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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde 1. des JF in Z, 2. des FR, 3. des JH und 4. der EH, alle in R, alle vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in 3910 Zwettl, Landstraße 52, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. Februar 2004, Zl. WA1-W-41.638/1-04, betreffend Teilerlöschen eines Wasserrechtes und letztmalige Vorkehrungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z (kurz: BH) vom 8. Mai 1973 wurde Stefan F. und Franz R. die wasserrechtliche Bewilligung zur Entnahme des Grundwassers aus einer im Längsschlitz gefassten Quelle auf Parzelle Nr. 1369/2 und 1368, ehemalige KG P., über einen Behälter und eine Gefällsrohrleitung zur Trink- und Nutzwasserversorgung der Anwesen A. Nr. 1 und A. Nr. 3 erteilt.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 1994 stellten Franz F. und Franz R. ein Ansuchen auf "Umwidmung" der als Trink- und Nutzwasserversorgungsanlage genehmigten Gemeinschaftsversorgungsanlage als Nutzwasserversorgungsanlage. In der Begründung führten sie u.a. aus, dass die gegenständliche Anlage in den letzten Jahren und insbesondere in den Sommermonaten bedingt durch die Trockenheit kaum Wasser geliefert habe. Franz R. sei daher gezwungen gewesen, seinen eigenen bestehenden Hausbrunnen erneuern zu lassen und verwende diesen nun für Trink- und Nutzwasserzwecke. Franz F. sei gezwungen gewesen, einen eigenen Brunnen als Trink- und Nutzwasserversorgungsanlage zu errichten. Die gemeinschaftliche Wasserversorgungsanlage werde daher nur mehr fallweise für Nutzwasserzwecke herangezogen.
Im Rahmen des von der BH eingeleiteten Teilerlöschensverfahrens wurden vom technischen Amtssachverständigen letztmalige Vorkehrungen formuliert und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Im Rahmen einer Erörterung der gegenständlichen Angelegenheit sei von den Parteien - wie im Aktenvermerk vom 10. Februar 1995 festgehalten sei - bekannt gegeben worden, dass Grund für den Teilverzicht die Vorschreibung der Pestiziduntersuchung durch das Amt der N.Ö. Landesregierung gewesen sei.
Aus einem Aktenvermerk der BH vom 10. November 2000 geht u. a. hervor, der Erstbeschwerdeführer "(Vertreter der Erben nach Franz F.)" habe bezüglich der weiteren Vorgangsweise vorgesprochen und es sei vereinbart worden, dass das gegenständliche Teilerlöschensverfahren bis Ende April 2001 bezüglich der Klärung der weiteren Vorgangsweise mit den anderen Erben ausgesetzt werde.
In einem den Verwaltungsakten zuliegenden Aktenvermerk vom 16. Oktober 2001 wurde u.a. festgehalten, dass aufgrund eines in einer näher genannten Abteilung der BH aufliegenden Befundes, welcher der gegenständlichen Anlage Trinkwasserqualität bescheinige, mit dem Erstbeschwerdeführer "der Verzicht auf die Trinkwasserversorgung" besprochen worden sei. Dieser habe hierauf mitgeteilt, dass im Einvernehmen mit den beiden anderen Wasserberechtigten (R. und H.) "dieser Verzicht auf Entnahme von Trinkwasser" zurückgezogen werde.
In einem weiteren Aktenvermerk vom 6. November 2001 wurde ferner aufgrund eines Telefonates mit dem Erstbeschwerdeführer festgehalten, dass der Verzicht unwiderruflich sei und der Erstbeschwerdeführer gemeinsam "mit dem zweiten Wasserberechtigten" einen "Antrag auf Wiedererteilung Trinkwasser" schicken werde.
Mit Bescheid der BH vom 6. Juni 2002 wurde gemäß § 27 Abs. 1 lit. a WRG 1959 festgestellt, dass das Wasserrecht zum Betrieb einer Trink- und Nutzwasserversorgungsanlage, eingetragen im Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes Z unter PZ 3400, soweit es sich auf die Entnahme von Trinkwasser bezieht, erloschen ist. Ferner wurde festgehalten, dass das Recht zur Entnahme von Nutzwasser und zum Weiterbetrieb der Wasserversorgungsanlage als Nutzwasserversorgungsanlage weiterhin aufrecht bleibt.
Als letztmalige Vorkehrung wurde festgelegt, dass die Installationen in den Anwesen von der jeweiligen Trinkwasserleitung zu trennen seien, wobei der Einbau von Schiebern oder Rückschlagventilen nicht ausreichend sei, sondern getrennte Rohrsysteme zu errichten seien. Über die getrennte Ausführung der Leitung seien Bestätigungen eines konzessionierten Unternehmens vorzulegen.
Ferner wurde das mit Bescheid vom 8. Mai 1973 festgelegte Quellschutzgebiet aufgehoben, ebenso die darin festgehaltenen Auflagen bzw. Beschränkungen.
In der Begründung dieses Bescheides wurde u.a. ausgeführt, dass die (damaligen) Wasserberechtigten mit Schreiben vom 12. Dezember 1994 einen Teilverzicht hinsichtlich der Trinkwassernutzung erklärt hätten und aus dem Gutachten des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik hervorgehe, dass die Durchführung der letztmaligen Vorkehrungen zum Schutz der öffentlichen Interessen notwendig sei.
Gegen diesen Bescheid erhoben der Erstbeschwerdeführer "und Mitbesitzer" sowie die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Februar 2004 wurde die Berufung der Erst- bis Viertbeschwerdeführer abgewiesen und die Frist für die Durchführung der letztmaligen Vorkehrungen mit 20. Februar 2005 neu bestimmt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, die Rechtsvorgänger der nunmehrigen Beschwerdeführer würden im Schreiben vom 12. Dezember 1994 die Gemeinschaftsversorgungsanlage für Trink- und Nutzwasserzwecke sowie das Jahr 1973 ansprechen, aus dem der ursprüngliche Bewilligungsbescheid stamme. Ferner gehe aus dem Schreiben hervor, dass die Anlage zukünftig - bedingt durch die Trockenheit - nur mehr fallweise als Nutzwasseranlage verwendet werden solle und der Trinkwasserbedarf aus dem erneuerten (Franz R.) bzw. neu errichteten Hausbrunnen (Franz F.) gedeckt werden solle. Der Wille der Rechtsvorgänger sei also erkennbar bzw. nachlesbar eindeutig darauf gerichtet, die Anlage nicht mehr als Trinkwasserversorgungsanlage verwenden zu wollen. Dies komme einem Verzicht auf die zukünftige Trinkwasserversorgung aus der Gemeinschaftswasserversorgungsanlage gleich.
Abgesehen davon gehe auch aus dem von der BH aufgenommenen Aktenvermerk vom 16. Oktober 2001 eindeutig hervor, dass die (nunmehrigen) beschwerdeführenden Parteien den Verzicht (also kein Ansuchen) auf Entnahme von Trinkwasser zurückziehen wollten.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sei die Abgabe einer Verzichtserklärung einerseits nicht annahmebedürftig, d.h. der Verzicht gelte jedenfalls, und anderseits bedingungsfeindlich - d.h. es sei für die Verzichtserklärung irrelevant, dass als Grund für den Verzicht die Vorschreibung der Pestiziduntersuchung durch das Amt der N.Ö. Landesregierung angegeben worden sei. Überdies sei eine einmal abgegebene Verzichtserklärung unwiderrufbar. Mit Abgabe der Verzichtserklärung sei das gegenständliche Wasserbenutzungsrecht aus dem Jahre 1973 mit dem Zeitpunkt der Verzichtserklärung (Schreiben vom 12. Dezember 1994) erloschen. Mit dem Erlöschensbescheid werde das bereits eingetretene Erlöschen lediglich festgestellt.
Insoweit die Beschwerdeführer ausführten, dass eine Trennung der Rohrsysteme nicht möglich sei, weil das Wasser der Gemeinschaftswasserversorgungsanlage auch für Trinkwasser geeignet sei, sei dem entgegenzuhalten, dass für diese Nutzung (Trinkwasser) aufgrund der vorliegenden Verzichtserklärung keine Berechtigung mehr bestehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Die Beschwerdeführer machen u.a. geltend, die belangte Behörde vertrete die unrichtige Auffassung, dass die Eingabe des Franz F. und des Franz R. vom 12. Dezember 1994 zu einem Teilerlöschen und zwar bezogen auf die Entnahme von Trinkwasser bei der gegenständlichen Versorgungsanlage geführt habe. Es könne der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht entnommen werden, weshalb eine Erklärung des Franz F. zu einem derartigen Teilerlöschen führen solle, sei doch nicht Franz F., sondern Stefan F. und Franz R. mit Bescheid der BH vom 8. Mai 1973 die wasserrechtliche Bewilligung für die gegenständliche Anlage, und zwar zur Trink- und Nutzwasserversorgung der Anwesen A. Nr. 1 und A. Nr. 3, erteilt worden. Ferner sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, weshalb eine von Franz F. und von Franz R. abgegebene Erklärung zur Erlassung von Bescheiden gegenüber den nunmehrigen Beschwerdeführern führen sollte und weshalb diesen Beschwerdeführern nunmehr Vorkehrungen aufgetragen würden.
Von einem Verzicht auf ein Wasserbenutzungsrecht im Sinne des § 27 Abs. 1 lit. a WRG 1959 könne immer nur bei einem gänzlichen Verzicht gesprochen werden. Die Erklärung vom 12. Dezember 1994 könne jedenfalls keinen gänzlichen Verzicht darstellen, sondern lediglich einen Antrag auf Abänderung der Widmung von ursprünglich Trink- und Nutzwasser auf nunmehr vorerst nur Nutzwasser. Das ergebe sich auch ausdrücklich aus der Formulierung der Eingabe vom 12. Dezember 1994. Es sei dort ersucht worden, eine Umwidmung im bereits aufgezeigten Sinn vorzunehmen. Von einem Verzicht sei dort keine Rede. Liege allerdings ein Antrag auf Umwidmung vor, so könne ein derartiger Antrag, wie jeder andere Parteienantrag, jederzeit zurückgenommen oder anderweitig abgeändert werden. Dies sei schlussendlich, wie dargestellt, von den Beschwerdeführern erfolgt. Aus dem Aktenvermerk der BH vom 16. Oktober 2001 ergebe sich, dass die ursprüngliche Eingabe vom 12. Dezember 1994 auf Umwidmung nicht aufrecht erhalten, sondern zurückgenommen werde, sodass der Antrag nicht mehr verfahrensgegenständlich sei. Damit hätte der angefochtene Bescheid, mit dem der erstinstanzliche Bescheid bestätigt werde, nicht erlassen werden dürfen.
Die Wasserrechtsbehörde habe mehrfach nach dem "Umwidmungsantrag" des Franz F. und des Franz R. vom 12. Dezember 1994 die damaligen Wasserberechtigten aufgefordert, Untersuchungen auf Trinkwasser vorzunehmen und die diesbezüglichen Befunde der Behörde vorzulegen. Die BH habe mit Schreiben vom 8. August 2001, welches u.a. an die nunmehrigen Beschwerdeführer gerichtet gewesen sei, aufgefordert zu erklären, ob das Schreiben vom 12. Dezember 1994 zurückgezogen werde oder ob das dortige Vorbringen aufrecht erhalten werde. Die Wasserrechtsbehörde sei daher weiterhin von einer Nutzung der gegenständlichen Anlage sowohl für Trinkwasser als auch für Nutzwasser ausgegangen.
Der angefochtene Bescheid sei aber auch deshalb zu Unrecht erlassen worden, weil der Bescheid der BH vom 6. Juni 2002 nicht nur von den nunmehrigen Beschwerdeführern, sondern von der "gesamten Erbengemeinschaft" angefochten worden sei; das ergebe sich eindeutig aus der Berufungsschrift. Mit dem angefochtenen Bescheid habe die belangte Behörde allerdings nur über die Berufungen der Beschwerdeführer entschieden, nicht aber über die Berufungen der "übrigen Mitbesitzer"; dies sei allerdings unzulässig. Es sei nicht zulässig, dass in einem Bescheid hinsichtlich einiger Miteigentümer abgesprochen werde und nicht hinsichtlich sämtlicher Miteigentümer. Das betreffe jedenfalls die Erbengemeinschaft. Was die Erbengemeinschaft anbelange, so sei nur hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers entschieden worden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
F.F. und F.R. (= Rechtsvorgänger der nunmehrigen Beschwerdeführer) haben in ihrem Schreiben vom Dezember 1994 aber das Wort "Verzicht" nicht verwendet. Sie haben lediglich um eine "Umwidmung" angesucht. Es wurde zwar in der Folge den beiden vorgenannten Personen ein Gutachten des Amtssachverständigen zur Kenntnis gebracht, in dem das Wort "Verzicht" vorkommt. Ein Hinweis darauf, dass die Behörde - und nicht bloß der Amtssachverständige - abweichend vom Wortlaut des Schreibens vom Dezember 1994 von einem Verzicht (im Sinne des § 27 Abs. 1 lit. a WRG 1959) ausgeht, ist darin nicht zu erblicken. Man kann daher aus dem Umstand, dass F.F. und F.R. gegen die Verwendung dieses Begriffes nicht protestiert haben, nicht schon ihre Zustimmung zur Wertung ihres Schreibens als Verzicht sehen. Die von der belangten Behörde in ihrem Bescheid angesprochene "Zurücknahme eines Verzichtes" erfolgte bereits durch J.F. (= einer der Rechtsnachfolger von F.F.) "im Einvernehmen mit" F.R. und hat auf die Auslegung des ursprünglichen Schreibens vom Dezember 1994 (von F.F. und F.R.) keinen Einfluss.
Es ist nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die seinerzeitigen Wasserberechtigten mit ihrem Schreiben vom Dezember 1994 einen Verzicht zum Ausdruck bringen wollten. Aus dem Wortlaut dieses Schreibens lässt sich das aber nicht zweifelsfrei ableiten. Bei der Behörde hätten daher diesbezügliche Zweifel entstehen müssen und hätte sie durch entsprechende Ermittlungen die Parteienabsicht zu klären gehabt. Die Berufung auf den Wortlaut des Schreibens allein und die Tatsache, dass im späteren Verlauf des Verfahrens teilweise von einem "Verzicht" die Rede war, reicht als Begründung für die Annahme, ein Verzicht liege vor, nicht aus. Es liegt daher ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff. VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II. Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz für eine "Gebühr für die postamtliche Einzahlung" gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Wien, am 27. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004070045.X00Im RIS seit
01.11.2007