Erhard Buder und DDr. Gabriele Herberstein, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Lerchenfelderstraße 94/15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Jänner 2005, Zl. MA 62- III/33956/04, betreffend Kosten einer Ersatzvornahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den
23. Bezirk, trug mit Bescheid vom 10. Dezember 2001 dem A.K., Eigentümer der Liegenschaft 1230 Wien, K-Gasse 356, in Anwendung der Wiener Reinhalteverordnung 1982 auf, den auf diesem Grundstück befindlichen sanitären Übelstand in Form von "diversem Gerümpel, Haushaltsrestmüll und Sperrmüll in einem Gesamtausmaß von ca. 5 m2" innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu entfernen.
Mit Schreiben vom 18. März 2002 erging vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6-Rechnungsamt (MA 6), an A.K. die Androhung der Ersatzvornahme bezüglich der im Bescheid vom 10. Dezember 2001 auferlegten Verpflichtung. Mit Bescheid vom 19. April 2002 ordnete die MA 6 gegenüber dem A.K. die Ersatzvornahme an.
Darauf erfolgte die Ersatzvornahme, die Ausführenden legten entsprechende Rechnungen.
Mit Schreiben vom 4. September 2002 übermittelte die MA 6 dem A.K. diese Rechnungen mit der Erklärung, dass die Rechnungen auf ihre rechnerische Richtigkeit überprüft und die ordnungsgemäße und richtige Leistung bestätigt worden seien. Am 10. Oktober 2002 erließ die MA 6 gemäß § 11 Abs. 1 VVG einen Kostenbescheid, mit welchem dem A.K. Kosten in der Höhe von EUR 4.135,56 (einschließlich der Auslagen der Behörde gem. § 11 Abs. 3 VVG) sowie Zinsen zur Zahlung binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Kostenbescheides auferlegt wurden.
In der Folge wurde erhoben, dass A.K. am 25. September 2002 verstorben ist. Das Verlassenschaftsverfahren wurde vom Bezirksgericht St. Pölten zur Zl. 1A 522/02a geführt. Gerichtskommissär war Dr. H. G., öffentlicher Notar in Herzogenburg; Verlassenschaftskurator war Mag. F. K., Notar-Partner in St. Pölten.
Am 10. Dezember 2002 erließ die MA 6 unter der Geschäftszahl MA 6-EuVD-B/23/4/2002 einen neuen Kostenbescheid nach § 11 Abs. 1 VVG, mit welchem sie der Verlassenschaft nach A.K. die Kosten der Ersatzvornahme auferlegte. Diesen Bescheid richtete sie an die Verlassenschaft nach A. K. zu Handen "RA" Mag. Dr. H. G. in Herzogenburg; dieser Bescheid wurde am 17. Dezember 2002 dem Gerichtskommissär, dem öffentlichen Notar Dr. H. G. zugestellt.
Der Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens ist im sog. "Mantelbeschluss" des BG St. Pölten vom 7. Jänner 2004 dokumentiert. Darin wurde festgehalten, dass der Legats- und Pflichtteilserfüllungsausweis als erbracht und das Testament vom 1. Juli 1997 als erfüllt angesehen wurde (die Liegenschaft des Titelbescheides war Gegenstand eines Legates zu Gunsten des mj. M. K.). Der Nachlass wurde der Beschwerdeführerin eingeantwortet und das Verlassenschaftsverfahren für beendet erklärt. Vom selben Tag stammt die Einantwortungsurkunde, wonach der Nachlass der Beschwerdeführerin, die sich mit der Rechtwohltat des Inventars zur Erbin erklärt hatte, zur Gänze eingeantwortet worden war.
Die MA 6 hat mit einem Schreiben vom 24. Februar 2004 den an die Verlassenschaft gerichteten Kostenbescheid vom 10. Dezember 2002 der Beschwerdeführerin übermittelt, wozu die Beschwerdeführerin in einem Schreiben vom 4. März 2004 Stellung genommen hat. Es sei mit Beschluss des Abhandlungsgerichtes vom 11. November 2002 das Gläubigeredikt gemäß § 813 ABGB erlassen und alle Gläubiger aufgefordert worden, ihre Ansprüche beim Abhandlungsgericht am 11. März 2003 mündlich oder bis zu diesem Tage schriftlich anzumelden und nachzuweisen. Die MA 6 sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen und die Anmeldefrist sei versäumt. Es stünden der MA 6 daher keine weiteren Ansprüche gegen die Verlassenschaft bzw. gegen die Beschwerdeführerin als Erbin zu.
In einem Schreiben vom 28. März 2004 beanstandete die Beschwerdeführerin, dass der Kostenbescheid an den Gerichtskommissär und nicht an den Verlassenschaftskurator Mag. F. K. zugestellt worden sei. Die Forderung laut Kostenbescheid vom 10. Dezember 2002 scheine im Hauptinventar vom 7. November 2003 nicht auf. Der im Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 7. Jänner 2004 ausgewiesene Reinnachlass von EUR 379.684,94 sei mit Verfahrenskosten von EUR 43.995,14 belastet und es hätte aus dem Nachlass ein Legat über EUR 342.000,-- ausgefolgt werden müssen, sodass der Nachlass bereits am Todestag mit EUR 6.310,20 überschuldet gewesen sei.
Daraufhin richtete die MA 6 einen mit 22. Juni 2004 datierten Kostenbescheid an die Beschwerdeführerin und verpflichtete diese gemäß § 11 Abs. 1 VVG zur Zahlung der durch die erwähnte Ersatzvornahme verursachten Kosten in Höhe von EUR 4.135,56 und gemäß § 11 Abs. 4 VVG zur Zahlung näher genannter Finanzierungskosten. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 29. Juni 2004 zugestellt.
In dem an die MA 6 gerichteten Schreiben vom 30. Juni 2004
führte die Beschwerdeführerin wie folgt aus:
"Betrifft: MA 6-EuVD-B/23/4/2002
Wien 23., K-Gasse 356
Sehr geehrte Damen und Herren !
Wir beziehen uns auf den mit Schreiben vom 24.2.2004 übermittelten rechtskräftigen Kostenbescheid vom 10.12.2002 gegen die Verlassenschaft nach A.K., deren eingeantwortete Erbin unsere Gesellschaft ist.
Zu Ihrer Forderung dürfen wir wie folgt Stellung nehmen:
Im Verlassenschaftsverfahren nach Herrn A.K., das beim Bezirksgericht St. Pölten zu 1 A 522/02a geführt wurde, wurde mit Beschluss des Abhandlungsgerichtes vom 11.11.2002 das Gläubigeredikt gemäß § 133 AP (§ 813 ABGB) erlassen und alle Gläubiger aufgefordert, ihre Ansprüche beim Abhandlungsgericht am 11.3.2003 mündlich, oder bis zu diesem Tage schriftlich anzumelden und nachzuweisen.
Nach der Aktenlage sind Sie dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen und haben damit die Anmeldungsfrist versäumt.
Da Sie nicht zum Kreis der durch ein Pfandrecht versicherten Gläubiger gehören und die Verlassenschaft durch die fristgerecht angemeldeten Forderungen erschöpft ist, stehen Ihnen keine weiteren Ansprüche gegen die Verlassenschaft bzw. gegen uns als deren Erbin zu.
Mit der Bitte um Kenntnisnahme zeichnen wir
..."
Im angefochtenen Bescheid qualifizierte die belangte Behörde das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 30. Juni 2004 als Berufung gegen den Bescheid vom 22. Juni 2004 und änderte den letztgenannten Bescheid dahin ab, dass die Beschwerdeführerin den Betrag von EUR 4.135,56, nicht aber auch die gleichzeitig vorgeschriebenen Finanzierungskosten zu leisten habe.
Über die dagegen erhobene Beschwerde, zu der von der belangten Behörde der Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides setzt das Vorliegen einer Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid vom 22. Juni 2004 voraus. Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass das zitierte Schreiben der Beschwerdeführerin vom 30. Juni 2004 als Berufung anzusehen sei. Diese Ansicht ist aus folgenden Gründen unzutreffend:
Im Schreiben vom 30. Juni 2004 nimmt die Beschwerdeführerin ausdrücklich - und ausschließlich - Bezug auf den bereits rechtskräftig gewordenen Kostenbescheid vom 10. Dezember 2002, der an die Verlassenschaft nach A.K. gerichtet war, und vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass die belangte Behörde keine Ansprüche gegen die Beschwerdeführerin mehr geltend machen könne. Diese Stellungnahme beinhaltet somit einen Rechtsstandpunkt, der nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen ist, weshalb es nicht Aufgabe der belangten Behörde war, diese Stellungnahme umzudeuten oder die Beschwerdeführerin zur Klarstellung aufzufordern. Da sich aber einerseits aus dem Inhalt der Stellungnahme nicht ergibt, dass die Beschwerdeführerin mit diesem Schreiben überhaupt eine Berufung erheben wollte (auch ein Berufungsantrag findet sich darin nicht) und andererseits der Bescheid vom 22. Juni 2004 in der Stellungnahme gar nicht als bekämpfter Bescheid genannt wird - vielmehr nimmt die Beschwerdeführerin, wie erwähnt, ausdrücklich auf einen früheren, bereits rechtskräftigen Bescheid Bezug -, durfte die belangte Behörde nicht vom Vorliegen einer Berufung gegen den Bescheid vom 22. Juni 2004 ausgehen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, unter E. 122 zu § 63 AVG referierte Judikatur).
Die belangte Behörde hat somit zu Unrecht ihre Zuständigkeit als Berufungsbehörde angenommen, was der Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen hat (vgl. die bei Mayer, B-VG (2002), unter III.1. zu § 42 VwGG referierte Judikatur).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil sich der Schriftsatzaufwand aus der genannten Verordnung ergibt und im Pauschbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am 27. September 2007
Schlagworte
Allgemein Berufungsrecht Begriff des Rechtsmittels bzw der Berufung Wertung von Eingaben als Berufungen Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007110166.X00Im RIS seit
01.11.2007Zuletzt aktualisiert am
05.11.2008